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Gegen Schlankheitswahn Politik mischt sich ein

Extrem dürre Models sollen aus Werbung und Modeschauen verbannt werden. Im Kampf gegen die massive Verbreitung von Essstörungen bei Mädchen und jungen Frauen haben die Bundesregierung und zahlreiche Prominente daher eine Selbstverpflichtung der Werbe- und Modebranche gefordert. Zudem sollen Aufklärung und Forschung stark ausgebaut werden, hieß es zum Start der Kampagne "Leben hat Gewicht - gemeinsam gegen den Schlankheitswahn" in Berlin.

"Magermodels gehören weder auf den Laufsteg noch in die Werbung", sagte Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD). "Wir wollen andere Vorbilder", so Schmidt. "Dürrsein darf nicht länger als schick gelten, sondern muss ein Schock sein", verlangte "Emma"-Herausgeberin Alice Schwarzer, die die Initiative angestoßen hatte.

"Wenn falsche Bilder und Vorbilder wirken, dann kann es auch gelingen, dass Bilder des Authentischen wirken", sagte Forschungsministerin Annette Schavan (CDU). Designerin Jette Joop nannte eine Selbstverpflichtung ihrer Branche "eine gute Idee". Auch Gesundheitsatteste für Models könnten ein Schritt sein.

Erschreckende Zahlen

Schmidt verwies auf die "erschreckenden Zahlen" der ersten umfassenden deutschen Studie zu Essstörungen mit 17.600 Jugendlichen. Rund 22 Prozent der 11- bis 17-Jährigen zeigen nach der vom Robert Koch-Institut durchgeführten Untersuchung Symptome einer Essstörung. Während der Anteil bei Jungen mit dem Alter abnimmt, steigt er bei Mädchen mit 17 Jahren auf 30 Prozent an. Das Problem habe in den vergangenen Jahren zugenommen, sagte Schmidt. Magersucht entwickelt sich häufig bereits ab einem Alter von 12 Jahren.

"Magersucht ist überwiegend weiblich, und sie ist sehr jung", sagte Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU). Neun von zehn Betroffenen seien weiblich, jede zehnte Kranke sterbe daran. Bereits Familie und Kindertagesstätte müssten auf natürliche Ernährung abzielen. "Essen ist nicht Belohnung, ist nicht Bestrafung", mahnte die Ministerin. Internetforen, in denen falsche Schlankheitsideale gefeiert würden, müssten vom Betreiber freiwillig geschlossen werden. Verbote müssten durchgesetzt werden, wenn Nutzer gefährdet seien.

"Massenpsychose der westlichen Welt"

Schwarzer rief dazu auf, Essstörungen endlich als zentrale "Massenpsychose der westlichen Welt" und vorherrschende Sucht bei Frauen in den Blick zu nehmen. Länder wie Großbritannien, Spanien oder Italien seien weiter. Teil der deutschen Kampagne sollen unter anderem auch mit Millionensummen geförderte Modellprojekte wie verbesserte Therapien und ein Expertengremium sein, das weitere Aktivitäten beraten soll.

Der Sprecher des Zentralverbandes der Deutschen Werbewirtschaft und des Deutschen Werberates, Volker Nickel, warf der Bundesregierung im "Saarländischen Rundfunk" "populistische Verlogenheit" vor: "Der Werbung wird mal wieder alles in die Schuhe geschoben." Die Düsseldorfer Modemesse-Gesellschaft Idedo Company signalisierte hingegen Unterstützung. "Die Mode, die wir auf den Laufstegen präsentieren, ist für Durchschnittsfrauen und Männer, die sich nicht nur von Gurken und Salat ernähren", sagte der Sprecher der Gesellschaft, die zweimal jährlich die weltgrößten Modemessen veranstaltet. Die frauenpolitische Fraktionssprecherin der Grünen, Irmingard Schewe-Gerigk, mahnte, die Kampagne dürfe "keine Eintagsfliege sein".

Quelle: ntv.de

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