Nach Ablehnung durch FDP So will Hubertus Heil das EU-Lieferkettengesetz retten


Arbeitsminister Hubertus Heil und Finanzminister Christian Lindner haben aktuell Gesprächsbedarf beim Lieferkettengesetz.
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Die FDP blockiert derzeit die Zustimmung der Bundesregierung zur EU-Richtlinie für Lieferketten. Das könnte das komplette Projekt zu Fall bringen. Jetzt legt Bundesarbeitsminister Heil ein Maßnahmenpaket vor, um den Koalitionspartner zum Einlenken zu bewegen.
Im Koalitionsstreit um das EU-Lieferkettengesetz hat SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil der FDP einen Kompromiss vorgeschlagen. Um den Koalitionspartner zu einer Zustimmung zu der Richtlinie zu bewegen, soll mithilfe eines Entlastungspaketes für Unternehmen "eine weitere Brücke" gebaut werden, wie es aus Ministeriumskreisen heißt.
In einem Ministeriumspapier, welches ntv.de vorliegt, sind vor allem Entbürokratisierungsmaßnahmen aufgelistet. So soll es keine doppelten Berichtspflichten für die Unternehmen geben. "Künftig würden die besonderen Berichtspflichten der Unternehmen nach dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz entfallen", heißt es in dem Papier. Stattdessen müssten die Firmen ab 2025 nur noch einen - europaweit einheitlich standardisierten - Nachhaltigkeitsbericht erstellen.
Den Unternehmen soll zudem die Risikoanalyse erleichtert werden. Diese sollen das "Rechtsdurchsetzungsniveau" in den einzelnen Produktionsländern in ihrer Lieferkette berücksichtigen dürfen. Das heißt, dass die Firmen eine eigene Abschätzung treffen können, in welchen Produktionsländern beispielsweise Kinder- und Zwangsarbeit wahrscheinlicher ist und dementsprechend genauere Kontrollen notwendig sind. Allgemeine "schwarze" oder "weiße" Listen an Ländern soll es demnach nicht geben, die Unternehmen sollen die Möglichkeit bekommen, selbst eine Einordnung zu treffen.
Ferner sieht der Vorschlag aus dem Arbeitsministerium vor, dass es mehr Rechtssicherheit für Brancheninitiativen geben soll, um Audits und Zertifikate unternehmensübergreifend zu verwenden. Gleichzeitig sollen auch Maßnahmen ergriffen werden, dass große Unternehmen, die vom Lieferkettengesetz betroffen sind, ihre Informationspflichten nicht unangemessen an kleine und mittlere Unternehmen weiterreichen. Letztere sind nach der Definition der EU nicht von der neuen Richtlinie erfasst. Abschließend sollen auch die Informations- und Beratungsangebote vonseiten der Bundesregierung für die betroffenen Wirtschaftsakteure ausgebaut werden.
Grüne begrüßen Kompromissvorschlag
Vonseiten der Grünen-Fraktion im Bundestag wurde der Vorstoß von Heil begrüßt. "Ein Kompromiss gehört in der Demokratie dazu. Deshalb ist es gut, dass Arbeitsminister Heil noch einmal Vorschläge zum Lieferkettengesetz gemacht hat, die Unternehmen entlasten", sagte die Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge. "Damit geht er auf Bedenken der FDP ein. Damit sollte Deutschland nun aber auch dem europäischen Lieferkettengesetz zustimmen."
Weiter erklärte sie, so würden faire Bedingungen zwischen deutschen und anderen europäischen Unternehmen geschaffen. "Es ist aber auch eine Frage der europapolitischen Zuverlässigkeit Deutschlands, nun zuzustimmen. Denn die Abstimmung steht am Ende eines langen gemeinsamen europäischen Verhandlungsprozesses."
Zuvor hatten der FDP-Finanzminister Christian Lindner und der FDP-Justizminister Marco Buschmann angekündigt, das bereits fertig verhandelte Lieferkettengesetz noch verhindern zu wollen. Die FDP-Minister kritisierten, dass die Richtlinie dazu führen werde, dass Unternehmen für Pflichtverletzungen in der Lieferkette in erheblicher Weise zivilrechtlich haften. Außerdem wären deutlich mehr Unternehmen betroffen als nach aktueller deutscher Rechtslage. Beispielsweise sei auch der Bausektor in der Richtlinie einbezogen. Auch der Handelsverband Deutschland hatte sich der FDP-Kritik angeschlossen.
Bundeskanzler Olaf Scholz erklärte im Anschluss an die Sitzung des Europäischen Rats, man müsse festhalten, dass es derzeit keinen Konsens bei dem Thema in der Regierung gebe. Er gab sich überzeugt, dass es der Bundesregierung gelungen sei, viele der Aspekte aus dem deutschen Lieferkettengesetz auch in die europäische Richtlinie hinein zu verhandeln. Eine mögliche Enthaltung Deutschlands im Rat der Europäischen Union könnte sich in seiner Wirkung schlussendlich als eine Nein-Stimme entfalten. Ob die Richtlinie ohne eine deutsche Zustimmung eine Mehrheit finden wird, ist ungewiss. Die entscheidende Sitzung hierzu ist auf EU-Ebene für die kommende Woche angesetzt.
Quelle: ntv.de