Politik

Sudan-Experte im Interview "Im Zweifelsfall steht Russland auf jeden Fall auf der Gewinnerseite"

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Opfer des Krieges: Vertriebene Sudanesen neben einer von Kugeln durchlöcherten Wand.

Opfer des Krieges: Vertriebene Sudanesen neben einer von Kugeln durchlöcherten Wand.

(Foto: dpa)

Im Sudan geht es um die militärische Vorherrschaft und die reichen Ressourcen, darunter Gold. Mit diesem bezahlen beide Kriegsparteien ihre Waffenlieferungen, die den Krieg am Laufen halten. Auf der einen Seite steht die Regierungsarmee unter dem faktischen Staatschef Abdel Fattah Burhan, auf der anderen der Chef der RSF-Miliz, Mohammed Hamdan Daglo. "Solange beide Seiten glauben, dass sie den Krieg gewinnen können, werden sie nicht aufhören zu kämpfen", sagt Volker Perthes. Er war UN-Sonderbeauftragter im Sudan. Mit ntv.de spricht er über die militärische Lage, über den Goldhandel und die Rolle von Russlands Machthaber Wladimir Putin.

ntv.de: Herr Perthes, was hören Sie in den vergangenen Tagen: Wie ist die Lage in Al-Faschir, wo es bei der Eroberung durch die RSF-Miliz furchtbare Gräueltaten gegeben haben soll?

Volker Perthes: Ich höre auch nicht mehr als Sie. Wir können nur das zur Kenntnis nehmen, was in den Medien berichtet wird. Es gibt wohl erstmals wieder mehr Lebensmittel, die nach Al-Faschir kommen, nachdem die RSF die Lebensmittelzufuhr über anderthalb Jahre behindert und blockiert hat. Jetzt ist die Stadt unter Kontrolle der Miliz, die eine große Zahl an Einwohnern und Einwohnerinnen getötet hat. Eine noch sehr viel größere Zahl versucht, die Stadt zu verlassen. Wer übrig bleibt, versucht, nicht in Kontakt zu kommen mit den bewaffneten Kämpfern.

Was erwarten Sie, wie der Krieg jetzt weitergeht? Es gibt bereits Berichte über Kämpfe in der Region Nord-Kordofan, östlich von Darfur. Wird sich der Krieg dorthin ausbreiten?

Prognosen über die Zukunft mache ich nicht. Aber es sieht tatsächlich so aus, als ob sich die Auseinandersetzungen jetzt in die Provinzen zwischen Darfur und dem Niltal bewegen, also in die Kordofan-Bundesstaaten. Da hat es zuletzt immer wieder wechselndes Kriegsglück gegeben zwischen der RSF-Miliz und den SAF, den Sudanese Armed Forces, der Regierungsarmee. Einzelne Städte wurden erst von der einen, dann von der anderen Seite erobert. Das Gebiet wird jetzt sicherlich für einige Zeit im Mittelpunkt der Kämpfe stehen.

Mit all Ihrer Erfahrung in den internationalen Beziehungen, auch als UN-Sonderbeauftragter - wären Sie am Ende froh, wenn jemand wie Donald Trump auf den Tisch haut und zumindest dafür sorgt, dass das Töten aufhört?

So wie Sie es formulieren, würde ich sagen: Ja. "Whatever works", sage ich gelegentlich - was auch immer funktioniert. Wenn Donald Trump etwas gelingt, das anderen nicht gelingt, warum sollte ich dann dagegen sein? Das Wichtige ist, dass das Töten aufhört. Dann können Hilfsorganisationen wieder helfen, dann braucht es aber auch weniger Hilfe. Dann können Menschen in ihre Dörfer zurückkehren, Bauern auf ihre Felder, dann kann der Sudan sich wieder zu einem größeren Anteil selbst ernähren, dann gibt es weniger Flüchtlinge in den Nachbarländern. Als UN-Diplomat oder als Wissenschaftler stellt man sich dann aber natürlich die Frage: Wie geht es weiter, gibt es genügend Unterstützung von regionalen Staaten und Organisationen? Politisch ist mit einem Waffenstillstand noch nichts gelöst, aber für die Menschen ist ein Ende des Tötens auf jeden Fall ein echter Schritt nach vorne.

