
Viele Sterne sind nicht immer ein Hinweis darauf, dass das Produkt wirklich gut ist.
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Amazon, Google und Co. kommen mit dem Löschen von falschen Bewertungen nicht hinterher. Die Fake-Fabriken verstecken sich im Ausland, Gerichte kommen kaum an sie heran. KI könnte es bald noch schwerer machen, gefälschte Rezensionen zu erkennen.
Wer verreisen möchte, ein gutes Restaurant sucht oder einfach nur etwas kaufen will, vertraut oft den Erfahrungen von anderen Menschen. Etwa zwei von drei Kunden richten sich nach Bewertungen auf Online-Portalen oder persönlichen Empfehlungen, geht aus dem Konsummonitor des Handelsverbands Deutschland hervor.
Leuchten neben dem Produkt fünf von fünf Sternen, haben wir direkt einen guten Eindruck. Authentische Erfahrungen anderer Kunden beeinflussen, ob wir kaufen oder nicht.
Verbraucherschützer warnen aber davor, Online-Bewertungen blind zu vertrauen. Ein Drittel oder mehr sind manipuliert. Und längst nicht alle Fake-Bewertungen werden gefunden: "Google und Amazon haben in den vergangenen Jahren Hunderte Millionen gefälschter Bewertungen von ihren Webseiten entfernt. Die Dunkelziffer wird ein Vielfaches höher sein. Verbraucher melden uns immer wieder gefälschte oder vermeintlich gefälschte Bewertungen, die die Unternehmen nicht entdecken", sagt Sabrina Wagner, Referentin für digitale Marktbeobachtung beim Verbraucherzentrale Bundesverband im ntv-Podcast "Wieder was gelernt".
Fake-Bewertungen kosten Wirtschaft Milliarden
Eigentlich sind falsche Bewertungen in der EU seit Mai 2022 verboten. Die Plattformen dürfen nur Bewertungen von echten Kunden veröffentlichen, die das Produkt auch wirklich gekauft haben, steht in der EU-Richtlinie. Sie müssen offenlegen, ob und wie sie Bewertungen prüfen.
Laut einer Untersuchung der Verbraucherzentrale macht das bislang aber nur ein Bruchteil der Anbieter. Sie hatte im Juni 30 Plattformen überprüft, darunter Amazon, Lidl, Obi und Zalando, 27 wurden als mangelhaft eingestuft.
Gefälschte Sterne finden sich praktisch überall: sowohl bei den großen Portalen als auch bei kleineren Onlineshops oder Mittelständlern. Vor allem aber dort, wo viel Geld im Spiel ist. Falsche Bewertungen kosten die deutsche Wirtschaft jährlich 3,8 Milliarden Euro, schätzt der Bewertungsdienst Trustami.
Gericht verurteilt Bewertungsagentur
Hinter Fake-Bewertungen steckt ein komplexes System. Meist beauftragen die Händler Bewertungsvermittler. Diese heuern wiederum einzelne Rezensenten an. Die schreiben, was die Agenturen ihnen vorgeben - teilweise, ohne dass sie die Produkte jemals in den Händen gehabt haben. "Das kann lohnenswert sein, auch, weil die Tester wenig bis miserabel bezahlt werden", weiß Wagner. "Zehn positive Fake-Bewertungen gibt es für 100 Euro. Davon bekommen die Tester oft weniger als einen Dollar. Da bleibt schon einiges übrig. Teilweise werden Tester mit den Produkten vergütet, die sie bewerten."
Bewertungsagenturen bieten ihre Dienste ganz offiziell im Internet an. Eine einzelne Rezension bei Trustpilot ist zum Beispiel bei der Bewertungsfirma Fivestar für knapp 15 Euro zu haben, eine Google-Bewertung kostet dort rund 13 Euro.
Eine der weltweit größten Agenturen für Fake-Bewertungen im Internet ist Goldstar Marketing. Das Landgericht München hat sie im Oktober zu Unterlassung und Schadenersatz verurteilt. Das Reisebuchungsportal Holidaycheck konnte Goldstar Marketing nachweisen, dass sie Hotelbewertungen auf ihrer Website verkauft hat, ohne dass tatsächlich jemand dort übernachtet hat. Wenn sie das wieder tut, drohen Ordnungshaft oder Geldstrafen bis zu 250.000 Euro.
