Politik

Pessimistisch, aber selbstgewiss Umfrage zeigt verzerrte Weltsicht der AfD-Wähler

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Ein AfD-Anhänger bei einer Veranstaltung der Partei (Archivbild)

Ein AfD-Anhänger bei einer Veranstaltung der Partei (Archivbild)

(Foto: picture alliance/dpa)

Immer mehr Bundesbürger schätzen die AfD als rechtsradikal ein. Drei von vier Befragten sind einer Forsa-Umfrage zufolge ernsthaft besorgt ob der sich abzeichnenden Wahlerfolge der Partei. Besonders aufschlussreich: wie sehr die Wahrnehmung der AfD-Wähler vom Rest der Bevölkerung abweicht.

Nach Monaten des Höhenflugs ist die AfD zumindest im Bundestrend wieder etwas am Abflauen: Sie ist im neuen RTL/ntv-Trendbarometer noch immer zweitstärkste Kraft, aber mit nunmehr 18 Prozent wieder in Reichweite von SPD und Grünen. Mitte Dezember lag die AfD noch bei 23 Prozent. Eine weitere Forsa-Umfrage im Auftrag von RTL und ntv zeigt, dass sich viele Menschen Sorgen machen über den Aufstieg der Partei, die bei den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen im September jeweils stärkste Kraft werden könnte. Zugleich zeigt die Befragung, dass AfD-Anhänger ganz anders auf den Zustand der Bundesrepublik blicken als der Durchschnitt.

78 Prozent aller Befragten stimmen in der Umfrage der Aussage zu, die AfD sei heute gefährlicher als noch vor einem Jahr - ein möglicher Effekt der breiten Berichterstattung nach Bekanntwerden eines dubiosen Treffens von Rechtsradikalen in Potsdam, bei dem auch AfD-Funktionäre zugegen waren.

Als die AfD 2014 mit dem Einzug ins Europaparlament erstmals überregionale Mandate gewinnen konnte, hielten sie noch 29 Prozent der Befragten für eine normale demokratische Partei. 43 Prozent dagegen wähnten sie schon damals am rechtsradikalen Rand. Diese Wahrnehmung verfestigte sich, als sich die AfD im Zuge der Zuwanderungswelle 2015 und 2016 von einer vor allem Euro-kritischen zur migrationsfeindlichen Partei wandelte: 2016 sahen nur noch 23 Prozent der Befragten in ihr eine demokratische Partei wie jede andere auch, während 67 Prozent die AfD dem rechtsradikalen Rand zuordneten.

AfD-Wähler halten Partei für normal und anschlussfähig

Dieser Trend hat sich seither fortgesetzt: Inzwischen sehen 78 Prozent der Befragten in der AfD eine rechtsradikale Partei und nur noch 19 Prozent halten sie für normal demokratisch. Anhänger der Grünen halten sie gar zu 98 Prozent für rechtsradikal, bei der SPD ist dieser Wert mit 96 Prozent ähnlich hoch. 87 Prozent der Unionswähler sehen in der AfD ebenfalls keine normale demokratische Partei, unter den Anhängern der FDP sind es dagegen nur 78 Prozent. 22 Prozent der FDP-Anhänger sagen, die AfD sei normal demokratisch. Wenig überraschend: 89 Prozent der AfD-Wähler halten ihre Partei für demokratisch, nur 7 Prozent für rechtsradikal - und wählen sie trotzdem oder genau deswegen.

Eine ähnliche Diskrepanz zeigt sich auch bei der Frage, ob die politischen Vorstellungen der AfD von einem großen Teil der Wähler für richtig gehalten werden oder nicht. Hiervon sind 89 Prozent der AfD-Wähler überzeugt, was zum sorgsam gepflegten Selbstbild der Partei als Stimme einer schweigenden oder gar unterdrückten Mehrheit passt. Bei den Anhängern der übrigen Parteien schätzen nur 30 (Grüne) bis 47 Prozent (FDP), dass ein großer Teil der Bürgerinnen und Bürger den AfD-Vorstellungen zustimmt.

