Fußball wie in der Bundesliga Pro Evo dribbelt, Fifa trainiert effektiv
27.09.2015, 10:22 Uhr
Der Saisonstart der wahren Bundesliga verlief nicht wie bei "Fifa 16" - allerdings stehen auch hier Bayern und Dortmund oben.
(Foto: Electronic Arts)
Manch ein Fan guckt in dieser Bundesligasaison angesichts der Zweikampf-Neuauflage Bayern gegen Dortmund verwundert auf die Jahreszahl. So dürfte es auch den Anhängern der Fußball-Videospiele "Fifa 16" und "Pro Evolution Soccer 2016" gehen.
Ein Anpfiff, zwei Spiele: Es gibt neue Versionen der Fußball-Simulationen Fifa und Pro Evolution Soccer, und erstmals seit drei Jahren kommen die Konkurrenten wieder fast zeitgleich aus der Deckung. Während Electronic Arts mit Fifa lange im Stile des FC Bayern Alleingänge hinlegte, gesellt sich in diesem Jahr erneut Pro Evolution Soccer als Konkurrent dazu.
Eine Schwächephase von "Fifa 16" ist daran nicht schuld; mit seinen Neuerungen liefert es wie gewohnt sehr gute Leistung ab. So kann der Herr des Controllers jetzt etwa einen Trainer engagieren, der immer neben dem aktivierten Akteur auf dem digitalen Grün angibt, welche Tastenkombinationen oder simple Befehle in dieser Situation sinnvoll wären. Pep Guardiola brüllt also über den Platz: "Hey, spiel doch hoch ab! Schick den Mario steil! Dränge den Gegner zu Seite!"
Diese Hinweise sind ein echter Gewinn. Für Anfänger geht es nur darum, den Knopf für den Flachpass zu finden, später kommen anspruchsvollere Tastenkombinationen hinzu. Das ergibt selbst für jahrelange Fifa-Spieler Sinn. Der Blick verfolgt nunmal das Spielgeschehen auf dem Bildschirm. Und welcher Spieler guckt nochmal ins Trainingsbuch, bevor er sich für eine Aktion entscheidet?
Temporeiche Vorstöße, angetäuschte Tacklings
Erstmals sind Wolff-Christoph Fuss und Frank Buschmann das Reporterduo. Sie kommentieren wie gewohnt phrasig, aber durch Fuss' Stimme bekommt alles einen frischeren Klang. Auf dem Rasen sehen die beiden einige neue Möglichkeiten: So gibt es nun Finten und Körpertäuschungen per Analogstick auch per Tastendruck. Eine neue Variante zur schnellen Überbrückung des Mittelfeldes ist der Flachpass per Vollspann, der sich zum wahren Geschoss verwandeln kann.
Bestehende Probleme in Angriff nehmend, hat Electronic Arts die Flanken verbessert. Bälle in den Rückraum, wo der Mitspieler zwar zum Zeitpunkt der Ballabgabe stand, aber nicht mehr, wenn das Leder dann den Punkt erreicht, sind seltener geworden. Stattdessen erscheinen temporeiche Vorstöße über den Flügel nun sinnvoller.
In der Defensive kann man auch Tacklings antäuschen und misslungene Grätschen abbrechen. Das ist zwar nicht "Play Beautiful", wie die neue Fifa-Version angepriesen wird, aber manchmal nützlich. Die Torhüter sind merklich verlässlicher. Zwar veranstalten die Schlussmänner auch in Fifa 16 noch abenteuerliche Ausflüge an die Seitenlinie, obwohl Verteidiger daneben stehen, aber die Paraden wirken nicht mehr so willkürlich und die KI nicht mehr so fehleranfällig.
Kein Lokomotiv gegen Naft Teheran
Bei der neuen Version des mit Fifa konkurrierenden Pro Evolution Soccer fällt direkt auf, dass sich das Lizenzproblem entschärft hat - etwas. Denn Konami darf zwar die Namen von Europa und Champions League verwenden, aber viele Klub- und Spielernamen fehlen wie gewöhnlich. Für Fans südamerikanischen Fußballs ist die Copa Libertadores, also die Champions League Lateinamerikas, enthalten, ebenso mit Originalvereinen und ihren Kadern, wie auch die Copa Sudamericana, das Äquivalent zur Europa League.
Als Verfechter der Nischenliebhaber etabliert sich PES 2016 durch die asiatische Champions League, die es allerdings auch nur mit Fantasievereinen ins Spiel geschafft hat. Es wäre auch zu elektrisierend, tatsächlich Partien wie Lokomotiv aus Uskebkistan gegen Naft Teheran ausfechten zu können. Zum 20-jährigen Jubiläum der Serie hat Konami richtig aufgeräumt, besonders in den Menüs. Wer die alte Struktur noch kennt, wird bei der neuen Version überrascht sein.
Was grafisch beginnt, setzt sich nahtlos auf dem Platz fort. Die flexiblen Formationen bei Anstoß, Ballbesitz und ohne Ballbesitz ergeben Sinn – zudem sind drei Standardtaktiken vor und während des Spiels einstellbar. Wie bei Fifa gibt es auch bei Pro Evo einen neuen Kommentator: Marco Hagemann und Hansi Küpper plappern munter drauflos; es klingt jedoch manchmal so, als hätten sie keine Ahnung, was da grade auf dem Spielfeld passiert: Mal wird ein Kullertor zur Weltklasse, mal verkünden die beiden Sprecher einen Treffer - obwohl es gar keinen gab.
Intuition statt Tastengehämmer
Das Wesentliche ist jedoch, und damit grenzt sich PES angenehm von Fifa ab: Nicht für jede Aktion gibt es eine spezielle Taste(nkombination), dafür ist beim Konkurrent aus Fernost intuitives Stellungsspiel wirkungsvoll. Die Bälle kleben bei dem Ballführenden nicht so am Fuß wie bei Fifa, sondern sind schnell erobert, wenn man den verteidigenden Akteur mit Auge positioniert.
Im Angriff ist ebenso vieles über das Gefühl für die Situation lösbar. Die Zweikämpfe wirken realistischer als im Vorjahr, die Ballkontrolle und die Bewegungen beeinflussen das Verhalten und die Laufwege der Verteidiger eindeutig. Auch die Mitspieler orientieren sich sinnvoller im Raum und sind gute Anspielstationen.
Dieser Raum im Mittelfeld und die Bewegungen der Spieler sind wohl das größte Plus des neuen Pro Evo. Kleine Sprints, Drehungen, allgemein vorausschauendes Verhalten führen häufig zum erfolgreichen Zweikampf. Es lohnt sich, jahre- bis jahrzehntelang Fußball geguckt zu haben - denn das unterbewusst trainierte Auge kann jetzt allen Hobbytrainern sagen, wie die Spieler zu laufen haben.
Eine Frage des Stils
Von der Gesamtqualität her ist Konami mit "Pro Evolution Soccer 2016" so nah an die Fifa-Konkurrenz herangerückt wie seit Jahren nicht. Fifa ist eindeutig direkter, reagiert gefühlt präziser auf die vielen Kommandos. Pro Evo vermittelt eher das Alles-ist-möglich-Gefühl; ein Déjà-vu aus vergangenen Zeiten.
Wie früher stellt sich in diesem Herbst also vor allem die Stil- und Geschmacksfrage. Oder, um einen etwas kreativeren Orientierungspunkt zu geben: Wer die Bayern-Maschine bevorzugt, sollte zu Fifa greifen. Wer sich über die wiedererstarkten Dortmunder und ihr neu gefundenes Flair freut, sollte sich Pro Evo anschauen.
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Quelle: ntv.de