Oft ist Schweigen die beste Wahl Zeuge? Das sollte man wissen
10.06.2015, 04:06 Uhr
(Foto: imago/Lars Berg)
Der Chef hat gerade erst vom Tod seiner Mitarbeiterin erfahren, da fragt ihn der Kommissar auch schon Löcher in den Bauch. Alltag im "Tatort", im echten Ermittleralltag aber eher unrealistisch. Denn Zeugen müssen zunächst einmal gar nichts sagen - und das sollten sie auch nicht.
Wenn Fernsehkommissare Mörder jagen, schert sich das Drehbuch meist wenig um bürokratische und juristische Zwänge. Da werden Verdächtige verhört, ohne sie vorher über ihre Rechte zu belehren, Polizisten ermitteln verdeckt, ohne dass sie dafür einen Auftrag haben, mögliche Beweismittel werden konfisziert, obwohl sie vor Gericht ohnehin nicht verwertet werden können. Zeugen besuchen die Beamten meist zu Hause oder am Arbeitsplatz und fast nie schlägt ihnen dabei jemand einfach die Tür vor der Nase zu – dabei wäre genau das die Reaktion, zu der Anwälte in aller Regel raten.
Darf man denn schweigen?
Ja. Weder Zeugen noch Beschuldigte müssen mit der Polizei reden. Die einzige Information, die man nicht verschweigen darf, sind die eigenen Personalien.
Warum ist Schweigen meistens besser?
Viele Zeugen haben gar kein Problem damit, von der Polizei vernommen zu werden, wenn sie damit zu einer schnellen Aufklärung beitragen können. Wer beispielsweise einen Handtaschenraub beobachtet hat, wird der Polizei wahrscheinlich bereitwillig die Täter beschreiben.
Schweigen ist auf jeden Fall dann angebracht, wenn man durch eine Aussage selbst zum Beschuldigten werden könnte. Auch zu Vorgängen in der Firma, im Familien- oder Freundeskreis sagt man besser nichts. Zu groß ist die Gefahr, dass man sich oder andere in die Bredouille bringt. Das Problem ist nicht nur, dass unüberlegte Aussagen im Protokoll landen könnten, sondern auch, dass die Beamten etwas missverstehen und falsch aufschreiben. Das landet dann in den Akten und könnte einem später auf die Füße fallen. Fehler, die schon zu Beginn eines Verfahrens gemacht werden, lassen sich später kaum noch ausbügeln.
Wenn man als Zeuge geladen wird, muss man überhaupt erscheinen?
Das kommt darauf an, wer zur Vernehmung bittet. Im Polizeirevier muss man – wie oben beschrieben – nicht erscheinen. Strafen muss man dafür nicht befürchten. In seltenen Fällen folgt dann eine Einladung der Staatsanwaltschaft. Und der muss man auch nachkommen. Wer die Staatsanwaltschaft ignoriert, muss mit Folgekosten rechnen, neben Schadensersatz fällt auch ein Ordnungsgeld an.
Auch wenn man vor Gericht geladen wird, sollte man das ernst nehmen. Hier auszusagen ist eine staatsbürgerliche Pflicht. Im Ausnahmefall kann man sich aber befreien lassen, etwa wenn man zu krank ist oder aus anderen wichtigen Gründen verhindert ist.
Muss man die Wahrheit sagen?
Vor Gericht: Ja, unbedingt, und das nicht nur, wenn man unter Eid steht. Wer vorsätzlich falsch aussagt, kann für mindestens drei Monate ins Gefängnis wandern, im Extremfall sogar für fünf Jahre, darüber wird man zu Beginn der Verhandlung auch belehrt.
Meistens sagen Zeugen aber gar nicht mit Absicht die Unwahrheit. Manchmal vergisst man vor Gericht aus Nervosität wichtige Details. Oder man deutet Vermutungen zu Fakten um. Solange ein Zeuge dabei nicht bewusst handelt, kann ihm daraus kein Strick gedreht werden. Im Strafrecht ist nämlich nur vorsätzliches Handeln strafbar. Fällt einem der Fehler später auf, sollte man ihn aber auf jeden Fall noch korrigieren.
Der Falschaussage-Paragraph im Strafgesetzbuch gilt übrigens nur für Aussagen vor Gericht. Wer gegenüber der Polizei oder der Staatsanwaltschaft lügt, kann nur belangt werden, wenn er dabei bewusst den Verdacht auf eine andere Person lenkt.
Muss man auch gegen Freunde und Verwandte aussagen?
Als Beschuldigter hat man ein Aussageverweigerungsrecht, niemand muss sich also selbst belasten, nicht vor Gericht und bei der Polizei schon gar nicht. Auch Freunde und Verwandte möchte man normalerweise ungern in die Pfanne hauen. Doch ein Zeugnisverweigerungsrecht hat man nur, wenn man mit einer der Prozessparteien verwandt oder verschwägert ist.
Bei der Verwandtschaft sind nicht nur die direkten Angehörigen geschützt, sondern auch Enkel, Großeltern, Nichten und Neffen, Onkel oder Tanten. Bei der angeheirateten Familie gilt das Zeugnisverweigerungsrecht für Verwandte bis zum zweiten Grad. Gegen den Bruder des Ehegatten muss man also nicht aussagen, gegen seinen Onkel schon.
Ehegatten und eingetragene Lebenspartner muss man ebenso wenig belasten wie Verlobte. Selbst zu Ex-Gatten muss man nichts sagen. Keine Schonung gibt es, wenn man mit dem Partner nicht verheiratet ist. Dann muss man im Zweifel gegen ihn aussagen. Freundschaften zählen vor Gericht ebenso wenig.
Muss man alle Fragen beantworten?
Auch wenn man nicht auf der Anklagebank sitzt, könnten manche Antworten vor Gericht unangenehm werden. In Zivilprozessen muss man sich deshalb nicht zu allen Fragen äußern. Ein Zeuge muss beispielsweise keine Betriebsgeheimnisse verraten und darf auch Aussagen verweigern, die ihm wirtschaftlich schaden könnten. Schweigen darf man außerdem, wenn einem die ehrliche Antwort "zur Unehre gereichen" würde, etwa weil man einen Ehebruch einräumen müsste.
Quelle: ntv.de