Fremde Pflanzen in Europa Sauerklee auf dem Vormarsch
24.10.2008, 08:37 UhrIn Europa haben sich bislang 5789 fremde Pflanzenarten breitgemacht. Das geht aus der bislang größten Untersuchung dieser Art hervor. Pro Jahr kommen durchschnittlich etwa sechs neue Arten hinzu. 2843 der Gewächse haben ihren Ursprung außerhalb Europas, schreibt eine internationale Forschergruppe um Petr Pysek von der tschechischen Akademie der Wissenschaftler im Journal "Preslia". Viele andere Pflanzen waren einst nur in einigen europäischen Regionen beheimatet und haben sich innerhalb des Kontinents verbreitet.
1980 wurden nur 1568 gebietsfremde Arten registriert. Damit hat sich deren Anzahl in den vergangenen 28 Jahren mehr als verdreifacht. Für die Untersuchung wurden Daten aus 48 europäischen Ländern und Regionen ausgewertet. Die Studie ist eines der Resultate des EU-Projektes DAISIE (Delivering Alien Invasive Species Inventories for Europe). Dafür wurden für die Länder Europas erstmals alle bekannten pflanzlichen Einwanderer erfasst, eine Internet-Datenbank macht die Informationen zugänglich. Beteiligt waren Forschungseinrichtungen und Organisationen aus 15 Nationen.
60 Prozent auf Äckern
Hier heimisch gewordene Pflanzen finden sich vor allem auf Industrie- und Brachflächen (64,1 Prozent kommen dort vor). Auf Äckern wachsen 58,5 Prozent. In Sümpfen, Mooren und auf Marschland sind hingegen nur 10 Prozent der Einwanderer zu finden. Als Fremdling (Neophyt) gelten Pflanzen, die sich nach der Entdeckung Amerikas vor rund 500 Jahren ausgebreitet haben. Gebietsfremde Pflanzen, die bereits früher zu uns kamen, zum Beispiel mit Beginn des Ackerbaus in der Jungsteinzeit oder durch den Handel der Römer – wie beispielsweise die Esskastanie –, werden als Archäophyten bezeichnet.
Mehr als die Hälfte aller Arten (52,2 Prozent) kamen als Zier- und Gartenpflanzen in ihr neues Gebiet. 1091 Pflanzen wurden mit anderem Saatgut, durch Sand- oder Kiestransporte oder mit anderen Massengütern verbreitet. Nicht aus Europa stammende "Aliens” haben ihr natürliches Verbreitungsgebiet in 45,8 Prozent in Nord- und Südamerika, 45,9 wachsen in Asien, 20,7 in Afrika und 5,3 in Australien und den angrenzenden Regionen. Einige sind auf mehreren Kontinenten heimisch. Die Inventarisierung soll dabei helfen, europaweite Strategien zum Schutz der biologischen Vielfalt zu entwickeln. Neue Arten, die Ökosysteme nachhaltig verändern, indem sie beispielsweise einheimische Arten verdrängen, gelten als eine der größten Gefährdungen für die Biodiversität.
Eines der Beispiele ist der Nickende Sauerklee (Oxalis pes-caprae). Die Pflanze hat ihren Ursprung in Südafrika und wurde erstmals 1757 in London nachgewiesen. Der Weg lässt sich über Sizilien (1796), Sardinien (1859) und Kreta (1883) verfolgen. Damit nicht genug: weitere Berichte stammen aus Nordafrika, Südwestasien, Pakistan und Indien, Australien, Neuseeland, Japan und China. Die zunächst als Schmuckblumen beliebten Pflanzen verbreiten sich unter anderem durch die Landwirtschaft.
Sauerklee lässt Ziegen sterben
Der Sauerklee kann andere Arten verdrängen, Ernten schmälern. Seine Blätter enthalten große Mengen giftiger Oxalate, was auf Wiesen zu einer Gefahr fürs Vieh werden kann. Auf Sardinien und Menorca starben bereits Schafe und Ziegen daran, heißt es auf den Internet-Seiten des DAISIE-Projektes. Olivenbauern stören sich an der neuen Bodenbedeckung, die das Aufsammeln der Früchte behindert. Von Nutzen sei, dass die Pflanzen manche anderenfalls kahle Böden bedeckten und Nahrung für Bienen lieferten. In Deutschland ist das Gewächs noch nicht zu beklagen, in Frankreich schon.
Das bayerische Landesamt für Umwelt weist darauf hin, dass nur wenige Neulinge in unserem Klima selbstständig überleben und sich noch weniger dieser Arten stark ausbreiten. "Als Faustregel kann die so genannte Zehner-Regel angewendet werden", erklärt das Amt. 10 Prozent der eingeführten oder eingeschleppten Arten halten sich hier unbeständig, 90 Prozent verschwinden also nach kurzer Zeit wieder. 10 Prozent davon können sich dauerhaft in naturnahen Lebensräumen etablieren, und von diesen eingebürgerten Arten führen rund 10 Prozent zu unerwünschten Auswirkungen.
Quelle: ntv.de