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Seit Jahrmillionen ohne Sex Evolution der Rädertierchen

Sie haben seit 40 Millionen Jahren kein Sex, aber dennoch leben die mikroskopisch kleinen Rädertierchen in fast allen Teichen und Tümpeln. Das ließ Biologen schon lange rätseln, denn wie passen sich die Organismen ohne Gen-Austausch an wechselnde Umweltbedingungen an? Einer neuen Untersuchung zufolge nehmen die winzigen Wassertiere dafür zahlreiche Gene fremder Lebewesen aus ihrer Umgebung auf – unter anderem von Bakterien, Pilzen und Pflanzen.

Horizontaler Gentransfer

Dieser so genannte horizontale Gentransfer ist bei Vielzellern sehr selten, berichten US-Forscher im Journal "Science". Sie hatten die Erbgut-Adoption bei Rädertierchen aus der Gruppe der Bdelloidae festgestellt. Die Resultate können möglicherweise klären, wie es die Wassertierchen geschafft haben, sich in mehr als 300 Arten auszuspalten, obwohl sie sich nicht paaren.

Die sexuelle Vermehrung – verbunden mit dem Austausch von Erbgut zwischen zwei Individuen einer Art – gilt als Voraussetzung für die Anpassung an neue Lebensräume und Umweltbedingungen und damit als Voraussetzung für das langfristige Überleben einer Art. Bei den Bdelloidae-Rädertierchen aber gibt es ausschließlich weibliche Vertreter und keinen Sex. Die Tiere vermehren sich dennoch seit rund 40 Millionen Jahren. Dazu bilden sie Eier mit einer Kopie ihres eigenen Erbguts.

Fremdes Enzym funktioniert

Komplett verzichten die Tierchen aber nun scheinbar doch nicht auf fremdes Erbgut, wie Irina Arkhipova und ihre Mitarbeiter von der Universität Harvard (Cambridge/US-Staat Massachusetts) herausfanden. Scheinbar bedienen sie sich bei anderen Lebewesen, sogar bei solchen ganz anderer Stämme. Die Forscher fanden die Fremdgene bevorzugt an den Enden der Chromosomen. Sie zeigten, dass zumindest einige der Gene ihre Aktivität in ihrer neuen Umgebung behielten.

So bildete eine der fremden Erbanlagen ein funktionsfähiges Enzym. Möglicherweise nehmen die Rädertierchen die Gene auf, nachdem sie ausgetrocknet sind – das passiert ihnen in ihren Lebensräumen zuweilen. Dabei wird das genetische Material der Rädertierchen brüchig, die Zellmembranen rissig. Sobald wieder Wasser vorhanden ist, rekonstruieren die Tierchen ihr Genom und erwachen zu neuem Leben – eine gute Gelegenheit, Erbgutfragmente anderer Arten ins eigene Erbgut einzubauen.

"Im Prinzip gibt ihnen das die Gelegenheit, die Vorteile der gesamten in der Umwelt vorhandenen genetischen Information zu nutzen", beschreibt es der beteiligte Forscher Eugene Gladyshev. Es sei noch zu erforschen, inwieweit dies den Tieren tatsächlich bei der Anpassung an neue Lebens- und Umweltbedingungen helfe. Fest stehe aber, dass die Aufnahme fremden Erbguts bei ihnen häufig vorkomme.

Quelle: ntv.de

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