Großbatterien "einfach zu teuer" Warum nur Pumpspeicherwerke lukrative Stromspeicher sind
17.08.2024, 10:29 Uhr Artikel anhören
Pumpspeicherkraftwerke wie Goldisthal in Thüringen nutzen überschüssige Energie, um Wasser in einen hoch gelegenen Stausee zu pumpen. Wird zusätzliche Energie im Netz benötigt, wird das Wasser abgelassen. Beim Fallen erzeugt es in Turbinen Strom.
(Foto: picture alliance/dpa)
Deutschland leidet immer häufiger unter einem Luxusproblem: Windräder und Solaranlagen erzeugen mehr Strom, als das Land benötigt. Die Lösung ist bekannt, Energiespeicher nehmen überschüssige Energie auf. An windstillen Tagen oder in den Abendstunden geben sie den Strom frei. Bisher wird diese Aufgabe überwiegend von Pumpspeicherkraftwerken übernommen. "Die leisten hervorragende Arbeit", sagt David Taylor. Der Gründer des Flüssigbatterie-Startups Unbound Potential schränkt das Potenzial im "Klima-Labor" von ntv dennoch stark ein: "Sie verursachen starke Pegelschwankungen in Gebirgsbächen, wenn sie plötzlich Energie aufnehmen oder abgegeben." Gerade in Deutschland lassen Alternativen allerdings auf sich warten: "Es fehlen Anreize, um mit neuartigen Speicherlösungen Geld verdienen zu können", sagt Taylor. Er fordert einen Kapazitätsmarkt nach britischem Vorbild und erklärt, warum die wichtigste Aufgabe von Batterien gar nicht das Stromspeichern ist.
ntv.de: Deutschland schwimmt in Solar- und Windenergie. Teilweise wird so viel erneuerbarer Strom erzeugt, dass die Netze an ihre Grenzen stoßen. Fehlen nur noch Speichermöglichkeiten und die Energiewende ist geschafft?
David Taylor: Nein. Es braucht mehr Netzinfrastruktur, mehr Batteriespeicher, ganz besonders aber auch einen gesetzlichen Rahmen, der Stromversorgern und anderen Infrastruktur-Service-Providern Bedingungen bietet, auf Speicherlösungen umzusteigen. Das fehlt in Deutschland. Andere europäische Länder wie Großbritannien sind bei der Integration von Speichern viel weiter.
Was machen die anders?
Großbritannien setzt stark auf Offshore-Windenergie und hat deswegen früh angefangen, Anreize für solche Lösungen zu entwickeln. Es gibt etwa einen Kapazitätsmarkt. Der wäre ein wichtiges Mittel, um Großspeichersysteme zu finanzieren und gewinnbringend abzusichern.
Warum braucht es dafür einen neuen Markt? Kann man nicht einfach neben jedem Windpark zusätzlich große Batterien bauen?
Wir brauchen einen Marktmechanismus, um mit Batterien Geld verdienen zu können. Am bisherigen Strommarkt kann es an einem einzigen Tag große Preisspannen geben. Für ein Geschäft, bei dem man Strom speichert, wenn er günstig ist, und verkauft, wenn er teuer ist, sind die Margen allerdings zu klein und die derzeit verfügbaren Speichertechnologien zu teuer. Dieser Handel ist nicht lukrativ. Anders sieht es am Kapazitätsmarkt aus: Dort wird nicht mehr der eingespeiste Strom vergütet, sondern bereits die Fähigkeit, diesen bei Bedarf bereitzustellen. Und zwar hochpreisig.
Ohne diesen Kapazitätsmarkt geht es nicht?
Wenn sehr viel Wind weht oder sehr viel Sonne scheint, kommt es zu einer Frequenzverschiebung im Stromnetz. Das reagiert sehr empfindlich. Will man das Netz stabil halten, braucht man dynamische Leistungssenken und Leistungsquellen wie Pumpspeicherkraftwerke: Die können innerhalb von Minuten oder sogar wenigen Sekunden Leistung aus dem Netz nehmen, wenn zu viel vorhanden ist, indem sie Wasser hochpumpen, oder eben zusätzliche Leistung bereitstellen. Diese Aufgabe übernehmen derzeit hauptsächlich Gaskraftwerke. Dieser Mechanismus ist für eine stabile und robuste Versorgung wesentlich relevanter als das Vorhalten von großen Energiemengen. Deswegen wird der Stabilisierungs-Service am Kapazitätsmarkt gut vergütet.
