Wissen

Ein langer Weg National-Akademie der Wissenschaft

Eine Deutsche National-Akademie der Wissenschaften mit Sitz in Berlin - und das noch im wiederaufgebauten Stadtschloss der Hauptstadt? Was bisher angesichts der stets auf ihre Kulturhoheit pochenden Bundesländer in Deutschland nicht realisierbar war, scheint jetzt - ausgerechnet nach der Föderalismusreform - auf einmal nahe. Mit Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) hat das Projekt eine prominente Fürsprecherin bekommen. Am kommenden Dienstag wollen die Wissenschafts-Staatssekretäre von Bund und Länder erstmals über das Konzept beraten.

Nationale Wissenschaftsakademien existieren in vielen Staaten. Als traditionsreiche Institutionen haben sie im Laufe von Jahrhunderten hohes Ansehen erworben, wie etwa die "Royal Society" in London (gegründet 1660) oder die "Acadmie des Sciences" in Paris (1666) oder die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften (1739), die seit 1901 jährlich den Nobelpreis vergibt.

In Deutschland hingegen sind bisher alle Vorstöße zur Gründung einer Nationalakademie gescheitert - zuletzt Mitte der 90er Jahre, als unions- wie SPD-geführte Bundesländer dem damaligen Bundesforschungsminister Jürgen Rüttgers (CDU) die rote Karte für sein ehrgeiziges Zukunftsprojekt zeigten. Die DDR-Akademie der Wissenschaften war gleich mit dem Einigungsvertrag aufgelöst worden. Gleichwohl bestehen in den einzelnen Bundesländern mehrere angesehene Einrichtungen, allen voran die älteste deutsche Akademie, die 1652 gegründete "Akademie der Naturforscher Leopoldina" in Halle.

Kritiker des neuen Anlaufs machen geltend, dass es den Initiatoren gar nicht um die Gründung einer eigenständigen "Deutschen National- Akademie" geht, sondern vielmehr um die bloße Zusammenführung bestehender Akademien unter einem Dach. Denn Grundlage der Bund- Länder-Beratungen ist zunächst ein Konzept mit dem Titel "Deutsche Akademien der Wissenschaften (DAW)", auf das sich die in der "Union der Deutschen Akademien" zusammengeschlossenen Länder-Institutionen in Berlin-Brandenburg, Düsseldorf, Göttingen, Heidelberg, Leipzig, Mainz und München verständigt haben. Unterstützt werden sie von den Technik-Akademien (acatech). Auch mit der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) ist das Konzept inzwischen abgestimmt.

Danach sollen die bestehenden Akademien künftig 200 hochkarätige Wissenschaftler in ein "Konzil der Deutschen Akademien" entsenden, das sich mindestens einmal pro Jahr zur Vollversammlung trifft und Arbeitsgruppen zu Fachthemen bildet. Das Modell orientiert sich am amerikanischen Vorbild, wo einzelne Akademien zwar selbstständig arbeiten, darüber hinaus die gemeinsame Institution "The National Academies" bilden. Aufgaben des neuen Wissenschaftler-Konzils sollen Politikberatung, gesellschaftliche Analyse von Zukunftsproblemen sowie die Repräsentanz der deutschen Wissenschaft auf dem weltweiten Parkett sein. Die Berliner Geschäftsstelle des Konzils soll nach den Vorstellungen der Initiatoren über einen Etat in einstelliger Millionenhöhe verfügen.

Nun werden diese Aufgaben heute schon durch eine Vielzahl anderer Institutionen wahrgenommen. Es gibt den Nationalen Ethikrat, der derzeit umgestaltet wird, unzählige wissenschaftliche Beiräte für Ministerien und Organisationen, Enquete-Kommissionen und andere Experten-Gremien. DFG und MPG unterhalten nicht nur in Brüssel eigene Auslandsrepräsentanzen. Befürchtet wird, die Nationalakademie werde bloß eine weitere Institution in diesem großen Reigen sein. Skeptisch sind viele auch bei der Vorstellung, mit einem solchen Konzil könne die Wissenschaft bei grundlegenden Problemen tatsächlich nach außen mit einer Stimme sprechen. "In der Wissenschaft gibt es so viele Meinungen wie Wissenschaftler", so der angesehene Naturforscher Alexander Kekul (Halle) dazu.

Doch unabhängig von der teilweise heftigen Kritik an Details des vorliegenden Konzepts - die Kernidee einer neuen Nationalakademie findet heute in der Wissenschaft und Politik keinen namhaften Widerspruch mehr. Von Bundespräsident Horst Köhler wird dazu am 21. September ein klares Signal erwartet, wenn er die Bildungspolitik zum Thema einer Grundsatzrede machen will.

Karl-Heinz Reith, dpa

Quelle: ntv.de

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