Prof. Dr. Volker Perthes ist Politikwissenschaftler. Er war unter anderem von 2021 bis 2023 Sonderbeauftragter des UN-Generalsekretärs im Sudan. Zudem war er 15 Jahre lang Direktor des Deutschen Instituts für Internationale Politik und Sicherheit. Er hat zahlreiche Bücher über den Nahen und Mittleren Osten geschrieben.

Prof. Dr. Volker Perthes ist Politikwissenschaftler. Er war unter anderem von 2021 bis 2023 Sonderbeauftragter des UN-Generalsekretärs im Sudan. Zudem war er 15 Jahre lang Direktor des Deutschen Instituts für Internationale Politik und Sicherheit. Er hat zahlreiche Bücher über den Nahen und Mittleren Osten geschrieben.

(Foto: SWP)

Beim Fall von Al-Faschir wurde vor allem über die Gräuel der RSF-Milizen gesprochen. Wie gehen die Regierungstruppen mit Zivilisten um?

Beide Seiten haben seit Beginn des Kriegs das internationale humanitäre Recht verletzt. Beide Seiten haben Kriegsverbrechen begangen und sind nicht ihrer völkerrechtlichen Verpflichtung nachgekommen, Zivilisten zu schützen. Die Art und Weise, wie sie Gewalt ausüben, ist aber unterschiedlich. Die RSF-Milizen sind vor allem verantwortlich für Vergewaltigungen, Plünderungen, Mord an Zivilisten oder Vertreibungen aus Flüchtlingslagern. Die Armee dagegen hat mehrfach aus der Luft Märkte oder zivile Infrastruktur in Dörfern und Städten angegriffen, die unter Kontrolle der RSF stehen.

Das erklärt auch die großen Flüchtlingsbewegungen.

Es gibt einen entscheidenden Unterschied: Wenn die RSF ein Dorf oder eine Stadt einnimmt, dann versuchen die Menschen, dort wegzukommen. Das haben wir in Darfur immer wieder gesehen und auch am Anfang des Krieges in Khartum. Wenn die Armee diese Gebiete zurückerobert, sehen wir keine Flüchtlingswellen. Eine große Zahl der Menschen fühlt sich offenbar unter der Armee sicherer als unter den RSF. Das heißt aber nicht, dass die Armee überall Zivilisten oder Kriegsgefangene schützt. Es gab immer wieder Berichte über Exekutionen von Gefangenen durch Armeeangehörige oder - noch häufiger - durch mit der Armee verbündete Milizen.

Sie haben in Interviews bereits gesagt, dass ein Weg zu einer Lösung des Konflikts über die Unterstützerstaaten gehen müsste, die beide Seiten mit Waffen versorgen.

Erstens bin ich davon überzeugt, dass der Weg zu einer Einstellung der Kämpfe ganz wesentlich über die unterstützenden Staaten gehen muss. Zweitens geht es hier nicht nur um Waffenlieferungen, sondern es geht um Ressourcen insgesamt. Dazu gehören Munition, Brennstoffe für die Fahrzeuge, Ersatzteile. Aber es geht eben auch darum, dass die Kriegsparteien genügend Ressourcen haben: Sie bezahlen ihre Waffenlieferungen vor allem durch den Export von Gold. Beide Seiten beliefern im Wesentlichen die Vereinigten Arabischen Emirate, ein Stück weit auch Ägypten. Solange beide Seiten noch Kriegsziele haben und glauben, dass sie territorial hinzugewinnen und vielleicht sogar den gesamten Krieg gewinnen können, und sie die Ressourcen haben, den Krieg weiterzuführen, werden sie nicht aufhören zu kämpfen.

