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Quallenfresser in giftigem Schlamm Grundeln leben extrem und gut

Eine Süßwassergrundel aus dem Schwarzen Meer: Ihre Salzwasserverwandte, die Grundel aus dem Benguelastrom, hat sich erfolgreich an ihre extremen Lebensbedingungen angepasst.

Eine Süßwassergrundel aus dem Schwarzen Meer: Ihre Salzwasserverwandte, die Grundel aus dem Benguelastrom, hat sich erfolgreich an ihre extremen Lebensbedingungen angepasst.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Meergrundeln sind zur Hauptbeute für viele Fische vor der Küste Namibias geworden - und es geht ihnen trotzdem gut. Der Grund: Sie haben sich an ihre Umgebung angepasst.

Die Küste vor Namibia war lange Zeit ein ergiebiges, scheinbar unerschöpfliches Fanggebiet. Dort fließt der kalte, an Sauerstoff und Plankton reiche Benguelastrom entlang und schafft die Grundlage für ein produktives Ökosystem.

Nach dem ungebremsten Fang und dem Zusammenbruch der Sardinenbestände wurden Meergrundeln zur Hauptbeute für zahlreiche Fischarten der Region. Statt nun aber selbst zugrunde zu gehen, gedeihen die kleinen Fische prächtig. Wissenschaftlern gab dies bislang ein Rätsel auf. Den Grundeln geht es so gut, weil sie Quallen fressen und im sauerstoffarmen, giftigen Schlamm am Meeresgrund überleben können. Damit haben sie sich bestmöglich an die teils lebensfeindlichen Bedingungen angepasst.

Die Untersuchung zeigt auch, wie gründlich der Mensch marine Ökosysteme ändern kann. Ökologen warnen seit langer Zeit davor, dass sich der Mensch mit riesigen Netzen und starken Trawlern vielfach "von oben nach unten" durch die Nahrungsketten fischt: Zunächst jagen die Fischer große Raubfische, dann deren kleineren Verwandten und Beutefische und danach immer kleinere Arten – das komplizierte Geflecht aus fressen und gefressen werden gerät dabei durcheinander.

Quallen als "Sackgasse"

Die Gewässer vor der Südwestküste Afrikas gehörten einst zu den fischreichsten Meeresgebieten der Welt. Doch in den 1960er und 70er Jahren überfischten industrielle Fangflotten die Region. Den freien Platz im Ökosystem nahmen Quallen ein – sie fraßen, was sonst die Sardinen gefressen hatten und vermehrten sich immens. Quallen selbst haben selbst wenige Fressfeinde, Forscher bezeichnen sie daher auch als "Sackgasse" in der Nahrungskette.

Wie die Untersuchung der Forscher um Mark Gibbons von der University of Western Cape in Südafrika nun zeigte, haben die Quallen vor der Südwestküste Afrikas aber zumindest einen natürlichen Feind: die Meergrundel Sufflogobius bibarbatus.

Untersuchungen des Mageninhaltes sowie Isotopen-Analysen der Fische und ihrer potenziellen Beute zeigten eindeutig, dass die Grundeln Quallen fressen. Mindestens 17 bis maximal 60 Prozent ihrer Nahrung besteht aus den glibberigen Tieren, schreiben die Forscher. Da die Grundeln wiederum selber von anderen Fischen gefressen werden, integrierten sie somit die Quallen wieder in die Nahrungskette, schreiben die Forscher im Journal "Science". Ihre Studie war kein Teil des Census of Marine Life.

Tote Zone am Meeresgrund

Viel erstaunlicher aber, als dass sie die durchscheinende Beute fressen, ist, wo die Grundeln leben und auf Beute lauern: in einer toten Zone am Meeresgrund. Entlang des Küstenschelfs von Namibia bis nach Südafrika gibt es einen Auftrieb von nährstoffreichem, kalten Wasser. In dieser Zone herrscht eine hohe Produktivität und das Plankton vermehrt sich stark.

Totes Plankton sinkt schließlich mit den überschüssigen Nährstoffen auf den Meeresboden, wo dann durch intensive Abbauprozesse viel Schwefelwasserstoff und Methan gebildet werden. In dem giftigen Schlamm können nur Bakterien und einige niedere Lebewesen überleben. Gelegentlich kommt es zu einem plötzlichen Ausbruch von Schwefelwasserstoffgasen, der ein Massensterben von Fischen zur Folge hat.

Genau in dieser toten Zone nun scheinen sich die Meergrundeln überaus wohl zu fühlen. Tagsüber liegen sie teils mehrere Stunden direkt auf dem sauerstoffarmen Schlammboden; fühlen sie sich bedroht, graben sie sich sogar darin ein. Der Sauerstoffmangeln scheint den Fischen dabei nichts anzuhaben. Berührten die Forscher die Grundeln, stoben die Tiere auch nach Stunden in der toten Zone noch blitzschnell davon. Da andere Fische, wie etwa der Seehecht, in der Umgebung nicht überleben können, sind die Grundeln dort vor ihren Feinden sicher.

Erfolgreiche Anpassung

Sie fressen während des Tages vermutlich am Boden lebende Ringelwürmer. Nachts steigen die Grundeln dann vom Boden auf und machen Jagd auf die Quallen, berichten die Wissenschaftler. Weitere Untersuchungen zeigten, dass Grundeln, die vom Boden aufstiegen, einen volleren Darm hatten und der Mageninhalt weniger verdaut war als bei absteigenden Grundeln. Die Forscher vermuten deshalb, dass die Tiere in dem sauerstoffreichen oberen Gewässerschichten auch verdauen. Eine verzögerte Verdauung aufgrund von Sauerstoffmangel sei ein bislang unbekanntes Phänomen.

Organismen die extreme Bedingungen tolerieren können, haben gute Voraussetzungen, um sich in einer stark gewandelten Umgebung erfolgreich durchzusetzen. Die Grundeln haben dies in dem Ökosystem vor der Küste Namibias geschafft und werden vermutlich auch in der Zukunft weiter dort erfolgreich sein, schreiben die Wissenschaftler.

Quelle: ntv.de, dpa

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