Merkel sieht Fortschritte, Orban nicht Die EU versprüht Optimismus
16.09.2016, 20:49 Uhr
Gute Laune in Bratislava: Angela Merkel spricht mit dem griechischen Premier Alexis Tsipras.
(Foto: AP)
In Zeiten von Flüchtlingskrise und Brexit suchen die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union nach einem gemeinsamen Nenner. Bei ihrem Treffen in der Slowakei diskutieren sie über "flexible Solidarität". Nur einer gibt den Miesepeter.
Nach dem Brexit-Schock und monatelangem Dauerstreit versucht die Europäische Union einen Neustart. Die 27 bleibenden EU-Staaten einigten sich ohne Großbritannien auf die "Agenda von Bratislava" - ein Arbeitsprogramm für die nächsten Monate, das Handlungsfähigkeit und Bürgernähe beweisen soll.
Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich nach den Gesprächen optimistisch für die Zukunft der EU. "Der Geist von Bratislava war ein Geist der Zusammenarbeit", sagte sie bei einem Auftritt mit dem französischen Präsidenten François Hollande. Die restlichen 27 Staats- und Regierungschefs "waren auch der Überzeugung, dass wir Kompromisse brauchen, dass wir das Gefühl der Solidarität brauchen, das Gefühl der Zusammenarbeit brauchen. Und dass wir auf einer Basis gemeinsamer Werte arbeiten."
Die "Bratislava Roadmap" steckt die Zeit bis zum 60. Jubiläum der Römischen Verträge ab. Der Fahrplan ist eine Art Diskussionspapier, denn echte Beschlüsse können nur mit Großbritannien fallen, das bis auf weiteres als volles Mitglied zur EU gehört. Oberste Ziele sind mehr Sicherheit und neue Jobs. Grundsätzlich versprachen sich die 27 in ihrer Schlusserklärung aber eine bessere Zusammenarbeit und mehr Informationen für die Bürger.
Visegrad-Staaten zeigen Initiative
Das Brexit-Votum Ende Juni hatte die EU schwer erschüttert, auch die Flüchtlings- und die Wirtschaftspolitik stürzten sie in eine Krise. Die vier osteuropäischen Staaten Ungarn, Slowakei, Tschechien und Polen lehnen beispielsweise die eigentlich schon beschlossene Umverteilung von Flüchtlingen ab, was zu heftigen Spannungen führte.

Viktor Orban verweigerte sich dem Optimismus, den die Staats- und Regierungschefs in Bratislava mehrheitlich versprühten.
(Foto: REUTERS)
Als Kompromiss schlugen die vier Visegrad-Staaten in Bratislava nun ein Konzept namens "flexible Solidarität" vor - wer weniger Flüchtlinge aufnimmt könnte im Gegenzug mehr für den gemeinsamen Grenzschutz tun, sagen sie. Kanzlerin Merkel begrüßte die Initiative, schränkte aber ein: Es müsse noch geklärt werden, "was sie sich genau vorstellen".
Bezüglich des Brexits verkündete EU-Ratspräsident Donald Tusk nach dem Treffen, dass Großbritannien den Austritt wohl Anfang 2017 beantragen wird. Die britische Regierungschefin Theresa May habe bei seinem Besuch in London kürzlich sehr offen darüber geredet, dass es fast unmöglich sei, den Austritt noch dieses Jahr zu beantragen, erklärte der Pole. "Aber es ist ziemlich wahrscheinlich, dass sie vielleicht im Januar, vielleicht im Februar nächsten Jahres bereit sind."
Orban spricht von "Misserfolg"
Ansonsten verabredeten die Staats- und Regierungschefs eine ganze Reihe weiterer Projekte: Die Außengrenzen der EU sollen besser geschützt werden, um illegale Zuwanderung zu kontrollieren und zu bremsen. Der Flüchtlingspakt mit der Türkei soll umgesetzt und der Aufbau einer gemeinsamen Grenze- und Küstenwache beschleunigt werden. Weiterhin will die EU im Kampf gegen den Terror den Informationsaustausch verbessern und eine engere Verteidigungszusammenarbeit beschließen. Auch neue Jobs und mehr Perspektiven für Jugendliche schreiben sich die 27 auf die Fahnen.
Konkret wurde es allerdings nur beim Schutz der Außengrenzen. Bulgarien soll in einem ersten Schritt 108 Millionen Euro von der EU-Kommission erhalten, um die Grenze zur Türkei zu sichern.
Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban wollte nach dem Treffen allerdings keine Fortschritte erkennen. Er sprach gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur MTI gar von einem "Misserfolg". Es sei nicht gelungen, die Einwanderungspolitik Brüssels zu ändern. "In der Union ist weiterhin dieselbe selbstzerstörerische und naive Einwanderungspolitik vorherrschend wie bisher."
Quelle: ntv.de, chr/dpa/AFP