Ihre Kollegin Annette Hofmann vom Thinktank Clinendael sagt, das Gold aus dem Sudan lande auch in Deutschland. Können Sie das bestätigen?

Ich nehme an, dass sie recht hat, auch wenn ich dazu keine eigenen Untersuchungen gemacht habe. Auf jeden Fall stimmt, dass Gold keine Kennung hat, mit der man die Herkunft bestimmen könnte. Wenn Gold aus dem Sudan in den Vereinigten Arabischen Emiraten landet und dort verarbeitet wird, in Goldbarren oder in andere Formen gegossen wird, kann es weitergehandelt werden. Daraus kann Schmuck entstehen, Goldbarren können nach Russland gehen und Gold kann natürlich in der einen oder anderen Form auch in Europa auftauchen.

Das erinnert an die sogenannten Blutdiamanten, mit denen zum Beispiel der Bürgerkrieg in Sierra Leone finanziert wurde.

Nach den Erfahrungen diverser Kriege und Bürgerkriege in Westafrika und der Nutzung von Diamanten zu deren Finanzierung gab es den sogenannten Kimberley-Prozess. Demnach ist es möglich, Diamanten, die aus Konfliktgebieten kommen, dort unter zum Teil verheerenden Bedingungen abgebaut werden und dann zur Finanzierung von Kriegsparteien dienen, aus dem Verkehr zu nehmen oder zumindest deutlich zu machen, dass sie nicht zertifiziert sind. Wer diese Diamanten kauft, finanziert Krieg, Unterdrückung, Sklavenarbeit, Kindersoldaten und so weiter. Etwas ähnliches gibt es für Gold nicht.

Welche Rolle spielt Putin im Sudan? Die ehemalige Gruppe Wagner, jetzt "Afrikakorps" genannt, hat an der Seite der RSF-Miliz gekämpft. Gleichzeitig hat Putin Verbindungen zur Regierung, weil er einen Marinestützpunkt am Roten Meer errichten will.

Russland hat über unterschiedliche Instrumente zumindest zu Beginn des Krieges beide Seiten unterstützt. Das können Sie für zynisch halten, da würde ich zustimmen. Aber das heißt im Zweifelsfall auch, dass Russland am Ende auf jeden Fall auf der Gewinnerseite steht. Richtig ist, dass die Beziehung der RSF zu Wagner und zur russischen Regierung auch schon vor dem Krieg sehr gut war. Es gab auch geschäftliche Beziehungen der Familie des RSF-Anführers nach Russland. Aber auch die Beziehungen der Armeeführung nach Moskau waren relativ gut. Als die Armeeführung zu Beginn des Krieges unter Druck geriet, hat sie sich leichter damit getan, eine Erklärung abzugeben, dass man prinzipiell bereit sei, Russland eine Marinebasis an der sudanesischen Küste des Roten Meers einrichten zu lassen. Etwas Konkretes gibt es dabei aber nicht, es sind Absichtserklärungen.

Ist es der Regierung egal, dass Russland die RSF-Miliz unterstützt?

Egal ist ihr das sicherlich nicht, aber sie kann nicht furchtbar viel dagegen tun, wenn Russland Beziehungen zu beiden Seiten unterhält. Die Militärregierung in Port Sudan beziehungsweise Khartum versucht sehr deutlich, internationale Partner davon zu überzeugen, die RSF zu einer terroristischen Organisation zu erklären. Sie will schon gar nicht, dass internationale Partner gute Beziehungen zur RSF haben oder den RSF-Chef empfangen. Damit sind sie aber gerade auf dem afrikanischen Kontinent nicht besonders erfolgreich, er wurde unter anderem in Kenia und in Südafrika empfangen. Dort wartet man eher ab und schaut, wer sich im Sudan letztlich durchsetzt.

Mit Volker Perthes sprach Markus Lippold

Quelle: ntv.de

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