Trotz verkürzter Arme und Beine Schwerste Behinderung führt nicht immer zu Pflegegrad fünf
23.02.2024, 13:11 Uhr Artikel anhören
Maßgeblich für den Pflegegrad ist, wie sich körperliche und auch geistige Beeinträchtigungen auf die Fähigkeit auswirken, den Alltag selbst zu bewältigen.
(Foto: IMAGO/Panthermedia)
Der Pflegegrad definiert den Grad der Pflegebedürftigkeit und beschreibt, wie stark die Selbstständigkeit einer Person eingeschränkt ist. Können behinderte Menschen ihre Beeinträchtigungen mit Hilfsmitteln teilweise ausgleichen, kommt der höchste Pflegegrad nicht in Betracht, urteilt das Bundessozialgericht.
Auch schwerste körperliche Behinderungen führen in der Pflegeversicherung nicht automatisch zum Pflegegrad fünf. Der höchste Pflegegrad scheide aus, wenn Betroffene ihre Beeinträchtigungen teilweise kompensieren könnten, entschied das Bundessozialgericht (BSG) in einem nun bekannt gegebenen Urteil vom Donnerstag (Az.: B 3 P 1/22 R).
Es wies damit einen Mann aus Sachsen ab, der 1962 mit verkürzten Armen und Beinen geboren wurde. Er kann weder greifen noch laufen und stehen. Für Alltagstätigkeiten wie waschen, anziehen und kochen benötigt er eine Pflegeassistenz. Geistig ist er vollkommen fit. Er erhält Pflegegeld in Höhe von derzeit 573 Euro monatlich nach Pflegegrad drei und verlangt 947 Euro nach Pflegegrad fünf.
Das BSG lehnte dies jedoch ab. Hintergrund ist der Wechsel 2017 von den früheren Pflegestufen zu Pflegegraden. Diese werden nach einem Punkteschema vergeben, von 90 bis 100 Punkten gibt es Pflegegrad fünf. Nach einer Ausnahmeregelung kann der höchste Pflegegrad aber auch in einer "besonderen Bedarfskonstellation" vergeben werden, wenn alle vier Gliedmaßen nicht gebrauchsfähig sind. Darauf verwies der Kläger.
Nicht nur körperliche Beeinträchtigung entscheidend
Demgegenüber stützte sich das BSG nun auf den mit den Pflegegraden eingeführten neuen Pflegebegriff. Danach richtet sich die Einstufung nicht mehr nach den vorhandenen körperlichen Beeinträchtigungen selbst, wodurch Demenz und andere geistige Beeinträchtigungen früher meist durchs Raster fielen. Maßgeblich ist nun, wie sich körperliche und auch geistige Beeinträchtigungen auf die Fähigkeit auswirken, den Alltag selbst zu bewältigen.
Könnten behinderte Menschen ihre Beeinträchtigungen mit Hilfsmitteln oder "angeeigneten Kompensationsmechanismen" teilweise ausgleichen, komme der Pflegegrad fünf nicht mehr in Betracht, urteilte das BSG. Nach einem vom Kläger nicht angegriffenen Gutachten habe er die Gebrauchsfähigkeit seiner Arme und Beine auch dank intelligenter Nutzung von Hilfsmitteln nicht vollständig verloren.
Quelle: ntv.de, awi/AFP