Geburtshilfe in Deutschland Immer mehr Kaiserschnitte
07.02.2007, 12:56 UhrUS-Schauspielerin Angelina Jolie, Popsängerin Britney Spears und Model Claudia Schiffer haben eines gemeinsam: Ihre Babys kamen per Kaiserschnitt zur Welt - ein auch in Deutschland wachsender Trend. Mehr als jede vierte Schwangere (28 Prozent) entbindet im Krankenhaus auf diese Weise. Damit ist der Anteil der Geburten per Kaiserschnitt laut Statistischem Bundesamt von 1995 bis 2005 um zehn Prozentpunkte gestiegen. "Auf 30 Prozent geht das sicher noch hoch", sagt der zweite Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, Prof. Klaus Vetter.
Eine von vielen Ursache sieht Vetter in dem wachsenden Alter der Schwangeren: "23 Prozent sind inzwischen in Berlin über 35 Jahre alt, das war früher eine Rarität." Mit dem Alter nähmen etwa Stoffwechselstörungen wie Diabetes zu. In Folge der Behandlung von Fruchtbarkeitsproblemen gebe es auch mehr Zwillingsgeburten. Zudem steige die Zahl der Säuglinge, die mit mehr als vier Kilo zu eng für den Geburtskanal seien. Das Risiko eines Kaiserschnitts sinke gleichzeitig ständig, eine Vollnarkose sei die Ausnahme.
Für Frauen, die nur ein Kind bekämen, sei das Risiko eines Kaiserschnitts nicht höher als das einer natürlichen Geburt, sagt Vetter. "Allerdings kaufe ich mir mit dem Kaiserschnitt das Risiko auf die nächste Schwangerschaft ein." Viele Schwangere pochten aber mit dem Wunsch nach einem Kaiserschnitt auch auf ihre Selbstbestimmung. Eine Geburt über 48 Stunden lasse sich außerdem niemand mehr gefallen. "Die vaginale Geburt ist aber noch das Normale." Viele angehende Mütter ahnten, "dass sie ein Erlebnis ist, wie den Mount Everest bestiegen zu haben und wollen das nicht missen".
Der Anteil der Wunschkaiserschnitte ist nach Darstellung des hessischen Landesvorsitzenden des Berufsverbands der Frauenärzte, Klaus König, völlig unklar. Er sei in den Städten aber höher als auf dem Land. Viele Frauen wollten keine Schmerzen und hätten Angst um ihren Beckenboden und vor Inkontinenz. Für viele seien auch die "Filmsternchen" Vorbild, die ihre Babys per Kaiserschnitt zur Welt bringen. König weist aber auch auf das Sicherheitsbedürfnis der Mediziner hin. "Ein Arzt, der keinen Kaiserschnitt macht und es passiert etwas, sieht sich vor Gericht wieder."
Der Bund Deutscher Hebammen (BDH) kritisiert, einer ängstlichen Schwangeren, werde zu schnell die Operation als Lösung angeboten. "Wir haben verlernt, dass eine menschliche und emotional-aufrichtige Begleitung die Antwort ist, und eben nicht ein Mehr an Technik", sagt BDH-Sprecherin Edith Wolber. Viele Frauen, die älter als 34 seien und damit automatisch als Risikoschwangere gelten, hätten gelernt, ihr Leben zu managen und nähmen diese Haltung mit in die Schwangerschaft. Der Kaiserschnitt sei aber "kein Akt der Freiheit". "Er nimmt den Frauen die Kraft und das Vertrauen in die eigene Kompetenz. Eigenschaften, die sie im Leben mit Kindern dringend brauchen."
Quelle: ntv.de