Drahtzieher des Putschversuches? Türkei erlässt Haftbefehl gegen Gülen
04.08.2016, 19:00 Uhr
Für viele Türken ist klar: Fethullah Gülen versucht mit seinen Unterstützern den türkischen Staat zu unterwandern und Präsident Erdogan zu stürzen.
(Foto: AP)
Für die türkische Regierung ist nach dem Putschversuch im Juli klar: Verantwortlich ist der islamische Prediger Fethullah Gülen. Jetzt wird er mit Haftbefehl gesucht. In der EU gibt es derweil Streit über den richtigen Umgang mit der Türkei.
Die türkische Justiz hat einen Haftbefehl gegen den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen ausgestellt. Die amtliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtet, es handele sich um den ersten Haftbefehl gegen Gülen nach dem gescheiterten Putsch vom 15. Juli. Dem islamischen Prediger werde zur Last gelegt, den Befehl für den Umsturzversuch erteilt zu haben. Gülen weist diesen Vorwurf entschieden zurück.
Zuletzt hatte die türkische Justiz im Dezember 2014 Haftbefehl gegen Gülen erlassen. Damals wurde ihm unter anderem vorgeworfen, eine "bewaffnete terroristische Organisation" zu leiten.
Nach dem Putschversuch forderte die türkische Regierung die USA bereits mehrfach auf, Gülen auszuliefern. Einen offiziellen Auslieferungsantrag stellte die Türkei bislang allerdings nicht. Washington rief Ankara auf, Beweise vorzulegen, dass der Prediger tatsächlich Drahtzieher des Putschversuchs war, statt lediglich Anschuldigungen vorzubringen.
Juncker kontert Kern
In der EU bahnt sich gleichzeitig ein Streit über den Umgang mit der Türkei an. Mehrere deutsche Politiker sowie der österreichische Bundeskanzler Christian Kern forderten einen Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen. Er wolle das Thema beim kommenden EU-Gipfel am 16. September auf die Tagesordnung setzen, erklärte Kern im ORF. "Wir wissen, dass die demokratischen Standards der Türkei bei Weitem nicht ausreichen, um einen Beitritt zu rechtfertigen."
Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu kritisierte die Äußerungen. Dass der österreichische Bundeskanzler in "Türkei-feindliche Diskurse" verfalle, sei "besorgniserregend", sagte er. Europaminister Ömer Celik sagte: "Wenn ich ehrlich sein soll, finde ich es äußerst störend, dass diese Art von Ansatz so sehr Ähnlichkeit mit dem Ansatz der Rechtsextremisten in Europa aufweist."
Der Präsident der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, sprach sich im Gegensatz zu Kern dafür aus, die Gespräche fortzuführen. Er persönlich hielte es "für einen schwerwiegenden außenpolitischen Fehler", wenn Ankara jetzt signalisiert würde, dass die EU in jedem Fall gegen einen Beitritt der Türkei sei, sagte Juncker in einem Interview mit der ARD. Einen Abbruch der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei müssten "alle Mitgliedsstaaten - und zwar einstimmig - beschließen", hob er hervor. "Und diese Bereitschaft aller Mitgliedsstaaten sehe ich im gegebenen Moment nicht."
Todesstrafe als rote Linie
Für den Kommissionschef ist aber auch klar: "Die Türkei, in dem Zustand in dem sie jetzt ist, kann nicht Mitglied der Europäischen Union werden". Dies gelte insbesondere, wenn sie die Todesstrafe wieder einführe. "Dies hätte den sofortigen Abbruch der Verhandlungen zur Folge", warnte Juncker die türkische Regierung.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich vergangene Woche zurückhaltend zur Zukunft der EU-Beitrittsgespräche geäußert, die auch von großen Teilen der Union seit langem abgelehnt werden. Eine Erweiterung auf neue Themen stehe nicht auf der Tagesordnung, sagte sie lediglich.
Nach einem Bericht von CNN Türk plant US-Außenminister John Kerry derweil Ende des Monats einen Besuch in der Türkei. Eine Bestätigung dafür gibt es bisher nicht. Die türkische Regierung hatte beklagt, dass seit der Niederschlagung des Putsches kein westlicher Außenminister in die Türkei gereist sei, um seine Unterstützung zu demonstrieren. Präsident Erdogan warf dem Westen am Mittwoch vor, sich "auf die Seite der Putschisten gestellt" zu haben.
Quelle: ntv.de, chr/dpa/AFP