
Marvel Fusion setzt auf die Laserfusion.
(Foto: Marvel Fusion)
Seit Jahrzehnten träumen Forscher von der Kernfusion. Technisch ist sie allerdings bis heute ein teures wie unüberwindbares Hindernis. Heike Freund von Marvel Fusion glaubt dennoch an ein funktionsfähiges Konzept binnen einer Dekade. Im Gespräch erklärt sie die verbliebenen Probleme.
Kernfusion. Das ist die Energie, die die Sonne und andere Sterne zum Leuchten bringt. Unglaublich kraftvoll. Seit rund 60 Jahren träumen Forscher auf der ganzen Welt davon, diesen Vorgang auf der Erde nachzustellen und ihn als Energiequelle zu nutzen. Wenn das gelänge, wären die Möglichkeiten gewaltig. Denn Fusionsenergie ist nicht nur sauber, sondern quasi unerschöpflich.
Darauf setzt auch Heike Freund von Marvel Fusion. Die Münchner konzentrieren sich auf die Entwicklung eines Kernfusionskraftwerks mittels Lasertechnologie. "Wir haben jetzt die wissenschaftlichen Durchbrüche gesehen, die zugrundeliegenden Technologien haben die Reife und ich glaube, auch die Notwendigkeit für Fusionsenergie war nie so groß, wie sie heute ist", sagt Freund im ntv-Podcast "Startup - jetzt ganz ehrlich".
Fossile Energieträger schaden dem Klima und schaffen Abhängigkeiten von einzelnen Ländern. Atomenergie birgt die Gefahr katastrophaler Unfälle. Erneuerbare Energie ist wetterabhängig. Kernfusion könnte all diese Probleme lösen, glauben Experten. Auch die Politik scheint angetan. "Der Energiehunger wird ja nicht kleiner werden. Unser Energiebedarf wird sich bis zum Ende des Jahrhunderts verdoppeln bis vervierfachen. Das heißt, wir brauchen diese zusätzlichen Möglichkeiten", sagt Bundesforschungsministerin Bettina Starck-Watzinger.
Nur ein schöner Traum?
Die Theorie klingt recht einfach: Wasserstoffkerne werden zum Verschmelzen gebracht. Heraus kommt Helium. Dabei wird eine große Menge Energie frei. Doch die Verschmelzung ist äußerst schwierig hinzubekommen. Bisher ist es der Menschheit nicht gelungen, diese Energiequelle anzuzapfen. Immer wieder gab es Rückschläge. Viele Skeptiker glauben, die Nutzbarmachung der Kernfusion ist nicht mehr als ein schöner, aber unerfüllbarer Traum.
Doch im Dezember 2022 gelang US-Forschern der Durchbruch. "Sie haben mehr Energie erzeugt, als zum Auslösen der Reaktion hineingesteckt wurde. Das ist das erste Mal, dass ein Labor, das geschafft hat. Weltweit. Das ist einer der beeindruckendsten wissenschaftlichen Leistungen des 21. Jahrhunderts", sagte damals die US-Energieministerin Jennifer Granholm.
Länder auf der ganzen Welt forschen fieberhaft daran, das Erfolgsrezept für einen funktionierenden Kernfusionsreaktor zu finden. Zahlenmäßig ganz vorn liegen die USA und Japan, gefolgt von Russland und China.
"Wir sehen keine Perspektive"
Die Frage ist: Wie lange wird es dauern? 20 Jahre oder mehr stehen im Raum. Ein Zeitraum, den einige Unternehmen weltweit unterbieten wollen. Neben staatlichen Einrichtungen, die zum Teil schon Jahrzehnte an der Kernfusion forschen, nun auch zahlreiche private Startups wie eben Marvel Fusion aus München. Heike Freund sagt: "Ich bin überzeugt, dass wir in den nächsten zehn Jahren kommerziell valide Fusionskonzepte sehen werden. Das ist sehr ambitioniert, aber die zwei Faktoren, die beeinflussen werden, ob es zehn oder zwanzig Jahre sind, sind die Finanzierung und die Regulatorik."
Die Bundesregierung will in den nächsten fünf Jahren immerhin eine Milliarde Euro in die Fusionsforschung investieren. Forschungsministerin Stark-Watzinger verfolgt damit auch noch ein weiteres Ziel. Nämlich den schwächelnden Industriestandort Deutschland stärken: "Da brauchen Sie die Lasertechnologie. Sie brauchen Material, Technologie. Das haben wir in Deutschland. Da sind wir spitze, da sind wir führend."
Es gibt aber auch Kritik. So wie von Werner Neumann vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland: "Wir haben immer gesagt, es dauert 30 Jahre, bis die Kernfusion wirtschaftlich ist. Aber es sind immer wieder 30 Jahre. Wir sehen im Moment auch keine Perspektive, dass die Kernfusion in irgendeiner Art und Weise technisch machbar sein und in naher Zukunft einsetzbar sein wird. Und wenn, dann wird sie sehr teuer und mit sehr viel Atommüll einhergehen."
Dreifacher Energiebedarf
Heike Freund widerspricht. "Es gibt kein Kettenreaktionsrisiko, es gibt keinen langlebigen radioaktiven Abfall. Daher ist es genau die saubere, sichere Energiequelle, die wir im Energiemix der Zukunft brauchen. Zwischen 2020 und 2050 wird sich der Energiebedarf verdreifachen und dies allein mit erneuerbaren Energien abzubilden, wird schwierig sein."
Auch wenn es noch 15, 20 oder 30 Jahre dauert, bis Fusionsstrom aus der Steckdose kommt. Die Experten sind sich sicher, dass sich die Mühen, die Kosten für die Forschung und das lange Warten am Ende lohnen werden. Wenn es gelingt, werden wir auf der Erde unsere eigene künstliche Sonne haben, die die Welt bis in alle Ewigkeit mit sauberer Energie versorgt.
Mit Heike Freund sprach Janna Linke. Das vollständige Gespräch können Sie sich im ntv-Podcast "Startup - jetzt ganz ehrlich" anhören.
Was verbirgt sich hinter der schillernden Fassade der Startup-Szene? Janna Linke weiß es. Im Podcast "Startup - Jetzt ganz ehrlich" wirft sie jede Woche einen Blick hinter die Kulissen der Gründerszene und spricht über Themen, die gerade Schlagzeilen machen. Sie ordnet ein, hakt nach. Persönlich, ehrlich und mit einem echten Mehrwert. Dafür spricht sie mit Persönlichkeiten der Szene, Expertinnen und Experten und gibt euch den absoluten Rundumblick. Gemeinsam taucht ihr tief ein in die Startup-Welt.
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Quelle: ntv.de