Ratgeber

Provozierte Autounfälle Wenn es Betrüger krachen lassen

Wenn es vor Ampeln kracht, beim Spurwechsel oder in Rechts- vor Links-Situationen, dann ist die Schuldfrage meistens eindeutig. Zumindest auf den ersten Blick. Manchmal sind die vermeintlichen Unfallverursacher Opfer eines Versicherungsbetrugs.

Oft können sich die Opfer ihr vermeintliches Versagen nicht erklären.

Oft können sich die Opfer ihr vermeintliches Versagen nicht erklären.

(Foto: imago/McPHOTO)

Stadtverkehr, die Ampel springt auf gelb. Der Vordermann im BMW drückt aufs Gas, die Opelfahrerin dahinter ebenfalls. Beide wären noch vor "rot" über die Kreuzung gekommen, doch der Mann im BMW überlegt es sich plötzlich anders und bremst scharf ab. Es kommt, wie es kommen muss: Der Opel rauscht mit Karacho in den Wagen vor ihm. Für die Insassen geht die Sache glimpflich aus, verletzt wird niemand. Dafür ist das Heck des BMW lädiert und auch der Opel hat ordentlich was abbekommen.

Die Schuldfrage ist klar, zumindest auf den ersten Blick. Die Frau hätte eben nicht so dicht auffahren dürfen. Trotzdem sollte sie unbedingt die Polizei rufen. Denn es ist gut möglich, dass der BMW-Fahrer nicht zufällig oder im Affekt gebremst hat, sondern in voller Absicht. Mindestens jeder zehnte Verkehrsunfall weise typische Anzeichen einer Manipulation auf, sagt der Gesamtverband der Versicherer (GDV). Der Versicherungsexperte Horst Müller-Peters spricht von insgesamt etwa sechs Prozent Betrugsfällen.

Meistens sind bei Versicherungsbetrug beide Unfallgegner eingeweiht. Manchmal werden aber auch Zusammenstöße mit Unbekannten provoziert. Und die sind dann gleich dreifach gestraft. Erstens müssen sie Schäden am eigenen Auto auf eigene Kosten reparieren lassen. Zweitens sammlen sie womöglich Punkte in der Verkehrssünderkartei. Und drittens werden sie in eine schlechtere Schadenfreiheitsklasse gestuft. Im nächsten Jahr wird die Versicherung also teurer.

Geld statt Reparatur

Die "Autobumser" hingegen kassieren das Geld für die Reparatur von der Versicherung, bringen das Fahrzeug aber nicht in die Werkstatt. Müssen sie auch nicht, die "fiktive Abrechnung" ist legal. Wer lieber mit ein paar Beulen im Auto herumfährt, kann mit der Entschädigung machen was er will. Auf ein paar Dellen mehr oder weniger kommt es normalerweise auch nicht an, schließlich nutzen Kriminelle die Unfallfahrzeuge oft mehrmals.

Seit 2011 haben es die Betrüger etwas schwerer. In der sogenannten HIS-Datei sammeln die Versicherer alle fiktiven Abrechnungen. "Ist ein Fahrzeug dort aufgeführt und kommen weitere Indizien hinzu, kann der Versicherer das Gericht in der Regel von einem provozierten Unfall überzeugen", so der Verkehrsrechtler Jens Dötsch im Magazin der Deutschen Anwaltauskunft. Solche weiteren Indizien sind beispielsweise verschwiegene Vorschäden, verhinderte Nachbesichtigungen oder ein sofortiger Verkauf des Unfallwagens. Das System hat aber seine Grenzen. Erfasst werden in der Regel nämlich nur die Fahrzeuge, nicht die Halter. Serientäter, die mehrere Wagen nutzen, bleiben folglich lange unentdeckt.

So erkennt man Betrüger

Wer den Verdacht hegt, dass bei einem Unfall nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist, sollte das seiner Versicherung auf jeden Fall mitteilen. Oft suchen die Betroffenen die Schuld aber erstmal bei sich selbst. Dabei gibt es durchaus Anzeichen, die auf einen provozierten Crash hinweisen. Immer ist die Rechtslage eindeutig, meistens hat der Unfallgegner aber ein Verhalten an den Tag gelegt, mit dem man normalerweise nicht rechnet.

Beispiele: Der Fahrer hat abrupt vor einer Ampel oder an einem Zebrastreifen gebremst oder ist plötzlich von rechts aufgetaucht, obwohl er vorher nicht zu sehen war. Diese Masche funktioniert beispielsweise auf Parkplätzen gut oder auch an Stellen, an denen die Vorfahrtsregeln erst kurz zuvor geändert wurden. Manchmal nähern sich die Betrüger auch absichtlich langsam, so dass vermeintlich genug Zeit zum Abbiegen, Ausparken oder für einen Spurwechsel bleibt. Dann beschleunigen sie.

Als Opfer suchen sich die Kriminellen immer Fahrer, die allein unterwegs sind, meistens junge oder ältere Menschen oder auch Ortsfremde, die womöglich unsicherer sind.

Weitere mögliche Anzeichen, dass etwas nicht stimmen könnte:

  • Es tauchen Zeugen auf, die dem Unfallgegner Recht geben.
  • Der Unfallgegner fährt ein teures Auto, das womöglich aber schon Vorschäden hat.
  • Der Unfallgegner wirkt routiniert und wenig überrascht.

Besser die Polizei einschalten

Das allein reicht natürlich nicht, um einen fingierten Unfall nachzuweisen. Dafür braucht es einen Gutachter. Der schaut sich dann beispielsweise den Kollisionswinkel an oder Höhenunterschiede bei Beulen. Auch aus Kratzern oder aus der Position der Wagen lässt sich rekonstruieren, ob der Fahrer womöglich besonders langsam unterwegs war oder gebremst hat, um einen Unfall herbeizuführen oder ob er versucht hat, noch auszuweichen, was die normale Reaktion wäre.

Wichtig ist es natürlich, gleich am Anfang Beweise zu sichern. Wenn auch nur der kleinste Zweifel besteht, sollte man sie Polizei rufen, auch wenn die Rechtslage vermeintlich eindeutig ist. Unverzichtbar sind Bilder, auf denen die Kollisionsstellung ersichtlich wird. Wenn möglich, sollte man sich nach unabhängigen Zeugen umsehen und – wie immer – nichts unterschreiben, was über den Unfallbericht der Polizei hinausgeht. Zuhause meldet man den Schaden dann am besten selbst der Versicherung und wartet nicht, bis der Unfallgegner das tut.

Quelle: ntv.de

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