Pressestimmen

Griechische Schuldenkrise "Die Europäer müssen Farbe bekennen"

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Der griechische Schuldenstreit wird zur unendlichen Geschichte. Am Wochenende brachen die Gläubiger die Gespräche über ein neues Hilfspaket ab, weil die Athener Regierung sich nicht mit Mehrwertsteuererhöhungen und Rentenkürzungen arrangieren will. Im nächsten Kapitel der Tragödie fordert Griechenlands Finanzminister Yanis Varoufakis nun einen Schuldenschnitt und Neuanfang. Seine europäischen Kollegen reagieren mit Kopfschütteln. Am Donnerstag geht es weiter: Das nächste Treffen der Finanzminister steht an, denn bis Ende Juni muss Athen neue, milliardenschwere Rückzahlungen leisten. Den Griechen läuft die Zeit davon, ihre Gläubiger verlieren die Geduld. Gleiches gilt für die heimische Presse.

Langsam gingen Politikern und Journalisten die Worte aus, um das sogenannte griechische "Schuldendrama" zu umschreiben, stellt die Abendzeitung aus München genervt fest. Daran ändern wird sich auch in Zukunft nichts, denn "Griechenland hängt auf Dauer am Tropf seiner Partnerstaaten. Für Jahrzehnte." Das Blatt hinterfragt die allgegenwärtige Theorie, dass ein Grexit die Eurozone gefährde und warnt: Die Wähler aus Ländern wie Spanien, Irland oder Portugal "müssen sich angesichts der exzessiven Rettungspolitik verschaukelt fühlen und könnten auf die Idee kommen, demnächst ebenfalls für Populisten à la Tsipras zu votieren". Das wäre dann tatsächlich das Ende des Euro, so die Zeitung aus der bayerischen Hauptstadt.

Der Berliner Tagesspiegel blickt schon auf die kommenden Verhandlungen, die in dieser Woche die Weichen für einen Grexit stellen können. Dabei gebe es für die Eurogruppe vor allem ein Ziel: "Diese Entscheidung nicht zu erleiden, weil sie durch griechisches Handeln auf einen fällt, sondern sie selbst aktiv zu fällen, also einen Endpunkt zu setzen - das ist das Ultimative dieser Tage." Dies sei gut für die gesamte Eurozone und vor allem "eine politische Entscheidung".

Dieser Ansicht ist auch die Neue Presse aus Hannover. Die finale Entscheidung zu Griechenland sollte nicht von Finanzministern oder EZB-Bankern gefällt werden, sondern auf höchster politischer Ebene. "Die Europäer müssen Farbe bekennen", fordert die Zeitung, denn jeder in Brüssel wisse längst, dass die EU dem verschuldeten Land auch nach dem Grexit mit etlichen Milliarden helfen muss, um ein Chaos zu verhindern. Alexis Tsipras spiele hingegen auf Zeit und spekuliere, dass die EU aus Angst vor dem Grexit neue Gelder fließen lässt. "Der linke Regierungschef weiß, dass einem Großteil der griechischen Bevölkerung das Wasser bis zum Hals steht und er weitere Einschnitte nicht überleben würde. Also setzt er alles auf eine Karte."

"Yanis Varoufakis ein Amateur?", fragt hingegen die Frankenpost aus Hof rhetorisch. Dies sei der griechische Finanzminister keinesfalls, sondern "vielmehr ein ebenso gewiefter wie durchtriebener Verhandlungstaktiker, der sein Land auf Kosten der Steuerzahler anderer Länder retten will". Neben Spanien und Portugal seien es aber auch die osteuropäischen EU-Länder, die sauer über das griechische Auftreten seien. "Gerade Osteuropäer haben nach dem Fall des Eisernen Vorhangs viele schwierige Umwälzungen mitgemacht. Ihnen ist kaum zu vermitteln, warum sie den vergleichsweise reichen Griechen ohne substanzielle Gegenleistungen unter die Arme greifen sollen."

Für die Nürnberger Nachrichten ist klar, dass es kein Happy End in dieser verfahrenen Situation Griechenlands geben kann. "Es wäre schon ein großer Erfolg, wenn das Desaster einer Staatspleite verhindert werden könnte." Damit der Bankrott aber tatsächlich abgewendet werden kann, müsse Europa paradoxerweise eben jenen ernsthaft riskieren.

In diesem komplizierten Gefüge, sei Angela Merkels abwartende Haltung bislang richtig gewesen, urteilt das Flensburger Tageblatt. "Die Märkte sind aber nach dem Sekundentakt ausgerichtet. Und die Frage wird sein, wie nach einem Grexit die Bilanz des Euros im Währungsgefüge aussehen wird." Das Dilemma liegt darin, dass ein Grexit ähnlich teuer wird wie ein Schuldenschnitt oder das nächste Hilfspaket. Die Deutschen würden dann wieder Zahlmeister sein, "nachdem sie bislang von den griechischen Staatsanleihen Traumrenditen eingestrichen haben". Doch der politische Preis eines Grexit würden noch teurer werden als der wirtschaftliche, denn "Europa kann man nicht rückabwickeln".

Zusammengestellt von Katja Belousova

Quelle: ntv.de

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