Schweiß statt Qualm Rauchfreie Diskos
20.12.2007, 21:11 UhrNach dem Ausgehen nicht gleich die verrauchte, stinkende Kleidung waschen zu müssen - für viele Menschen in Deutschland eine attraktive Vorstellung. Bald wird sie flächendeckend Wirklichkeit sein: Nach und nach wird derzeit in allen Bundesländern der Nichtraucherschutz per Gesetz gestärkt. Das Rauchen wird aus Lokalen und Restaurants verbannt. Aus den Ländern, in denen schon ein Rauchverbot in Clubs, Bars und Kneipen gilt, gibt es erste Erfahrungen: Vor allem in Diskotheken kann wegen der schwitzenden Tänzer bisweilen dicke Luft herrschen.
Eine Nacht in Berlin - die Hauptstadt ist Ende 2007 noch eine Art Raucherparadies. Im angesagten Club "Berghain" ist es voll, laut und es riecht nach Rauch. Ähnlich ist es auch noch in Bars in Hamburg oder Bierschwemmen in Bayern. Im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen soll die Freiheit zum Qualmen sogar noch bis Anfang Juli bestehen bleiben.
Im Nachbarbundesland Hessen greift bereits seit 1. Oktober ein umfassendes Rauchverbot in öffentlichen Räumen. Der Nachtschwärmer Tämur Ali Khan (31) in Frankfurt sagt: "Ich war immer unentschlossen, ob ich das Rauchverbot befürworte oder nicht." Nach ersten Erfahrungen in den vergangenen Wochen sieht er die Sache so: "In Kneipen finde ich es jetzt sehr angenehm. In Clubs aber denke ich manchmal, es sollte wieder geraucht werden dürfen. Denn statt nach Qualm stinkt es an Tanzflächen und Bars nun nach Schweiß." Das könne ein ziemlich beißender Geruchscocktail sein. "Für die Nase viel stressiger als der Einheits-Zigarettengestank", findet Tämur.
Hohe Duftkonzentration
Woran dieses subjektive Empfinden liegen könnte, erklärt der Riechforscher Hanns Hatt, Professor für Zellphysiologie an der Universität Bochum. Er sagt, die Duftkonzentration von Rauch sei meist sehr hoch, weshalb man ihn bevorzugt rieche. "Zigaretten geben mit ihrem Rauch Duftstoffe ab. Befindet man sich in einem Raucherraum, werden diese Stoffe mit allen anderen Gerüchen zusammen eingeatmet. Sie überlagern und stören jedoch deren Erregungsmuster."
Zigaretten mit ihren Giftstoffen wie Nikotin erregen auch Sensoren auf dem Warn- und Schmerznerv "Nervus Trigeminus", sagt Hatt. "Dieser Nerv hat die Aufgabe, uns vor Gefahren zu warnen. Wird er gereizt, reagiert das Gehirn sofort, indem der Duft in unser Bewusstsein kommt."
Das sei ein Grund dafür, warum man in Gegenwart von Rauch oft keine schwächeren Blumen-, Essens- oder Schweißdüfte mehr rieche. In den meisten Gourmet-Restaurants herrsche deshalb schon seit langem ein Rauchverbot, da sonst die Nuancen eines feinen Gerichts nicht wahrzunehmen seien, sagt Hatt. Für Diskotheken bedeutet das wohl, dass angesichts überparfümierter, schwitzender Menschen um einen herum die Sehnsucht nach Zigarettengeruch wiedererstehen kann.
Von Gregor Tholl, dpa
Quelle: ntv.de