Rohstoffreiches, aber armes Südamerika Natur ist zweitrangig
06.04.2010, 07:57 Uhr
Gestört in seinem Lebensraum: der Kormoran.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Peru und Ecuador besitzen viele Rohstoffe. Die Bevölkerung ist dennoch arm. So gehen kurzfristige wirtschaftliche Interessen vor den Schutz der einzigartigen Naturreservate.
Der Machuhuasi-See dampft in der Mittagshitze. Die Touristen auf dem Floß halten den Atem an. Direkt über ihnen sitzen in einem Regenwaldbaum zwei riesige Kormorane. Plötzlich durchbricht ein lautes Knattern die Stille. Die Vögel verschwinden im Schilf. Über dem Blätterdach steht ein Helikopter in der Luft. "Sie bringen Bauteile für eine Öl-Probebohrung", erklärt Michel Mora, der Reiseleiter. Seit Wochen, erzählt er den deutschen Besuchern, fliegen die Helikopter täglich über dem See, denn eine Straße gibt es hier im Manu-Nationalpark im peruanischen Amazonasgebiet nicht - noch nicht.
Ist ein Nationalpark nicht ein Schutzgebiet, in dem wirtschaftliche Ausbeutung tabu sein sollte? Die Unesco definiert Naturreservate und Nationalparks als besonders erhaltenswerte "lebende Laboratorien", die dazu dienen, die Artenvielfalt des Planeten zu bewahren. Sie werden eingerichtet, bezahlt und verwaltet von den Regierungen der Länder, in denen sie liegen. Das ist auch der Haken dabei: Es gibt keine "harten Gesetze", die die Länder verpflichten, den Schutz von Reservaten über kurzfristige wirtschaftliche Interessen zu stellen.
Viele arme Länder können es sich kaum leisten, auf eine Ausbeutung von Bodenschätzen zu verzichten - auch wenn diese unter Nationalparks liegen. Peru ist arm: Nach Angaben der Welthungerhilfe muss das Land 26 Prozent seines Staatshaushaltes für die Tilgung von Auslandsschulden aufbringen. Mehr als die Hälfte der Peruaner lebt unter der Armutsgrenze.
Ecuador kämpft für Yasuní-Nationalpark

Unter dem Yasuní-Nationalpark befindet sich ein Fünftel der Ölvorkommen Ecuadors.
(Foto: picture alliance / dpa)
Auch in Perus Nachbarland Ecuador bleiben Naturreservate nicht unberührt: Ab Juni wird in den Schutzzonen Cuyabeno und Limoncocha Öl gefördert, befürchtet Guadalupe Rodríguez von der Organisation "Rettet den Regenwald". Präsident Rafael Correa will zumindest den Yasuní-Nationalpark im Norden Ecuadors erhalten - obwohl der auf einem Fünftel der Ölvorkommen Ecuadors liegt. In dem Gebiet leben nach Schätzungen der Umweltorganisation "Save America's Forests" mehr Tier- und Pflanzenarten als in irgendeinem anderen Gebiet vergleichbarer Größe. Viele davon sind vom Aussterben bedroht.
Correa hat der Staatengemeinschaft vorgeschlagen, auf die Förderung der Bodenschätze unter dem Nationalpark zu verzichten, wenn sie ihm die Hälfte der dadurch entgangenen Einnahmen ersetzt, 7,2 Milliarden Dollar (5,2 Milliarden Euro). Das sieht nach viel Öl aus, doch die geschätzten 412 bis 930 Millionen Barrel unter Yasuní würden den weltweiten Ölbedarf nur für wenige Tage decken: Nach Angaben des US-Energieministeriums wurden 2007 täglich 85,8 Millionen Barrel Öl gefördert. Die Wälder seien wichtige Speicher des Klimakillers Kohlendioxid und zugleich ein einmaliges und unwiederbringliches Ökosystem, argumentiert Correa.
Peru gibt Regenwald frei

Nicht nur der Regenwald Perus ist von der Ölförderung betroffen, sondern auch die dort lebenden Völker.
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Für den Präsidenten Perus, Alan García, spielen solche Erwägungen bisher keine Rolle. Mehr als 60 Prozent der Landesfläche Perus sind von Regenwald bedeckt. Davon hat die Regierung in den vergangenen Monaten 41 Prozent für die Förderung von Öl und Gas freigegeben, wie die Zeitschrift "Environmental Research Letters" schreibt. Betroffen seien ein Fünftel aller Naturschutzgebiete und 60 Prozent der Territorien von Indigenen, die keinen Kontakt zur Außenwelt wünschen, heißt es in dem Artikel. Die Ölförderung in Amazonasgebieten müsse verhindert werden, da sie in der Vergangenheit "schwerste ökologische und soziale Schäden angerichtet" habe.
In Salvación nahe dem Machahuasi-See haben die Arbeiter der staatlichen Ölfirma Petroperú inzwischen mit Probebohrungen begonnen. Niemand hält sie auf, auch nicht die Indigenen, die in einem Dorf nebenan wohnen: Die Regierung hat ihnen eine Straße gebaut, deshalb schweigen sie jetzt. "Wenn wir hier Öl finden, werden eine französische und eine kanadische Firma kommen und es fördern", sagt ein Arbeiter. Und der Nationalpark? "Für die Regierung ist der Wald zweitrangig."
Es wird ihn so wie jetzt nicht mehr geben, wenn Straßen und Pipelines das Ökosystem zerschnitten, Petroarbeiter Städte gebaut haben und giftige Abwässer die Flüsse verschmutzen. Davon fallen bei der Ölförderung pro Barrel Rohöl etwa neun Barrel an. Reich wird die Ölförderung das Land wahrscheinlich nicht machen: Bolivien, Peru, Ecuador gehören zusammen mit Venezuela zu den rohstoffreichsten Ländern Südamerikas und fördern seit 70 Jahren Öl. Zugleich sind sie die ärmsten Länder des Kontinents.
Quelle: ntv.de, Friederike Rüll, dpa