Wissen

Beten für den Sonnengott Sonnenfinsternis in Indien

Die totale Sonnenfinsternis in Asien wird die längste dieses Jahrhunderts sein, getoppt erst 2150. Manche Inder freuen sich auf das einmalige astronomische Ereignis. Abergäubischen Landsleuten aber macht die Finsternis Angst.

sonnenfinsternis.jpg

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Wenn der Mond am Mittwoch in weiten Teilen Indiens die Sonne verdunkeln wird, weiß der Hindu-Priester Avadmesh Kumar Pandey genau, was er zu tun hat: Er wird seinen Tempel in der Hauptstadt Neu Delhi für Gläubige schließen. Gemeinsam mit anderen Priestern wird Pandey ein Gebet für Surya anstimmen, den Sonnengott, der bei der totalen Sonnenfinsternis nach hinduistischer Mythologie in Bedrängnis gerät. Der Dämon Rahu, so lautet die Überlieferung, versucht dann, die Sonne zu erobern. Das freilich dürfte Rahu am Mittwoch ein weiteres Mal nicht gelingen. Nach wenigen Minuten wird die Sonne wieder aus dem Schatten des Mondes treten.

Die totale Sonnenfinsternis in Asien wird die längste dieses Jahrhunderts - erst am 25. Juni 2150 wird sich der Mond noch länger vor die Sonne schieben. Das Spektakel beginnt zu Sonnenaufgang im Arabischen Meer vor der Westküste Indiens und wird in 13 der 29 indischen Bundesstaaten zu sehen sein, bevor die Menschen in China das Phänomen beobachten können. Dort rast der Mondschatten unter anderem direkt über die Millionenmetropole Shanghai hinweg und dann ins Südchinesische Meer, knapp südlich an Japan vorbei hinaus auf den Pazifik. Wie lange der Erdtrabant die Sonne verfinstert, hängt vom Standort ab. Die längste Finsternis erlebt das zu den Marshallinseln zählende Eniwetok-Atoll im Pazifik mit 6 Minuten und 39 Sekunden. In Deutschland und ganz Europa ist das Himmelsschauspiel gar nicht zu sehen, hier ist dann noch Nacht.

Abergläubische Wirtschaftsmacht

Zwar ist Indien zur aufstrebenden Wirtschaftsmacht geworden - doch Aberglaube ist auf dem Subkontinent noch fest verankert. Manche Inder freuen sich auf das zu Lebzeiten einmalige astronomische Ereignis - anderen macht die Sonnenfinsternis Angst. Fragwürdige Ratschläge, um angebliches Unheil als Folge des Spektakels abzuwenden, gibt es zuhauf.

"Schwangere sollten nicht rausgehen und kein Messer in die Hand nehmen, um Gemüse oder Früchte zu schneiden", sagt die Hausfrau Savita Rai in Neu Delhi. Missbildungen des Babys könnten ansonsten die Folge sein. Nahrungsmittel müssten während der Sonnenfinsternis abgedeckt werden, weil sie sonst nicht mehr "rein" seien - zumindest aber müsse ein Blatt der heiligen Tulsi-Pflanze dem Essen beigelegt werden. Selbst Studenten sind vor Aberglauben nicht gefeit. "Eigentlich sollte man während der Finsternis keine Nahrung zu sich nehmen und das Haus nicht verlassen, aber wir müssen leider zur Universität", sagt der 21-Jährige Anand, der mit seiner gleichaltrigen Freundin Chesta vor der Sonnenfinsternis einen Tempel besucht. "Wir hoffen, dass nichts passiert."

Rat vom heiligen Mann

Wer die Dunkelheit unbeschadet übersteht, dem empfiehlt der Hindu-Priester Pandey ein Bad in einem heiligen Fluss, um sich vom "schlechten Einfluss der Finsternis zu reinigen". Nicht nur vor der Sonnenfinsternis holen sich zahlreiche Inder Rat von "heiligen Männern" wie Pandey. Priester werden zu allen Lebenslagen befragt. Selbst für viele Neuwagen führt die erste Fahrt nach dem Kauf zur Weihung in den Tempel, um Unfälle abzuwenden.

Vor Hochzeiten ist für die meisten Familien nicht nur der Besuch beim Priester, sondern auch beim Astrologen selbstverständlich: Er errechnet, zu welcher Uhrzeit an welchem Tag die Sterne günstig für die Trauung stehen. Selbst Bollywood-Stars wie Aishawarya Rai sind vor dem angeblichen Einfluss der Planeten nicht gefeit. Rai ist ein "Manglik", wurde also unter dem ungünstigen Einfluss von Mars geboren. Das kann der Überlieferung zufolge dem Ehemann schaden, was ihren Bollywood-Kollegen Abishek Bachchan allerdings nicht davon abhielt, die ehemalige "Miss World" zu ehelichen.

Gutes Geschäft mit der Finsternis

Von dem in allen Gesellschaftsschichten verbreiteten Aberglauben hält Sanal Edamaruku gar nichts. Er ist der Präsident der Indischen Vereinigung der Rationalisten (IRA). Ziel der Organisation mit ihren mehr als 100.000 Mitgliedern ist die Aufklärung. "Wir kämpfen gegen dieses blinde Vertrauen in religiösen Aberglauben und wollen die Menschen für rationales Denken und wissenschaftliche Erklärungen sensibilisieren", sagt Edamaruku. Priester und Astrologen ließen sich ihren Rat mit Sachspenden oder Geld bezahlen. "Die heiligen Männer nutzen inzwischen sogar das Fernsehen, um den Menschen Angst vor dem schlechten Omen der Sonnenfinsternis zu machen", kritisiert Edamaruku. "Dabei ist es für die Priester mit Sicherheit ein gutes Omen, denn sie machen mit der Finsternis ein sehr gutes Geschäft."

Quelle: ntv.de, Mira Chopra, dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen