Gefahren bei einer Operation T-Zellen lähmen den Darm
30.11.2010, 10:34 Uhr
Jeder Eingriff im Bauchraum kann zu einer Darmlähmung führen.
Jede Operation birgt Risiken und Gefahren. Bei einer Darmoperation kann es zu einer vollständigen Darmlähmung kommen. Wodurch genau diese Lähmung entsteht, können nun Mediziner aus Bonn erklären. Sogenannte T-Zellen, die der Immunabwehr dienen, lösen eine Entzündung aus. Nun sind die Forscher auf der Suche nach einer entsprechenden Therapie.
Bonner Mediziner haben herausgefunden, wie es bei einer Darmoperation zur gefürchteten Lähmung des kompletten Darmtrakts kommen kann. Demnach sorgen bestimmte Immunzellen zunächst für Entzündung in der Nähe des Eingriffs. Mit dem Blut gelangen die Abwehrzellen dann zu anderen Darmbereichen – die Entzündung dehnt sich auf das komplette Organ aus. Das Team um Professor Jörg Kalff, Direktor der Chirurgischen Klinik der Uni Bonn, berichtet im Journal "Nature Medicine" über seine Ergebnisse.
Ist alles in Ordnung, zieht sich der Darm regelmäßig in geordneter Abfolge zusammen und auseinander. So transportiert er den Speisebrei Richtung After. Nach Operationen am Magen-Darm-Trakt stellt er diese Bewegung jedoch häufig ein – und zwar nicht nur in der Nähe des operierten Gebiets, sondern überall. Dabei kommt es zu einer generellen Entzündung aller Darmsegmente, erklären die Mediziner.
Potenziell betroffen sind in Deutschland alle Patienten, die einen Eingriff im Bauchraum haben, erklärt Kalff, das ist rund zwei Millionen Mal im Jahr der Fall. In der Regel bilden sich die Störungen – der Arzt spricht vom postoperativen Ileus – im Verlauf einer Woche nach der Operation maßgeblich zurück. Durch speziellere Untersuchungen sind "Nachwehen" zwar noch über wenige Wochen nachweisbar, werden aber nicht mehr als problematisch wahrgenommen, erklärt der Mediziner. In komplizierten Fällen kann es jedoch zu lebenslangen Einschränkungen kommen.
Keine Fehlsteuerung der Nerven
Als Ursache vermuteten Ärzte bislang eine Fehlsteuerung der Nerven für die Darmbewegung. Die bisherigen Versuche, die Nervenfunktion wiederherzustellen, waren jedoch wenig erfolgreich: "Zur Zeit gibt es weder eine Therapie noch eine Prophylaxe gegen den postoperativen Ileus", erklärt Kalff. Zusammen mit seinem Team hat er nun eine völlig andere Erklärung für den Stillstand im Darm: Ursache sind demnach fehlgeleitete Immunzellen.
Bei der Operationen kommt es zwangsläufig zu einem Gewebeschaden, den immunologische Sensorzellen wie etwa Makrophagen oder dendritische Zellen erkennen. Diese alarmieren und aktivieren daraufhin T-Zellen. Die Folge: eine lokale Entzündung, in deren Zug die Darmmuskulatur gelähmt wird. Zudem verlassen einige T-Zellen den Ort über die Pfortader und die Leber und kommen in den Blutkreislauf. Nach einigen Stunden gelangen sie in den Darm zurück.
Ausbreitung der Entzündung
"Sie wissen jedoch nicht genau, aus welchem Bereich des Darms sie stammen", erklärt der an der Studie beteiligte Professor Christian Kurts. "Sie gelangen bei ihrer Rückkehr daher an irgendeinen anderen Ort des Magen-Darm-Trakts. Da sie jedoch nach wie vor aktiviert sind, rufen sie auch dort eine Entzündung hervor. Auf diese Weise kommt es zur Ausbreitung der Entzündung und zur Lähmung des gesamten Magen-Darm-Trakts."
Die Bonner Forscher hoffen nun, diesen Teil des Immunsystems durch Medikamente zu beruhigen, ohne die Gesamtfunktion der körpereigenen Abwehr zu sehr zu beeinträchtigen. "Bisher gibt es keine Medikamente, die für diesen Einsatz zugelassen sind. Unsere Gruppe arbeitet an der Erprobung und Entwicklung von möglichen Medikamenten für die Zukunft", erklärt Kalff.
Quelle: ntv.de, dpa