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Fiktion oder Gefahr? Schwarzes Loch frisst Erde

Im Forschungszentrum CERN (Conseil Europen pour la Recherche Nuclaire) in der Schweiz wird noch dieses Jahr mit sensationellen Experimenten begonnen, die unter anderem Einblicke in Zustände geben sollen, die am Beginn unseres Universums - also zur Zeit des Urknalls - vorherrschten. Das Großforschungsinstitut CERN befindet sich in der Nähe von Genf/Schweiz und wurde 1954 von 12 Ländern gegründet. Im Jahr 2008 waren 20 Länder beteiligt.

Bei dem neuesten - und auch in der Öffentlichkeit heftig diskutierten Experiment - werden in einem rund 27 km langen Ringbeschleuniger mit der Bezeichnung Large Hadron Collider (LHC) - Protonen auf eine Energie von rund 7 Tera-Elektronenvolt (TeV) beschleunigt und auf Protonen, die auf die gleiche Energie beschleunigt wurden, geschossen.

Ein Elektronenvolt ist eine Energieeinheit in der Atom- bzw. Kernphysik. Ein Tera-Elektronenvolt sind 10 hoch 12
eV. Zum Vergleich: In den für die Strahlentherapie in der Medizin genutzten Beschleunigern werden Elektronen auf Energien von rund 20 MeV (1 MeV = 10 hoch 6 eV) beschleunigt. 1 TeV ist damit 1 Million mal größer als 1 MeV.

Experimente mit derartigen in Beschleunigern erzeugten hochenergetischen Protonen sind bisher noch nicht gemacht worden und sind auch (derzeit) nur bei CERN möglich. Es wird für möglich gehalten und ist sogar erwünscht, dass bei diesem Experiment u.a. auch kleinste "Schwarze Löcher" entstehen. Nach den derzeitigen theoretischen Kenntnissen zerfallen die dabei entstandenen kleinsten "Schwarzen Löcher" innerhalb von Sekundenbruchteilen. Ohne allzu tief in die theoretische Physik einzusteigen, sei erwähnt, dass sich diese "Gebilde" auf 6-7 Dimensionen - auf allerkleinstem Raum - befänden. Und nur in einem derartigen mehrdimensionalen Raum können Schwarze Löcher bereits bei den bei CERN vorhandenen Energien der Protonen entstehen. In einem 4-dimensionalen Raumzeitkontinuum wären erheblich höhere Energien vonnöten.

Der Theorie nach soll die Gravitationskonstante in diesem mehrdimensionalen Raumgebilde um den unvorstellbar großen Faktor von 10 hoch 32 ansteigen. Die dabei möglicherweise entstandenen kleinsten Schwarzen Löcher sollen dazu dienen, die Hawkins-Strahlung zu nachzuweisen, die hier sehr stark sein müsste und über die sie der Theorie nach zerfallen sollen.
Diese Hawkins-Strahlung ist nach dem englischen Astrophysiker Stephen Hawkins benannt . Auch die großen "Schwarzen Löcher" im All sollen über diese Strahlung zerfallen. Jedoch konnte die Strahlung bisher experimentell nicht nachgewiesen werden, da sie sehr schwach ist und als "Rauschen" in der Hintergrundstrahlung, die aus Zeiten des Urknalls herrührt, untergeht.

Die Zerfallszeit, über die ein "Schwarzes Loch" mit Hilfe dieser Strahlung zerstrahlt, steigt mit der dritten Potenz der Masse an. Die Zerfallsdauer eines "Schwarzen Lochs" im All ist wegen seiner extrem hohen Masse deshalb auch extrem lang, im Gegensatz zur Zerfallszeit der beim CERN-Experiment erwarteten Schwarzen Löcher.

Der Zerfall der möglicherweise bei dem Experiment entstehenden sehr kleinen "Schwarzen Löcher" ist - wie erwähnt - nur theoretisch vorhergesagt. Es ist daher durchaus möglich - wenn auch extrem unwahrscheinlich - dass ein derartiges Gebilde stabil bleibt.

Da bei der Entstehung derartiger "Schwarzer Löcher" die Gravitationskonstante ansteigt, ist es dann allerdings vorstellbar, dass ein derartiges, an sich winziges aber stabiles, Schwarzes Loch beginnt, Materie aus seiner Umgebung anzuziehen und damit ständig zu wachsen. Dann würde irgendwann die gesamte Erde als "Schwarzes Loch" enden. Diese Möglichkeit wird von CERN-Physikern als sehr, sehr unwahrscheinlich angesehen, aber nicht vollständig in den Bereich der Science Fiction verbannt.

Nach Aussagen nahezu aller Astrophysiker müssten für den Fall, dass derartige Gebilde tatsächlich stabil sind, im All ungleich mehr Supernovae entstehen als es tatsächlich der Fall ist. Man geht nämlich davon aus, dass im All Protonen mit sehr viel höheren Energien als bei CERN aufeinander prallen und dort ständig derartige kleinsten schwarze Löcher entstehen. Der CERN-Physiker Mangano meint außerdem, dass ein stabiles Schwarzes Loch die Erde verlassen würde und irgendwo im Raum verschwindet. Sollte es dennoch in der Erde verbleiben, würden seiner Meinung nach viele Milliarden von Jahren vergehen, bis es die Erde "aufgefressen hätte - es wäre nach 5 Milliarden Jahren erst gerade mal 5 kg schwer!" Aber eine absolute Sicherheit kann niemand prognostizieren - eine winzige Unsicherheit bleibt.

Dr. Bernd Ramm ist Experte für Schwarze Löcher. Der promovierte Physiker beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Strahlen- und Strahlenschutz. Er hat mehrere Bücher über Röntgenqualitätsprüfungen und Strahlung in Umwelt, Medizin und Technik verfasst.

Quelle: ntv.de

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