Planen und Reagieren im Duell Wer zuerst zieht, stirbt
05.02.2010, 11:45 UhrDie übliche Duell-Szene in einem Western: Derjenige, der als erstes zum Revolver greift, sinkt tödlich getroffen in den Staub. Hatte Niels Bohr Recht, dass es einen Unterschied gibt zwischen Reagieren und Planen? Ein Experiment soll den Beweis erbringen.

Wer reagiert, ist schneller als derjenige, der den Entschluss fasst, die Waffe zu ziehen.
(Foto: picture-alliance / dpa)
Die Mythen des Wilden Westens sind vom Alkohol und zahllosen Hollywoodfilmen geprägt. Zumindest von letzteren war aller Vermutung nach auch der dänische Physik-Nobelpreisträger Niels Bohr (1885-1962) inspiriert. Jedenfalls bei der Frage, warum in einem Filmduell immer derjenige tot im Staub zurückbleibt, der zuerst den Revolver zieht - meist ist das der Böse. Bohr vermutete, dass es eine kleine Weile dauert, den bewussten Entschluss zu fassen, in Tötungsabsicht die Waffe zu ziehen. Die bloße Reaktion auf den Beginn der Bewegung erforderte seiner These nach viel weniger Zeit, und daher kommt der Gute zuerst zum Schuss.
Diese vielzitierte Frage zu klären war auch das Bemühen einer Gruppe um Heinrich Bülthoff vom Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen. Viele Jahrzehnte nach Bohr präsentiert das internationale Forscherteam seine Analyse nun in den "Proceedings B" der ehrwürdigen britischen Royal Society im 350. Jahr ihres Bestehens. Und, tatsächlich: Wer die Handlung seines Gegenübers lediglich nachvollzieht, ist mit der gleichen Aufgabe etwa zehn Prozent schneller fertig.
Bohr experimentierte - und zog immer schneller
Dass die Anekdote über Bohrs Überlegungen tatsächlich stimmt, ist unter anderem durch die Recherchen des Wissenschaftshistorikers Professor Ernst-Peter Fischer von der Universität Konstanz gedeckt. "Warum immer der Gute den Bösen erschießt?", fragt der in seinem Hörbuch "Paarläufe der Wissenschaft" (supposé-Verlag). Bohr behauptete demnach: "Weil der Gute nicht denkt. Der Böse muss ja die böse Absicht haben, und das dauert länger." Fischer beschreibt, wie diese These tatsächlich überprüft wurde. Einer von Bohrs wissenschaftlichen Mitarbeitern brachte dazu Spielzeugpistolen mit, und eine wurde dem großen Physiker umgehängt. Während vorne an der Tafel debattiert wurde, sei ab und zu einer der Studenten aufgesprungen und habe versucht, Bohr zu erschießen, erklärt Fischer. Laut Auswertung habe Bohr aber immer schneller gezogen.
Aber zurück zu den zeitgenössischen Experimenten. Bülthoff und seine Kollegen bauten eine einfache Vorrichtung mit drei nebeneinander liegenden Notfall-Knöpfen, wie sie an großen Maschinen zu finden sind. Diese hatten einen Abstand von je 35 Zentimetern zueinander. Der Proband sollte zuerst den Knopf in der Mitte drücken, dann den rechts daneben und schließlich den linken. Die Zeitnahme begann nach dem ersten Knopfdruck. Nachdem die Versuchspersonen den Ablauf verinnerlicht hatten, wurde ihnen gegenüber der gleiche Aufbau installiert, mit einem weiteren Probanden als "Gegner". Der Zufall legte fest, wer mit dem Drücken begann - und damit zugleich, wer auf sein Gegenüber zu reagieren hatte. Wer alle drei Knöpfe am schnellsten gedrückt hatte, gewann und erhielt Punkte. Ein Computer bestimmte exakt, wer die Knöpfe wie schnell drückte. Das Resultat: Wer auf sein Gegenüber reagierte, erledigte seine Aufgabe rund zehn Prozent schneller.
Reagieren zum evolutionärer Vorteil
Womöglich gebe es im Hirn Schaltkreise, die besonders schnell reagieren können, heißt es in dem Journal. Dies sei eine sinnvolle und lebenswichtige Entwicklung, etwa um blitzschnell auf Gefahren reagieren zu können. Im Hinblick auf ein Wildwest-Duell sei es allerdings sehr unwahrscheinlich, dass die Konzentration aufs Reagieren allein einen evolutionären Vorteil liefere. Die neuen Daten machen es unwahrscheinlich, dass die Siege Bohrs bei den Spielzeugpistolen-Duellen allein auf seine gute Reaktion zurückzuführen seien. "Sie legen eher den Schluss nahe, dass Bohr nicht nur ein brillanter Physiker, sondern auch ein guter Schütze war."
Quelle: ntv.de, dpa