Fußball

Bizarrer Bezug zum Terror in Paris Bayerns Sammer verharmlost die WM-Affäre

WM-Affäre? Alles halb so wild, findet Bayerns Sportdirektor Matthias Sammer.

WM-Affäre? Alles halb so wild, findet Bayerns Sportdirektor Matthias Sammer.

(Foto: imago/Eibner)

Versuchter Stimmenkauf vor der WM-Vergabe? Steuerhinterziehung in Millionenhöhe durch den DFB? Öffentliche Lügen durch Ex-DFB-Boss Niersbach? Bayerns Sportvorstand Matthias Sammer findet: Alles halb so wild angesichts des Paris-Terrors.

Verklären statt aufklären: Nach dieser Maxime scheint Matthias Sammer in der WM-Affäre um verschwundene Millionen und mutmaßlichen Stimmenkauf zu verfahren. Der Sportvorstand von Fußball-Rekordmeister FC Bayern München sieht in der Aufklärung des Skandals nach wochenlanger Mauertaktik des Deutschen Fußball-Bundes und von Schlüsselfiguren wie Franz Beckenbauer mitnichten dringenden Handlungsbedarf, anders als etwa die Frankfurter Staatsanwaltschaft.

Im ZDF-Sportstudio bediente sich Sammer vielmehr eines bizarren Vergleichs, um den DFB-Skandal zu verharmlosen - indem er ihn in Beziehung zur blutigen Terrorserie von Paris mit 130 Opfern setzte. "Wir müssen ein paar Dinge aufklären, das ist richtig", sagte er, schob dann allerdings nach: "Es ist aber nichts passiert, was im Ansatz damit vergleichbar ist, was in der letzten Woche geschehen ist." Damit endete das Interview (externer Videolink).

Zuvor hatte Sammer bereits gesagt, er wünsche sich, man solle die Ereignisse "entspannt und miteinander aufklären". Idealerweise sollten diese Prüfungen aus Sammers Sicht ergeben, "dass sich die Dinge wieder beruhigen", damit "nicht unser fantastisches Sommermärchen weiter in Grund und Boden" geredet werde.

Skandal nur eine Medienkampagne?

Als "sehr, sehr richtig und gut" bezeichnete Sammer das Verhalten des ehemaligen WM-OK-Chefs Franz Beckenbauer, der auch Ehrenpräsident beim FC Bayern ist. Beckenbauer hatte sein Schweigen erst am Samstag in der "SZ" gebrochen und sich erstmals ausführlicher zur Affäre geäußert, in deren Mittelpunkt er inzwischen gerückt ist. Bei konkreten Fragen der Interviewer - etwa nach seinen Unterschriften unter einem Vertragsentwurf für die Bestechung eines Fifa-Wahlmannes oder einen Schuldschein von Robert Louis-Dreyfus - berief er sich allerdings auf Ahnungslosigkeit oder Erinnerungslücken.

Den Einwand von ZDF-Moderator Boris Büchler, dass Beckenbauer auch mit diesem Interview praktisch nichts zur Aufklärung beigetragen habe, ließ Sammer dennoch nicht gelten. Er sagte: "Er hat vielleicht über die Normalität gesprochen, die vielleicht keiner hören will in Deutschland." Statt die Vertuschungsversuche im DFB unter Ex-Präsident Wolfgang Niersbach und fragwürdige WM-Vergabepraktiken im korrupten Fußball-Weltverband Fifa kritisierte Sammer indirekt Medien wie den "Spiegel", der die Affäre mit seinen Recherchen aufgedeckt hatte: "Wir müssen bohren, wir müssen finden, wir müssen mit dem Finger auf andere zeigen. Das sind aber in der Regel die, die sich 2006 selbst am meisten gefeiert haben." Sein Motto: "Ja, Aufklärung auch, aber medial die Dinge sich wieder ein bissel beruhigen zu lassen".

"Verantwortlich für seine Unterschrift"

Der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger erneuerte derweil seine Kritik an Franz Beckenbauer. "Er war keine Privatperson, sondern DFB-Repräsentant, der an Recht und Satzung gebunden war", kritisierte Zwanziger in der "Bild am Sonntag" Beckenbauers Verhalten während der WM-Bewerbung und der späteren Organisation des Turniers: "Er war verantwortlich für seine Unterschrift."

Zwanziger hatte den "Spiegel" mit Informationen versorgt und die Affäre ins Rollen gebracht. Beckenbauer zeigte sich deshalb im "SZ"-Interview enttäuscht von Zwanziger, einem "früheren Freund". Der sagte dazu in der "BamS": "Wenn Freundschaft daraus besteht, Fehlverhalten zu decken und die Öffentlichkeit zu täuschen, dann ist sie nichts wert."

Sammer lobt Niersbach, Fifa kritisiert

In München sieht man das anders, das hatte vor Sammer auch schon Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge klargemacht. "Ich bin kein Insider in dieser nicht sehr sympathischen Geschichte. Aber Franz Beckenbauer war mein Trainer, mein Kapitän und Präsident. Er hat für den FC Bayern Überragendes geleistet. Wenn ein Freund in Schwierigkeiten ist, dann muss man ihm zur Seite stehen. Und das werden wir beim FC Bayern auch tun."

Mit Blick auf Sammer scheint das auch für Ex-Präsident Wolfgang Niersbach zu gelten. Dessen Rücktritt in Folge des Skandals bedauerte Sammer im ZDF ausdrücklich - obwohl der Ex-DFB-Präsident vor seinem Abgang die Öffentlichkeit und auch seine Präsidiumskollegen offenbar wochenlang gezielt belogen und versucht hatte, die Affäre zu vertuschen. Für Sammer bescheinigte Niersbach hingegen, als DFB-Präsident "eine gute, verlässliche und loyale Figur abgegeben" zu haben.

Derweil regt sich im korruptionsgeschüttelten Fußball-Weltverband Fifa Widerstand gegen die deutsche Fußball-Logik, dass Niersbach als DFB-Präsident nicht mehr tragbar ist, als Mitglied in den Exekutiven der Fifa und auch der Europäischen Fußball-Union Uefa aber schon. Das berichtet die "Welt am Sonntag" und zitiert einen namentlich nicht genannten Fifa-Funktionär: "Konsequenzen kann man nicht teilweise ziehen, sondern ganz oder gar nicht. Herr Niersbach muss seine Ämter niederlegen."

Quelle: ntv.de

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