Firmenchef untergetaucht
Holidaycheck feierte das Urteil als wegweisend im Kampf gegen Bewertungsbetrug. Verbrauchern bringt es aber wenig. Denn rechtskräftig wird das Urteil wahrscheinlich nie. Dafür müsste es erst einmal zugestellt werden.
Offiziell sitzt Goldstar Marketing auf Zypern. Der Mann hinter der Agentur, Norbert Weber, ist aber verschwunden. Vor Gericht ist er nicht erschienen. Holidaycheck hat Privatdetektive angeheuert, die seine neue Adresse herausfinden sollen.
Eine bekannte Methode unseriöser Bewertungsagenturen: Wenn Gerichte auf sie aufmerksam werden, wird schnell mal der Firmenname gewechselt oder der Chef ausgetauscht.
Auch sonst bewegen sich Fake-Bewertungsvermittler in einer Grauzone, rekrutieren Rezensenten unter anderem in speziellen Gruppen bei Messenger-Diensten wie Whatsapp, Facebook oder Telegram, berichtet Verbraucherschutzexpertin Wagner im Podcast. "Das macht es viel schwieriger, an die Menschen heranzukommen, die dahinterstecken." Amazon versuche, regelmäßig dagegen vorzugehen, lasse entsprechende Gruppen schließen und verklage die Betreiber. Von Januar bis Mai hat das Unternehmen nach eigenen Angaben gegen dutzende Anbieter von Fake-Bewertungen in den USA, China und Europa rechtliche Schritte eingeleitet.
Allianz gegen Fake-Bewertungen
Amazon kommt kaum gegen Fake-Bewertungen an. Allein vergangenes Jahr hat der weltgrößte Onlinehändler 200 Millionen verdächtige Bewertungen gelöscht. Um das Problem besser in den Griff zu bekommen, hat sich Amazon im Oktober mit den Branchengrößen Booking.com, Expedia, Glassdoor, Tripadvisor und Trustpilot zusammengeschlossen. Sie wollen gefälschte Bewertungen stoppen. Dazu treffen sich Vertreter der Plattformen Anfang Dezember auf ihrer zweiten Fake-Rezensionen-Konferenz.
Wagner vermutet aber noch einen anderen Hintergrund: In den USA plant die amerikanische Wettbewerbsbehörde FTC ein Verbot von Fake Reviews. Für manipulierte Bewertungen drohen Strafen bis zu 50.000 US-Dollar. Skeptiker zweifeln daran, dass diese Maßnahmen etwas bringen werden. Auch deshalb, weil viele der Bewertungsfirmen - wie im Fall von Goldstar Marketing - außerhalb der USA sitzen. Das macht die Strafverfolgung schwierig.
Wie erkenne ich gefälschte Bewertungen?
Dieser Text ist eigentlich ein Podcast: Welche Region schickt nur Verlierer in den Bundestag? Warum stirbt Ostdeutschland aus? Wieso geht dem Iran das Wasser aus? Welche Ansprüche haben Donald Trump und die USA auf Grönland?
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Fake-Bewertungen zu erkennen, ist schwierig - ein paar Anhaltspunkte gibt es aber. Wagner warnt im "Wieder was gelernt"-Podcast davor, sich von zu vielen positiven Bewertungen beeindrucken zu lassen. Zudem könne es ein auffälliges Zeichen sein, wenn sich im Text Sprachmuster wiederholen. "Wenn zum Beispiel bei einem Saugroboter von der 'ausgezeichneten Saugkraft' die Rede ist und sich dieses Muster immer wieder findet. Ein Anhaltspunkt sei auch das Profil des Autors: Wenn dieser an einem Tag für unterschiedlichste Unternehmen Bewertungen verfasst habe, könne das ein Hinweis auf Auftragsarbeit sein.
Zudem können ein anonymes Profil oder ein Pseudonym Hinweise auf eine Fake-Bewertung sein. Und wenn die Rezensionen in gebrochenem Deutsch geschrieben sind.
Die Portale filtern mit automatisierten Prüfprozessen falsche Bewertungen heraus. Bei Künstlicher Intelligenz könnte die Software aber an ihre Grenzen stoßen. Nicht nur wegen der schieren Masse an Rezensionen, die mit ChatGPT und Co. schnell erstellt sind. Mithilfe von KI könnten Betrüger ihre Fake-Bewertungen auch so schreiben, dass sie von echten Bewertungen nicht mehr zu unterscheiden sind.
Quelle: ntv.de