Pressestimmen

Presse zu Terrorangriffen "Europa geht zugrunde"

Die Menschen in Europa werden von einer Serie von Bluttaten verunsichert. Erstmals schlägt ein offenbar islamistischer Selbstmordattentäter auf deutschem Boden zu. Die internationale Presse reagiert auf die Anschläge sehr unterschiedlich. Während die einen die deutsche Regierung für ihre angemessene Reaktion loben, malen andere den Untergang Europas an die Wand.

Bulgarien

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(Foto: dpa)

Angesichts der Terroranschläge in Europa befasst sich die bulgarische sozialistische Oppositionszeitung Duma am Mittwoch mit dem Zustand der Europäischen Union: "Die Fälle (von Terrorismus in der EU) sind so zahlreich geworden und kommen so oft vor, dass man den Überblick verliert. Was noch schrecklicher ist - man gewöhnt sich an sie, als ob die ein unumgänglicher Teil des Alltags wären. Es wäre aber eine echte Nachricht, sogar eine Sensation, sollte es einen Tag ohne Terror und Gewalt geben. (...) Europa geht zugrunde, Damen und Herren! Es hat den letzten Zug längst verpasst. Es ähnelt dem sinkenden (Passagierschiff) 'Titanic', auf dem ein Orchester aus (EU-Kommissionschef Jean-Claude) Juncker, (Bundeskanzlerin Angela) Merkel, (Europaparlaments-Präsident Martin) Schulz, (EU-Ratspräsident Donald) Tusk und (Frankreichs Präsident François) Hollande sowie mehrere 'zweite Geigen' weiter spielen und (Lieder darüber) singen, dass sie keine Angst hätten."

Italien

Die Turiner Tageszeitung La Stampa schreibt am Mittwoch zu den Angriffen der vergangenen Tage in Frankreich und Deutschland: "Die Terroristen des Islamischen Staates haben eine ihrer Fronten zu uns gebracht. Kirchen, Züge und Cafés: In nur wenigen Tagen wurden die symbolischen Orte des westlichen Lebens getroffen. Es ist das letzte Anzeichen des Krieges, den wir nicht führen wollen, weil wir eine unüberwindbare Abscheu verspüren. Aber wir können vor diesem Krieg nicht fliehen, weil er gekommen ist, um uns aufzuspüren: Widerlich, stinkend und unbändig. (...) Ohne es zu wollen, unternehmen wir Vorsichtsmaßnahmen: Wir vermeiden bestimmte Orte, die mutmaßlich gefährlich sein könnten, wir beobachten die Menschen um uns herum mit Misstrauen. Unsere Lebensweise wird jeden Tag mehr und mehr nichtsagend."

Spanien

Die rechtsliberale spanische Zeitung "El Mundo" (Madrid) schreibt angesichts der Anschläge in Europa: "Die Regierungen müssen in diesen Zeiten in besonderem Maße auf den Aufschwung von Populismus und Fremdenfeindlichkeit achten. In ganz Europa versuchen die ultrarechten Parteien, aus der verständlichen Angst der Bürger Kapital zu schlagen und neue Anhänger zu gewinnen. Deshalb müssen wir Demokraten ganz klarstellen, dass sie nicht die Lösung haben. Kein Terrorexperte erklärt die Attentatswelle mit der Einwanderungspolitik der EU oder mit der Massenankunft von Flüchtlingen der vergangenen Jahre. Unter anderem auch deshalb, weil die Mehrheit der Terroristen, die die jüngsten Anschläge verübt haben, in Europa geboren und hier von (der Terrormiliz) IS angeworben wurden."

Rumänien

Zu den Ursachen des Terrorismus im Zusammenhang mit der Serie von Anschlägen in Europa schreibt die konservative rumänische Tageszeitung Evenimentul Zilei: "Grundsätzlich muss jeder Erklärungsansatz von den Gründen der Isolation der Nachkommen der Zugewanderten in der zweiten und dritten Generation ausgehen - von ihrer Diskriminierung, von der Identitätskrise, die sich daraus ergibt, dass sie in der westlichen Gesellschaft nicht akzeptiert werden, dass sie an den Rand geschoben werden, hin zu marginalen und schlecht bezahlten Arbeitsplätzen, schwacher Ausbildung, hin zu Gangs, Verbrechen und Radikalismus (...) Der nicht integrierte, diskriminierte und bedrängte Ausländer wird zu extremer Gewalt gegen die Gesellschaft greifen, die ihn ablehnt."

Großbritannien

Die Londoner Financial Times lobt die Reaktion der deutschen Regierung auf den Amoklauf in München und die Terroranschläge in Würzburg und Ansbach: "Die deutsche Regierung verdient Anerkennung für ihre bislang angemessene Reaktion. Das Innenministerium hat die Polizeipräsenz an Flugplätzen und Bahnhöfen verstärkt und mehr Kontrollen an Deutschlands Grenzen angeordnet. Das ist ein vernünftiger Schritt, der auch helfen kann, den Transport von Waffen innerhalb der Schengen-Zone mit ihren offenen Grenzen einzudämmen. Die Regierung eifert aber nicht Frankreich und Belgien nach und setzt Tausende von Soldaten auf den Straßen der großen Städte ein. Es gibt strikte verfassungsmäßige Einschränkungen für den Einsatz der Armee im Inland. Solange es keinen erheblich größeren nationalen Notstand gibt, ist es richtig, dass Frau Merkels davon Abstand nimmt. Der frühere westdeutsche Staat hat vor allem in den 70-er Jahren einen langen Kampf gegen den linksextremen Terrorismus der RAF geführt. Zeitweilig gingen die Behörden sehr streng vor und bürgerliche Freiheiten wurden stärker als nötig eingeschränkt. Das moderne Deutschland ist eine erwachsene Demokratie, deren Entschlossenheit, die Rechte der Bürger und die großer Mehrheit der Flüchtlinge zu schützen, die dort in friedlicher Absicht angekommen sind, verdient die Unterstützung ganz Europas."

Quelle: ntv.de, ali

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