Eine ganz andere Wahrnehmung

Die AfD-Anhänger zeichnen sich zudem durch einen besonderen Pessimismus aus: 91 Prozent von ihnen machen sich Sorgen bis sehr große Sorgen, dass Energie- und Lebensmittelpreise weiter steigen werden, während im Schnitt - AfD-Wähler eingerechnet - nur 70 Prozent dieser Aussage zustimmen. 95 Prozent der AfD-Anhänger erwarten gar, dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse drastisch verschlechtern würden, obwohl dies im Durchschnitt nur 63 Prozent erwarten.

Auch die Sorge um das Überleben der sozialen Sicherungssysteme ist nirgendwo anders so stark ausgeprägt: 72 Prozent der AfD-Wähler treibt diese Angst um, während es im Schnitt nur 60 Prozent sind. Dagegen stimmt unter den Anhängern von FDP, CDU/CSU, SPD und Grünen jeweils eine Mehrheit von 53 bis 74 Prozent der Aussage zu, sie machten sich Sorgen, dass Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland nicht mehr sicher seien. Gerade einmal 8 Prozent der AfD-Wähler treibt diese Sorge um.

Wirklich gemein haben Anhänger der AfD mit denen der anderen Parteien nur die Sorge um das Überleben der Demokratie. Mit 51 Prozent liegen die AfD-Wähler nahe am Durchschnitt von 57 Prozent, wobei ihre Einschätzung, woher diese Gefahr rührt, erneut von der Mehrheitsmeinung abweichen dürfte.

SPD- und Grünen-Wähler besorgt

Deutschland in eine sichere Zukunft zu führen, trauen 12 Prozent aller Befragten am ehesten der AfD zu. Diese speisen sich zum Großteil aus AfD-Anhängern (82 Prozent) sowie der Union (3 Prozent) und FDP (1 Prozent). Das heißt im Umkehrschluss, dass aber auch viele AfD-Wähler sich wenig von der Partei erwarten und sie eher aus Protest denn aus Überzeugung wählen. Am häufigsten wird bei dieser Frage übrigens die Union genannt mit 48 Prozent, gefolgt von der SPD mit 27 Prozent, von den Grünen mit 18 Prozent und der FDP mit 13 Prozent. Mit 11 Prozent liegt das Bündnis Sahra Wagenknecht nur einen Punkt hinter der AfD.

Die Anhänger anderer Parteien haben also deutlich größeres Zutrauen in andere Parteien des demokratischen Spektrums als in die AfD. Die Wahrnehmung, wie gefährlich die AfD ist, geht aber durchaus auseinander: 91 Prozent der Grünen-Wähler und 89 Prozent der SPD-Wähler haben den Eindruck, dass die AfD das gesamte demokratische System in Deutschland gefährdet. Unter den Anhängern der Union teilen nur 73 Prozent diese Wahrnehmung, unter denen der FDP sind es 61 Prozent. Im Schnitt sehen 66 Prozent der Befragten die AfD als Gefahr für Deutschlands Demokratie, aber - wenig überraschend - nur 4 Prozent der AfD-Wähler.

Das heißt nicht, dass konservativere Wählerinnen und Wähler unbesorgt sind: 83 Prozent der Unionswähler und 86 Prozent der FDP-Anhänger machen sich nach eigenem Bekunden Sorgen angesichts der hohen Zustimmungswerte für die AfD in Umfragen. Bei den Wählern der Grünen sind 95 Prozent, bei denen der SPD sogar 97 Prozent. Die gänzlich unbesorgten AfD-Wähler drücken den Durchschnittswert auf 76 Prozent.

Die AfD: ein Scheinriese

So ergibt sich in der Gesamtschau ein recht klares Bild: Eine große Mehrheit der Deutschen macht sich Sorgen angesichts des Aufstiegs der AfD. Drei von vier Befragten halten sie für rechtsradikal und zwei von drei Befragten für eine Gefahr für Deutschlands Demokratie, auch weil jeder zweite vermutet, die Positionen der AfD würden von vielen Wählern für richtig gehalten.

Die AfD ähnelt damit einem Scheinriesen, der sich selbst über die eigene Großartigkeit täuscht. Schließlich glauben auch fast alle AfD-Wähler, ihre Meinungen seien fast überall anschlussfähig. Kein Wunder, dass sie ihre Partei für unterdrückt und benachteiligt halten, während sie nicht wahrzunehmen scheinen, dass die Mehrheit im Land ihre pessimistische Weltsicht nicht teilt - und auch nicht ihre rechtsradikalen Ansichten.

Quelle: ntv.de

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