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Beratung, Geld und Geduld Umstellung auf "Bio"

Gammelfleisch, Rinderseuche BSE, pestizidverseuchtes Gemüse: Ein Skandal nach dem anderen erschüttert die konventionelle Landwirtschaft - und beschert den Erzeugern von Bio-Produkten eine stetig wachsende Nachfrage. Doch das Prädikat "Bio" oder "Öko" darf ein Produkt nur tragen, wenn mindestens 95 Prozent der Grundzutaten aus ökologischem Anbau stammen. Und auch Bio-Landwirt kann man nicht so einfach von heute auf morgen werden.

Für Thomas Dosch, Präsident des Anbauverbandes Bioland aus Mainz, ist die Umstellung auf Biofleisch oder -gemüse eine Investition in die Zukunft. "Die Umsatzzuwächse im Biomarkt sind kein Strohfeuer." Der Boom bescherte der Branche 2006 ein Umsatzplus von rund 15 Prozent. Für dieses Jahr werde ein Umsatz von mehr als 4,5 Milliarden Euro erwartet.

"Deutschland ist unter den EU-Ländern der attraktivste Markt für Bioprodukte", sagt Dosch. Die Abnehmer -Supermärkte, Naturkostläden oder der Gemüsehändler von nebenan -importierten wegen der großen Nachfrage vieles aus dem Ausland.

Doch entscheidet sich ein Landwirt, künftig Bioeier oder Ökotomaten anzubieten, steht er häufig vor einem riesigen Katalog von Anforderungen. "Wer sich als Ökobauer selbstständig macht, braucht Know-How und Kapital", sagt Peter Röhrig vom Bund ökologischer Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) in Berlin. Zudem müsse die EG-Öko-Verordnung erfüllt werden.

Diese schreibt einen Verzicht auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel sowie auf Kunstdünger und Gentechnik vor. "Tiere müssen artgerecht gehalten werden", sagt Röhrig, also beispielsweise mehr Freilauffläche als bisher bekommen. Zudem dürften die Tiere nur mit Biofutter versorgt werden. "Müssen bei Krankheiten Medikamente eingesetzt werden, gelten deutlich länger Wartezeiten, bis die Produkte wieder konsumiert werden dürfen, als im konventionellen Betrieb."

Ferner gestaltet sich der Anbau der Pflanzen schwieriger. Da keine Pestizide gespritzt werden dürfen, muss der Kampf gegen das Unkraut über die Fruchtfolge erfolgen, sagt Biobauer Wilhelm Schäkel aus dem brandenburgischen Zempow. "Wir haben eine neunjährige Fruchtfolge, vor allem wegen des Futterbaus für die Rinder." Seit 15 Jahren ist Schäkel nun schon als Biolandwirt tätig, 588 Rinder stehen auf seinen Weiden. "Biolandbau ist zwar nicht kompliziert, aber wegen des Papierkrams nervenaufreibend."

Auf Grund der strengen gesetzlichen Vorschriften "muss man beim Amt quadratzentimeterweise genau die Fläche angeben", ärgert sich Schäkel. Durch die zahlreichen Regeln fehle ihm die Zeit, selbst raus aufs Feld zu gehen - der Bauer werde zur Büroarbeit verdonnert. "Selbst, wenn man nur eine Hecke anpflanzen will, ist das ein riesiger bürokratischer Aufwand."

Bioland zufolge, nach eigenen Angaben größter Verband im ökologischen Landbau in Deutschland, gab es 2006 bundesweit etwa 17.000 landwirtschaftliche Biobetriebe - Tendenz steigend. "Die Bauern haben angesichts von rund 35 Tonnen Pestiziden, die im Jahr ausgebracht werde, ein schlechtes Gewissen", sagt Dosch.

Die Umstellung vom konventionellen Landbau zu Öko sollte aber durchgerechnet sein. "Kein Bauer kann es sich leisten, gemeinnützig zu arbeiten." Zum Teil werde doppelt so viel Fläche für die Tiere benötigt, zudem seien zusätzliche Mitarbeiter erforderlich.

Wer künftig auf Öko setzen will, bekommt Hilfe vom Staat. "Alle landwirtschaftlichen Betriebe erhalten Subventionen, Biobauern abhängig vom Bundesland auch eine Umstellungsförderung", sagt Landwirtschaftsexperte Röhrig. Bioland-Präsident Dosch zufolge bekommen Ökobauern zum Beispiel in Rheinland-Pfalz 120 Euro jährlich pro Hektar, in Bayern sogar 190 Euro. Die Experten warnen jedoch, die Umstellung auf Bio ohne Beratung im Alleingang zu bewerkstelligen.

Wer in der Vergangenheit in eine moderne Schweinemastanlage investiert hat, die steuerlich noch nicht abgeschrieben ist, sollte die Finger vom Ökolandbau lassen. Landwirt Schäkel rät, sich nicht blind darauf einzulassen. Bereits in der Lehre, im Studium oder bei Fachseminaren sollten sich künftige Ökobauern über ihr neues Tätigkeitsfeld informieren.

Gerüchten, Biolandwirte verdienten wesentlich mehr als normale Bauern, erteilt Schäkel eine Absage. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes lag der Bruttomonatsverdienst in der Landwirtschaft im September 2006 bei 1.548 Euro. Zwar kosten Ökolebensmittel mehr und spülen so auch mehr Geld in die Kasse des Bauers, aber dafür ist die Produktion auch teurer. Zudem dürfen frisch gebackene Ökolandwirte ihre Ware erst nach zwei Jahren Praxis unter dem Prädikat "Bio" verkaufen.

Angelika Röpcke, dpa

Quelle: ntv.de

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