Konfliktthema in Familien Soll man bei den Hausaufgaben helfen?
06.04.2015, 09:04 UhrHausaufgaben sind häufig ein Streitthema zwischen Eltern und Kindern. Überforderungen und zu hohe Ansprüche sind oft das Problem. Experten raten zur Fürsorge statt zur Bevormundung.
Im Unterricht wird erklärt, mit den Hausaufgaben wird geübt - oder gestritten und gelitten. Hausaufgaben sind in vielen Familien ein Dauerbrennerthema. Wenn der Nachwuchs mit den Aufgaben nicht klar kommt, stundenlang sitzt oder trödelt, pfuscht oder schmiert, fragen Eltern sich zu Recht: Müssen wir jetzt Ersatzlehrer spielen? "Im Zweifel schon", sagt Prof. Ludwig Haag, Leiter des Lehrstuhls für Schulpädagogik an der Universität Bayreuth. "Es ist doch eine große Lüge, wenn behauptet wird, dass Kinder die schulischen Anforderungen alleine schaffen müssen." Er rät Eltern zur sanften Begleitung: "Man sollte wissen, wie der Stand der Dinge ist und bei Bedarf auch unterstützen."
Doch wie erklärt es sich, dass Lehrkräfte auf Elternabenden häufig genau das Gegenteil fordern, nämlich die Eltern bitten, sich keinesfalls in die Hausaufgaben einzumischen? Josef Kraus, Vorsitzender des Deutschen Lehrerverbandes (DL) erklärt: "Die Hausaufgaben sind für Lehrer ein wichtiges Instrument. Sie zeigen, auf welchem Lern- und Wissensstand die Schüler stehen." Eltern, die ihren Kindern die Hausaufgaben aus der Hand nehmen oder täglich dafür sorgen, dass alles fehlerfrei ist, verfälschen diese Überprüfung. "Stellen Sie sich mal vor, alle Eltern machen das - dann muss der Lehrer ja denken, die Klasse hat alles optimal verstanden, auch wenn das in Wirklichkeit gar nicht der Fall ist." Die Folge: Das Tempo wird angezogen, und neuer Unterrichtsstoff folgt. "Durch die Hilfe können Eltern also dafür sorgen, dass ein völlig falsches Bild entsteht und der Lerndruck auf den Schüler unnötig wächst."
Arbeitsumfeld ist entscheidend
"Hilf mir, es selbst zu tun": Dieser Leitsatz aus der Montessori-Pädagogik lässt sich in puncto Hausaufgaben auf alle Schulformen übertragen. "Kinder müssen lernen, wie man Hausaufgaben eigenständig erledigt", sagt Kraus und rät Eltern, schon ab der Einschulung auf ein gutes Lernumfeld zu Hause zu achten. "Viele Kinder haben Probleme mit den Hausaufgaben, weil sie ständig abgelenkt sind und einfach keine Ruhe finden." Für einen guten Arbeitsplatz zu sorgen, sei daher erste Elternpflicht. "Dazu gehört natürlich ein gutes Arbeitsklima ohne Handy auf dem Schreibtisch oder lautem Fernseher im Hintergrund." Wichtig sei auch die passende Zeit: "Das Kind sollte wach und konzentriert sein, deshalb die Hausaufgaben am Nachmittag und nicht erst am Abend machen."
Bei Grundschülern sei es sinnvoll, noch möglichst täglich einen Überblick zu haben, sagt Kraus: "Lassen Sie sich zeigen, was Ihr Kind aufhat, schauen Sie sich die fertigen Hausaufgaben an." Bei älteren Kindern in der Mittelstufe reiche dann eine gelegentliche Nachfrage. Und wenn die Hausaufgaben vergessen werden? "Dann ist das auch mal in Ordnung, schließlich müssen Kinder lernen, dass es Konsequenzen hat, wenn sie sich nicht gut organisieren und um ihre Angelegenheiten kümmern."
Kommen die Kinder mit den Hausaufgaben nicht zurecht, dürfen Eltern auf Fragen reagieren - jedoch ohne selbst die Antworten zu geben, sagt Ute Glaser, Fachbuchautorin aus Bergisch Gladbach. "Nehmen Sie nicht die Zügel in die Hand, sondern betrachten Sie sich als Steigbügelhalter - wie können Sie Ihrem Kind helfen, die Führung selbst zu übernehmen?" In Mathe können zum Beispiel kleine Zeichnungen helfen, um Textaufgaben anschaulicher zu machen, bei Englischvokabeln wirken Eselsbrücken Wunder. Wenn die Hausaufgaben im Großen und Ganzen okay sind, sollten Eltern zufrieden sein, sagt Kraus: "Es ist nicht so entscheidend, wie die Hausaufgaben gemacht sind, sondern dass sie überhaupt gemacht sind."
Probleme rechtzeitig erkennen
Wie sollen Eltern aber reagieren, wenn die Hausaufgaben ständig falsch oder unvollständig sind oder besonders ein Fach Probleme bereitet? "Dann empfehle ich das Gespräch mit anderen Eltern", sagt Haag. "Gibt es dort vielleicht ähnliche Probleme?" Falls ja, könnte die Überlastung durch die falsche Einschätzung einer Lehrkraft entstanden sein: "Ein Elternabend mit dem entsprechenden Fachlehrer kann dann Veränderungen bewirken", sagt Kraus. Ist bei den Klassenkameraden alles in Ordnung, könne eine Überforderung des Kindes vorliegen: "Hier sollten Eltern dann im Gespräch mit dem Kind selbst, aber auch den Lehrkräften herausfinden, wo die Ursachen liegen könnten", rät Haag. Ist die gewählte Schulform vielleicht doch nicht die richtige? Liegt vielleicht eine Lernstörung vor?
Was ist mit Hausaufgaben in den Ferien? "Das ist nicht in Ordnung", findet Prof. Haag. Wochenenden und Ferien sind zur Erholung da. Josef Kraus bestätigt das: "Lehrer können allerdings schon mal einen gut gemeinten Hinweis geben, dass Schüler über die Ferien nochmal ins Buch schauen, wenn es irgendwo Defizite gibt." Auch die Lektüre eines Buches für den kommenden Deutschunterricht sei in Ordnung.
Quelle: ntv.de, Bettina Levecke, dpa