Wissen

"Potenziell desaströs" Meeresspiegel steigt schneller

Dass der Meeresspiegel seit 130 Jahren steigt, ist bekannt. Schwankungen gab es aber auch in den vergangenen Jahrhunderten. Also ist jetzt alles ganz normal? Kaum - denn früher vollzog sich das Wachstum viel langsamer als in den letzten Jahrzehnten. Das Problem: Der Anstieg des Meeresspiegels wirkt selbstbeschleunigend.

Das Landeis schmilzt rasant.

Das Landeis schmilzt rasant.

(Foto: picture alliance / dpa)

Infolge der Erderwärmung steigt der Meeresspiegel heute schneller als je zuvor in den vergangenen 2000 Jahren. Seit Beginn der Industrialisierung gehe die Kurve "steil nach oben", erklärte das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Insgesamt stieg der Meeresspiegel seit Ende des 19. Jahrhunderts um rund 20 Zentimeter. Dieser Anstieg sei "um ein Mehrfaches schneller als alles, was es in den vorangegangenen 2000 Jahren gegeben hat", schreibt ein internationales Forscherteam in einer Studie, die nun in der US-Fachzeitschrift "Proceedings of the National Academy of Sciences" erschienen ist.

Die Wissenschaftler unter anderem aus Deutschland haben Ablagerungen an der Atlantikküste der USA untersucht und die Veränderungen des Meeresspiegels rekonstruiert. Zumindest in den vergangenen 1000 Jahren könne das Auf und Ab der globalen Durchschnittstemperatur das Verhalten des Meeresspiegels erklären, schreiben die Forscher. Bislang war der enge Zusammenhang zwischen Lufttemperatur und Meeresspiegelanstieg nur für die vergangenen 130 belegt worden. Die neuen Daten erhärten demnach die Annahme, dass der Meeresspiegel umso rascher steigt, je wärmer das globale Klima wird.

"Potenziell desaströse Folge des Klimawandels"

Das zeitliche Zusammentreffen des beschleunigten Meeresspiegelanstiegs mit dem Beginn der Industrialisierung werten die Wissenschaftler als deutlichen Hinweis darauf, dass der Mensch mit seinen Treibhausgasen das Klima immer weiter aufheizt. "Der Anstieg des Meeresspiegels ist eine potenziell desaströse Folge des Klimawandels, weil steigende Temperaturen das Eis an Land schmelzen lassen und das Wasser der Ozeane erwärmen", erklärte Benjamin Horton von der University of Pennsylvania, einer der Autoren. Wird Wasser erwärmt, dehnt es sich aus, und der Meeresspiegel steigt. Die zweite wesentliche Ursache sei das Abschmelzen von Gebirgsgletschern und großer Eismassen in Grönland und der Antarktis, wodurch zusätzliches Wasser ins Meer gelangt.

Die Geschwindigkeit, mit der der Meeresspiegel ansteigt, nimmt zu: Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts geht die Kurve steil nach oben.

Die Geschwindigkeit, mit der der Meeresspiegel ansteigt, nimmt zu: Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts geht die Kurve steil nach oben.

(Foto: Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung)

Die Forscher haben in Bohrkernen aus Salzwiesen an der nordamerikanischen Küste fossile Kalkschalen von Einzellern untersucht, die ein natürliches Archiv der Pegelstände des Ozeans sind. Menge und Art dieser Kalkschalen zeigen den Wasserstand vergangener Jahrhunderte an, weil die Arten jeweils in einer ganz bestimmten Höhe im Gezeitenbereich leben.

Die Daten zeigen demnach vier Phasen: Von 200 vor Christus bis zum Jahr 1000 nach Christus war der Meeresspiegel stabil. Ab dem 11. Jahrhundert stieg er 400 Jahre lang um etwa fünf Zentimeter pro Jahrhundert an. Diesen Anstieg konnten die Forscher in Modellrechnungen mit der mittelalterlichen Warmperiode erklären. Es folgte eine weitere stabile Periode mit kühlerem Klima, die bis ins späte 19. Jahrhundert reichte. Seither ist der Meeresspiegel im Zuge der globalen Erwärmung um rund 20 Zentimeter angestiegen.

Quelle: ntv.de, AFP

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen