
Die meisten Geldverwalter sind für einen Pfund-Ausverkauf positioniert.
(Foto: REUTERS)
Am Brexit-Tag fiel das britische Pfund auf den tiefsten Stand seit 40 Jahren. Trotz leichter Erholung ist mit der Talfahrt womöglich noch nicht Schluss: Profi-Anleger setzen mit überwältigender Mehrheit auf den weiteren Absturz.
Bei seinem ersten Treffen mit den EU-Kollegen gab sich Großbritanniens neuer Außenminister Boris Johnson äußerst zahm. Zwar werde Großbritannien nach dem Brexit-Votum aus der EU austreten, es wolle aber weiter in "führender Rolle" in Europa mitwirken, sagte Johnson bei seinem ersten offiziellen Besuch in Brüssel. "Das bedeutet in keinem Fall, dass wir Europa verlassen".
Früher hat Johnson die EU auch schon mal verglichen mit einem "Superstaat, wie ihn auch Hitler wollte". Nun verliert er kein schlechtes Wort mehr über Brüssel. Leise treten und bloß nicht poltern scheint die neue Strategie des Brexit-Fans zu sein. Zuviel ist seit dem historischen Nein der Briten zur EU schon kaputt gegangen. Den größten Schaden hat das britische Pfund erlitten.
Am Tag nach dem historischen Brexit-Votum brach das Pfund Sterling um mehr als 13 Prozent ein, auf den tiefsten Stand seit 40 Jahren. Seitdem hat sich die britische Währung zwar wieder etwas erholt. Doch mit großer Wahrscheinlichkeit wird der Absturz weitergehen. Dafür sprechen nicht nur Handelsdaten, sondern auch Wirtschaftszahlen.
Profis rechnen mit Sterling-Crash
Die Börsenprofis erwarten mit überwältigender Mehrheit einen weiteren Crash. Sie haben sich für einen großen Sterling-Ausverkauf in Stellung gebracht. Das zeigen Daten der US-Aufsichtsbehörde CFTC, die den Handel mit Optionen und Futures überwacht. Die CFTC erhebt wöchentlich die Positionen großer Banken und Fonds, die gesetzlich verpflichtet sind, ihre Termingeschäfte bei den Aufsehern zu melden.
Nach den letzten verfügbaren Daten haben die professionellen Vermögensverwalter 76.802 mehr Wetten auf einen fallenden als auf einen steigenden Pfund-Kurs in ihren Büchern. Auch die Hedgefonds setzen weiter auf den Absturz. In dieser Kategorie beträgt der Überhang der Wetten gegen das Pfund 37.611 und hat sich im Vergleich zur Vorwoche stark erhöht. Bei den Vermögensverwaltern ist er dagegen etwas zurückgegangen. Auch hier ist der Trend aber ungebrochen.
Die Zahlen sagen zwar nichts darüber aus, wie sich der Pfund-Kurs tatsächlich entwickelt: Per Definition steht jedem Käufer von Optionen und Futures auf den Verfall des Pfunds ein Verkäufer gegenüber, der auf einen steigenden Kurs wettet. Insgesamt ist der Markt deshalb immer ausgeglichen. Interessant ist aber, wie sich die Wetten im Markt verteilen. Denn große Hedgefonds und Banken gelten als besser informiert und erfolgreicher als kleine Privatanleger. Die Daten zeigen eindeutig: Die Profis am Finanzmarkt rechnen mit einem weiteren Absturz des Pfund.
"Hammerschlag" für das Pfund?
Mohamed El-Erian, der Finanzmarktberater des Allianz-Konzerns, rechnet schlimmstenfalls sogar damit, dass das Pfund bis zur Parität mit dem Dollar abstürzen könnte: "Stellen Sie sich das Pfund Sterling vor, das auf einen doppelten Hammerschlag wartet, ohne einen starken Rettungsanker zu haben".
Selbst wenn es keinen plötzlichen Einbruch gibt, droht dem Pfund zumindest mittelfristig ein schleichender Verfall. Die andauernde Unsicherheit, wie es mit Großbritannien und der EU weitergeht, hemmt Investitionen und Wachstum. Jobs könnten aus der Londoner City abwandern. Der britischen Wirtschaft droht eine jahrelange Flaute. Je mehr Kapital deshalb von der Insel flüchtet, desto mehr wird das Pfund an Wert verlieren.
Die Bank of England hat schon versprochen "alles was nötig ist" zu tun, um die Märkte zu beruhigen. Bislang hat sie noch überraschend gezögert, nach dem Brexit die Zinsen zu senken. Sie will erst mehr Daten darüber sammeln, wie sich das Votum auf die Wirtschaft auswirkt. Doch irgendwann werden die Notenbanker handeln müssen, um die Bremsspuren zu verringern. Vielleicht ist es schon im August soweit. Da tagen die Hüter des Pfunds erneut, um über die erwartete Zinssenkung zu beraten.
Quelle: ntv.de