Arche Noah Tierpark Zoos arbeiten für Artenschutz
27.07.2010, 08:04 UhrZoos als Arche Noah? Während Tierschützer Zoos kritisch sehen, leisten Tierparks selbst aktiv Artenschutz. Je mehr Gäste kommen, desto häufiger klingelt die Kasse - auch für die Rettung von Arten.

Das Orang-Utan-Weibchen Daisy lebt mit ihrem Sohn Dodi im Zoo in Dresden.
(Foto: dpa)
Für viele Tiere wird es eng. Brandrodung in Regenwäldern, Klimawandel, Umweltkatastrophen und der Mensch auf der Suche nach neuem Lebensraum sind eine große Bedrohung. Oft bleiben Nationalparks oder Schutzgebiete der letzte Rückzugsraum. Auch Zoologische Gärten gehören zum System Arche Noah. "Zoos haben einen wichtigen Beitrag zum Artenschutz zu leisten, nicht nur mit ihren lebenden Tierbeständen, sondern auch mit ihrem Wissen beim Management von Tieren", sagt der Hannoveraner Zoodirektor Klaus- Michael Machens.
Sein Leipziger Kollege Jörg Junhold liefert eine Prognose. Derzeit würden Zoos weltweit über 850 Tierarten durch mehr als 1440 Zuchtbücher und -programme betreuen. "Diese Zahl wird aus verschiedenen Gründen zunehmen. Einerseits läuft der Verlust der biologischen Vielfalt ungebremst weiter. Damit nimmt die Verantwortung der Zoos zu, die dort gehaltenen Arten als Reservepopulationen zu managen."
Nach Angaben des Zoo-Netzwerkes ISIS halten Zoologische Gärten weltweit derzeit Tiere in rund 15.000 Arten und Unterarten. Das macht den enormen Koordinierungsaufwand deutlich.
Genetische Vielfalt ist wichtig
Beispielsweise bei den in Europa üblichen Zuchtbüchern (ESB) und Erhaltungszuchtprogrammen (EEP). Dahinter steckt der Gedanke, die in diversen Zoos lebenden Tiere einer Art als gemeinsame Population zu betrachten. Wichtig ist ein ausreichender Genpool. Inzucht und damit einhergehender Verlust der genetischen Vielfalt sind eine Gefahr. "Wenn sich eine Population von Wildtieren aber durch unkontrollierte Zucht über Generationen verändert und von den Ursprungstieren unterscheidet, werden die Tiere für die Naturschutzbemühungen der Zoos ungeeignet", berichtet die EEP-Geschäftsstelle in Amsterdam.
Die ersten EEP wurden 1985 ins Leben gerufen und galten zunächst Tieren wie Kleiner Panda und Fischotter. Vorrang haben Arten, die besonders bedroht sind. Inzwischen beteiligt sich in Deutschland so ziemlich jeder Tierpark an solchen Programmen. Köln ist an 90 EEP und ESB beteiligt, so beim Przewalskipferd, von dem heute schon mehr Tiere in menschlicher Obhut als in freier Wildbahn leben. In ihrem Engagement sind die Zoos weltweit vernetzt. Frankfurt am Main koordiniert die Internationalen Zuchtbücher (ISB) für Rostkatze, Mähnenwolf und Gorilla. San Diego gilt als Zentrale für Koalas.
Als Dresden unlängst Koalas für ein neues Tropenhaus benötigte, nahm man Kontakt zu Kollegen in Kalifornien auf. Allerdings mussten die passen: Bei den Beuteltieren gibt es derzeit einen Engpass. Früher war es üblich, fehlende Tiere durch Export von Wildfängen zu ergänzen. Das ist heute kaum noch möglich und auch nicht erwünscht. Zuchtprogramme verfolgen genau das umgekehrte Ziel, die Auswilderung. Wiederansiedlungen können geschwächte Populationen und erloschene wieder aufbauen, sagen die EEP-Koordinatoren. Das "Zurück in die Natur" ist jedoch ein schwieriges und teures Vorhaben.
Artenschutz heißt auch Umweltschutz
Viele Zoos in Deutschland beteiligen sich an solchen Projekten nicht nur mit Expertenwissen, sondern auch mit Geld. Leipzig finanziert zum Beispiel Zucht- und Forschungsstationen für den Paarhufer Okapi, das Visaya-Pustelschwein und den Komodo-Waran mit. Auch bei der Wiederansiedlung von Brillenpinguinen in Südafrika und von Humboldtpinguinen in Chile ist Know-how aus Sachsen im Spiel. Hannover koordiniert dies für die Addax-Antilope in Schutzgebieten Afrikas und beteiligt sich an der Auswilderung von Bartgeiern in den Alpen. Dresden hilft unter anderem bei den Bartaffen in Indien.
Für den Zoologischen Direktor in Dresden, Wolfgang Ludwig, heißt Artenschutz vor allem Umweltschutz. "Wenn wir den Orang-Utan schützen wollen, müssen wir die Wälder schützen, in denen er lebt." Machens verweist darauf, dass immer mehr "inselartige Kleinbiotope" entstehen und den Tieren die Chance zum Wandern genommen wird. "Bei den Bartaffen geht es darum, dass wir ihnen zumindest die Korridore zwischen den einzelnen Gebieten erhalten", sagt Ludwig. Über all das klären die Zoos auch ihre Besucher auf. Je mehr kommen, desto besser klingelt es auch in der Kasse für den Artenschutz.
Quelle: ntv.de, Jörg Schurig, dpa