
Griechenlands Premier Alexis Tsipras: Längst steht das Land nicht mehr bei Banken, sondern bei den Euro-Rettern in der Kreide.
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Mit letzter Kraft begleicht Griechenland einen Kredit beim IWF. Es zeigt die ganze Absurdität des Schuldendramas: Die Troika erhält den todkranken griechischen Patienten nur noch am Leben, um ihre Behandlungsfehler zu vertuschen.
Das war wieder mal knapp für Griechenland. Mit letzter Kraft hat das schuldengeplagte Land heute rund 460 Millionen Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) überwiesen. Athen hat dafür alles zusammengekratzt, was es noch hat. Das Land plündert seine Rentenkasse, borgt sich Geld bei Staatsfirmen, zapft über seine maroden Banken die Notfallkredite der EZB an. Doch die Pleite auf Raten geht weiter. Im April werden kurzlaufende Staatsanleihen von 2,4 Milliarden Euro fällig, im Mai weitere Kredite an den IWF. Insgesamt rund 6,6 Milliarden Euro muss das Land bis Ende des Jahres noch nach Washington überweisen.
Es zeigt die ganze Absurdität des Schuldendramas: Den Großteil seiner Verbindlichkeiten muss Griechenland längst nicht mehr an private Banken zurückzahlen. Sondern an die Troika aus IWF, Europäischer Zentralbank (EZB) und EU-Kommission, die das Land eigentlich zu retten versucht. Sie gibt Griechenland nur noch neue Hilfskredite, damit es die alten zurückzahlen kann. Längst geht es nicht mehr darum, das Land zu retten und damit den Euro vor einer Finanzpanik zu bewahren.
Die Geldgeber sind die Totengräber
Griechenland liegt als todkranker Patient auf dem OP-Tisch. Am linken Arm verabreichen EU, IWF und EZB ihm Geldinfusionen, um ihn am Leben zu erhalten. Dann gehen sie um den Tisch und lassen ihren Patienten am rechten Arm wieder ausbluten. Zusätzlich unterstützen sie ihn bei der Genesung, indem sie ihn anbrüllen, er solle endlich aufstehen. Mit dieser Behandlung soll er wieder Kraft gewinnen.
Zwar hängt nicht nur Griechenland, sondern jedes Land der Welt in diesem Kreislauf fest: Es nimmt neue Schulden auf, um alte abzutragen. Was ihm am linken Arm gegeben wird, fließt am rechten Arm wieder ab. Der Unterschied ist nur: Wenn es aussichtslos wird, stellen private Geldgeber die Behandlung ein. Sie geben dem Land keinen Kredit mehr.
So war es auch bei Griechenland. Die anderen Euro-Länder, IWF und EZB mussten deshalb ab 2010 einspringen und Athen finanziell über Wasser halten. Solange Griechenland noch Geld an private Banken zurückzahlen musste, hatten diese Infusionen einen Sinn: Sie dienten dazu, Panik an den Finanzmärkten zu verhindern.
Doch inzwischen gilt dieses Argument nicht mehr. Den gefürchteten Schuldenschnitt für die Banken, den man mit der Griechenland-Rettung eigentlich verhindern wollte, hat es 2012 dann doch gegeben. Drei Viertel von Athens Schulden liegen nun bei der Troika. Sie schießt nur noch neues Geld zu, damit Griechenland irgendwie am Leben bleibt, egal wie sehr es dabei leiden muss. Denn würde der griechische Patient sterben, würde der Behandlungsfehler sichtbar werden: Die Pleite würde die Steuerzahler der anderen Euro-Länder treffen. Auf sie wurden Griechenlands Schulden 2010 abgewälzt. Die Geldgeber, die Griechenland zu retten versuchen, sind deshalb auch seine Totengräber.
EZB spielt "Geierfonds"
Nirgends wird das deutlicher als bei der EZB. Nicht etwa Forderungen von Banken, sondern die Zahlungen an die Zentralbanker sind die dicksten Brocken, die Athen bewältigen muss, um die Pleite zu verhindern. Im Juli und August muss Griechenland 6,7 Milliarden Euro für zwei auslaufende Anleihen zurück an die EZB überweisen. Die hatte die Papiere eigentlich gekauft, um Griechenland vor der Pleite zu retten. Nun könnte Athen genau das zum Verhängnis werden. Denn die Zentralbanker bestehen auf der Rückzahlung der vollen Summe. Wären die Papiere dagegen bei den privaten Banken geblieben, hätten sie 2012 beim Schuldenschnitt rund die Hälfte ihres Werts verloren. Und Griechenland wäre die Hälfte dieser Schulden bereits los.
Zudem hat die EZB die Griechen-Anleihen mit einem großen Abschlag gekauft. Dank ihrer Rettungsaktion sind die Papiere kräftig gestiegen. Sollte Athen die Schulden vollständig begleichen, machen die Zentralbanker in Frankfurt Gewinn. Bluten müssen dafür Rentner, Arbeitslose und Beamte in Griechenland, bei denen gestrichen wird.
Dieser sozialen Schieflage ist sich die EZB durchaus bewusst. Die Gewinne aus ihren Anleihekäufen will sie deshalb nach Athen zurücküberweisen. Einen kleinen Abschlag hat sie schon gezahlt. Aber weil Griechenland mit seinen Geldgebern im Clinch liegt, sind die restlichen 1,9 Milliarden Euro noch nicht geflossen. Die EZB ist kaum besser als ein "Geierfonds", der Schulden von Pleiteländern billig kauft und auf die volle Rückzahlung pocht, um Profit zu machen. Insgesamt hat die Zentralbank laut eigenen Angaben Griechen-Bonds für rund 34 Milliarden Euro gekauft. Etwa 20 Milliarden davon hat sie noch in den Büchern.
Solche moralischen Verbiegungen wären heute nicht nötig, wenn die Euro-Retter den Wählern 2010 die Wahrheit gesagt hätten: Athen wird die Kredite wohl nie zurückzahlen können. Trotzdem sind sie nötig, um die Banken zu beruhigen und den Euro zu retten. Nun gibt es nur noch zwei Auswege. Entweder man stoppt den Aderlass am griechischen Patienten und erlässt ihm seine Schulden. Oder man hört auf, ihm Infusionen zu geben und beendet sein Leiden. Damit er nach einer Staatspleite wiedergeboren werden kann - womöglich mit einer neuen Währung.
Quelle: ntv.de