Und diesen Service übernehmen im neuen Stromnetz idealerweise Batterien?
Genau. Pumpspeicherkraftwerke leisten hervorragende Arbeit, aber sie verursachen starke Pegelschwankungen in Gebirgsbächen, wenn plötzlich viel Leistung abgegeben oder der Wasserfluss plötzlich abgestellt wird. Das hat massive Einflüsse auf Umwelt und Lebensraum. Deswegen wird auch in Regionen mit starkem Gefälle nach anderen Möglichkeiten gesucht, schnell Leistung aufnehmen und abgeben zu können; wenn kein starkes Gefälle vorhanden ist, sowieso. Aktuelle Batterietechnologien müssen allerdings gekühlt, gesteuert und verbunden werden. Diese Peripherie, die mit dem Speichersystem mitwächst und drumherum installiert wird, ist zu teuer.
Aber werden nicht in Kalifornien, Texas oder auch China bereits wahnsinnig große Kapazitäten aufgebaut, weil Batterietechnologien sehr schnell günstiger werden?
Darüber bin ich sehr froh, aber die bisherigen Technologien werden sich nicht dafür eignen, stationär Energie im großen Stil zu speichern. Derzeit skaliert die Speicherkapazität linear mit der Anzahl der installierten Batteriezellen: Je mehr Energie ich speichern möchte, desto mehr Zellen muss ich bauen. Jede einzelne Zelle ist aber eine abgeschlossene Einheit. Für einen großen Speicher bleibt mir also nichts anderes übrig, als sie zusammenzuschließen. Jede einzelne Zelle benötigt allerdings ein Temperatur-Kontrollsystem, eine Steuerung und so weiter. Das kostet!
Die Batteriezellen sind gar nicht der größte Kostenfaktor?
Ja. Es gibt im Moment nicht viele Technologien mit einer hohen Marktreife, aber relativ viel Bewegung und viele Ideen mit Potenzial. Dazu gehört unsere Flüssigbatterie ohne Membran, aber auch elektrochemische Speicher. Andere Firmen arbeiten an Schwerkraft-Batterien, die wie riesige Fahrstühle funktionieren. Es gibt auch Wasserstoff oder Power-to-Gas-Systeme - verschiedene Möglichkeiten, mit denen man im großen Stil Energie speichern kann. Der Clou bei all diesen Technologien ist, dass ich den Energiespeicher unabhängig von der Anzahl der Zellen vergrößern kann. Diese unabhängige Skalierung ist die Kerneigenschaft eines stationären Speichersystems. Wenn das nicht erfüllt ist, wird man nie wirklich kosteneffizient arbeiten können.
Wir stehen bei großen Speicherlösungen also noch ganz am Anfang, weil sich aktuell nicht einmal das Investment lohnt?
Das ist richtig. Alle größeren deutschen Energieversorger interessieren sich inzwischen für Speichertechnologien, weil absehbar ist, dass sie kommen werden. Ein Vorreiter ist die Leag in der Lausitz. Das ist ein riesiger Braunkohle-Konzern, der jetzt sehr viel Batterie-Speicherkapazitäten installiert. Aber viele Energieerzeuger befinden sich in Staatsbesitz. Die sind normalerweise extrem zurückhaltend bei der Adaption von neuen, risikobehafteten Technologien. Die machen das erst, wenn es einen gesetzlichen Rahmen gibt, der die Notwendigkeit erzeugt, das zu tun. Der entsteht gerade.
Mit David Taylor sprachen Clara Pfeffer und Christian Herrmann. Das Gespräch wurde zur besseren Verständlichkeit gekürzt und geglättet. Das komplette Gespräch können Sie sich im Podcast "Klima-Labor" anhören.
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Quelle: ntv.de