"Als Außenstehender ganz ruhig sein" Löw gluckst und kanzelt Ballack ab

Löw und sein ehemaliger Leitwolf Michael Ballack - hier bei der Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien.

Löw und sein ehemaliger Leitwolf Michael Ballack - hier bei der Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien.

(Foto: picture alliance / dpa)

Nach der Nullnummer gegen Polen steht das nächste EM-Spiel der DFB-Elf erst am Dienstag an. Doch langweilig ist es nicht. Ein Ex-Nationalspieler wirft dem Team Charakterlosigkeit vor, der Bundestrainer kontert süffisant.

Der eine war der Chef. Und Bundestrainer ist Joachim Löw immer noch. Der andere war sein Kapitän. Einer, der stets zeigte, wie er seine Rolle in der deutschen Fußballnationalelf sah: als Leitwolf und Führungsspieler. Michael Ballack verkörperte diesen Anspruch bis zu seinem nicht ganz freiwilligen Karriereende, als er sich vor der WM 2010 in Südafrika verletzte und danach nie mehr in die DFB-Elf zurückkehrte. Mit dem FC Bayern gelang ihm in vier Jahren dreimal das Double aus Meisterschaft und Pokalsieg. Eines aber blieb ihm in seinen 98 Länderspielen verwehrt: Einen großen internationalen Titel gewann er nie.

Nun haben Löw, der sich seit dem Turnier 2014 in Brasilien Weltmeistertrainer nennen darf, und Ballack wieder miteinander zu tun. Allerdings nicht direkt, sondern mittelbar. Ballack trägt jetzt einen Zwölftagebart und arbeitet nebenberuflich fürs Fernsehen. Für den amerikanischen Sender ESPN kommentiert er die Spiele bei der Europameisterschaft in Frankreich. Am Donnerstag hatte er sich das müde 0:0 der Deutschen gegen Polen angesehen. Und befand: "Dieser Mannschaft fehlt ein bisschen Persönlichkeit und Charakter."

In seinem zweiten Nebenjob als Kolumnist für den Kölner "Express" legte er dann nach. Unter der Schlagzeile "Das fordere ich jetzt von der DFB-Elf" schrieb er oder ließ er im Grunde das schreiben, was am Donnerstag im Stade de France eh jeder gesehen hatte: "Wir haben gut kombiniert, aber im entscheidenden Drittel fehlte die letzte Überzeugung. Wir kamen nie zu richtig guten Torchancen." Wir - als wäre er noch dabei. Die Mannschaft, so heißt es weiter, müsse ihr Spiel ändern. Die entscheidende Frage sei: "Haben wir diese Charaktere in der Mannschaft, mit anderen Mitteln zu agieren?" Es fehlt, soll das heißen, ein Leitwolf, ein Führungsspieler. Es fehlt einer wie Ballack.

"Ganz ehrlich: Damit ist alles gesagt"

Damit ist er bei Löw genau an der richtigen Adresse. Als der ansonsten entspannte Bundestrainer in Évian, dort, wo die deutsche Mannschaft während dieser EM wohnt, darauf angesprochen wurde, seufzte er und sagte: "Führungsspielerdiskussion." Das klang wenig begeistert, obwohl er behauptete: "Also, das zaubert mir irgendwie ein Lächeln ins Gesicht." Er lächelte nicht. Und konterte: "Auch 2014 hieß es: keine Führungsspieler. Dann sind wir Weltmeister geworden. Dann waren alle diese Leute die großartigen Leader in der Mannschaft." Bastian Schweinsteiger, Mats Hummels, Jérôme Boateng, Manuel Neuer zum Beispiel. Und nun? "Spielen wir einmal nullnull bei einen Turnier, und die Diskussion kommt wieder", sagte er und gluckste dabei. "Ganz ehrlich: Damit ist alles gesagt." Sagte er - und sprach dann weiter: "Ich persönlich, wäre ich ein Außenstehender, ich würde ganz ruhig, was das betrifft. Spieler, die ich auch jetzt genannt habe und einige mehr, die erfüllen heutzutage nach unseren Ansprüchen großartige Führungsqualitäten."

Und dann zählte Löw auf: "Sie kommunizieren hervorragend in der Mannschaft, denken mit, kommen zum Trainer, fragen mir manchmal ein Loch in den Bauch: Warum dies? Warum machen wir das? Wie können wir das lösen? " Die Mitarbeit im Spielerrat sei "wirklich sagenhaft gut. Die Spieler sind mündig, sind kritisch, gehen auch mit Kritik sehr gut um und hinterfragen Dinge. Das finde ich wahnsinnig gut." Sein Fazit: "Wenn da irgendjemand da was sagt, dann …" Er schüttelte den Kopf um zu unterstreichen, wie fassungslos er war.

Dabei hatte es Ballack bestimmt nur gut gemeint. Schließlich hatte er vor Wochen noch gesagt, dass er beim kontinentalen Turnier in Frankreich keine ernsthafte Konkurrenz für die deutsche Mannschaft sehe. Nun aber sieht er das Ziel, den Titelgewinn, in Gefahr. Und schließlich verkündete er auch: "Das 0:0 war in Ordnung. Das wirft uns überhaupt nicht aus der Bahn." Und der letzte Gruppengegner, gegen den es am Dienstag (ab 18 Uhr im Liveticker bei n-tv.de) im Prinzenpark zu Paris geht, flöße ihm auch keine Angst ein: "Die Nordiren sind fußballerisch zu schwach, um uns vor große Probleme zu stellen. Löw wird auch gegen sie einen Matchplan haben. Ich bin davon überzeugt, dass wir als Gruppenerster ins Achtelfinale kommen." Das wiederum ist genau das, was der Bundestrainer heute auch behauptet hat.

Quelle: ntv.de

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