Active Tourer bricht mit Tradition BMW 2er: Einer wie keiner?
19.07.2014, 17:59 Uhr
Der BMW 2er Active Tourer will das sportlichste Auto seiner Klasse sein.
(Foto: Axel F. Busse)
So neu war kein BMW in den letzten Jahren: Van-Konzept, quer eingebauter Motor und Vorderradantrieb – der 2er Active Tourer soll dem Münchner Konzern neue Kundenkreise erschließen. Die erste Probefahrt ist vielversprechend.

BMW hat herausgefunden, dass das Segment der Vans weiter wachsen wird und schicht mit dem 2er seinen Kandidaten ins Rennen.
(Foto: Axel F. Busse)
"Wir bauen dieses Auto für Menschen, die in unserer bisherigen Modellpalette nicht das Passende gefunden haben", sagt Dr. Frank Niederländer, verantwortlicher Produktmanager für die kleinen Baureihen. Die Erkenntnis, dass noch etwas fehlt, ist offenkundig lange gereift: Mercedes hat seit neun Jahren ein vergleichbares Auto im Programm – die B-Klasse. Ford bietet seinen C-Max sogar schon seit elf Jahren an und Volkswagen hat vor wenigen Wochen mit dem Sportsvan nachgezogen. "Wir sehen", so Niederländer, "das Segment mit kompakten Maßen und großem Raumangebot weiter wachsen."
Da will BMW natürlich dabei sein und hat Vertrautes dafür radikal über Bord geworfen. Der bislang heilige Heckantrieb wurde ebenso in Frage gestellt wie der Längseinbau des Motors. Dreht man ihn um 90 Grad, gewinnt man Platz für die Fahrgastzelle. Beim 2er Active Tourer beträgt der Raumgewinn rund zwölf Zentimeter. Insgesamt ist das Fahrzeug aber 2 Zentimeter kürzer als die B-Klasse und sogar 9 Zentimeter kürzer als der Golf Sportsvan. Gleichzeitig will der BMW der "sportlichste Vertreter seiner Klasse" sein. Er ist 29 Millimeter höher als ein BMW X1 und wird später im Jahr auch mit Allradantrieb zu haben sein. Auf die Attitüde als Pisten-Rüpel mit Plastik-Beplankung und martialischen Anbauteilen wird die 4x4-Variante freilich verzichten.
Bald auch mit Dreizylinder
Wenn ab 27. September die Auslieferungen beginnen, wird noch eine Premiere dazu kommen. Der 2er Active Tourer ist das erste BMW-Fahrzeug, das vom Start weg mit dem neuen Dreizylinder-Motor angeboten wird. Das Modell 218i wird mit 136 PS Leistung den Einstieg in die Van-Welt bei BMW markieren. Fahren konnte man ihn bei der Präsentation allerdings noch nicht. Dafür standen der 150 PS starke Diesel des 218d und der 231 PS leistende Benziner, der im 225i verbaut wird zur Verfügung. Größte Neugier der Tester: Konnte BMW die gefürchteten Antriebseinflüsse in der Lenkung ausmerzen, die in vielen hochmotorisierten Fronttrieblern beim Gasgeben ein spürbares Zerren am Steuerrad verursachen?
Die Antwort lautet "Ja". Von wenigen Ausnahmen abgesehen fuhren sich die Testfahrzeuge mit der gleichen ausgewogenen Dynamik und Geschmeidigkeit, wie man sie von der Marke gewohnt ist. Und obwohl der Leistungsunterschied rund 80 PS beträgt, ließ der Diesel kaum weniger Temperament erkennen als die Variante mit Ottomotor. Der Selbstzünder beeindruckte zudem mit Durchzugskraft: Selbst steile Anstiege wurden im dritten Gang mit 40 km/h souverän gemeistert, kein Murren des Motors störte die zügige Ausfahrt durch Tiroler Serpentinen. Wer nicht nur schaltfaul fahren, sondern am liebsten gar nicht manuell die Gänge wechseln möchte, dem stehen als Alternative zur Handschaltung eine Sechs- oder Achtgang-Automatik zur Verfügung.
Von Kompakt-Vans werden allerdings nicht in erster Linie dynamische Qualitäten erwartet, sie müssen vor allem praktisch sein. BMW versucht es hier mit Variabilität und vielseitiger Ausstattung. So ist etwa die mehrfach teilbare Rückbank um 13 Zentimeter verschiebbar, auch der Beifahrersitz lässt sich umlegen, so dass im Extremfall 2,4 Meter langes Ladegut verstaut werden kann. Im Normalfall fasst der Kofferraum hinter den Rücksitzen 468 Liter, beim Umlegen der Rücklehnen bis 1510 Liter. Damit liegt der Active Tourer geringfügig unter den Werten der direkten Wettbewerber. Wer mehr Platz braucht, muss auf die siebensitzige Variante warten, die etwa 13 Zentimeter mehr Radstand haben wird. Die Ladekante ist nur 64 Zentimeter hoch und die elektrische Heckklappe lässt sich mit einem berührungsfreien Kick unter den hinteren Stoßfänger per Sensor öffnen oder schließen.
Abgespecktes Head-Up-Display
Ein Zugeständnis an die Erfordernisse ausländischer Märkte stellt der Öffnungswinkel der Klappe dar. Wer größer als 1,85 Meter ist, muss sich vor unfreiwilligen Kopfnüssen in Acht nehmen. Doch Kunden vor allem in Asien, so die Begründung von Projektleiter Siegfried Müller, hätten immer wieder darauf hingewiesen, dass die dortige Normgarage nicht die aus Europa bekannten Maße habe und es deshalb beim unachtsamen Öffnen der Klappe zu Schäden kommen könne. Zügig marktreif soll auch ein spezieller Fahrradträger sein, der unter dem Kofferraumboden transportiert und auf die Anhängerkupplung gesetzt werden kann.
Damit der Fahrer nicht nur von dem 8,8 Zoll großen Zentralmonitor seine Informationen erhält, kann er sich als Teil der Option "Navigation Plus" ein Head-Up-Display bestellen. Das kostet stolze 2490 Euro. Im Unterschied zu den von BMW bekannten Systemen, die Fahrdaten oder Richtungshinweise in die Frontscheibe projizieren, kommt hier eine ausfahrbare, getönte Zusatzscheibe zum Einsatz. Dass sie wie nachgerüstet aussieht ist dem Umstand geschuldet, dass die starke Neigung der Frontscheibe eine direkte Projektion nicht zugelassen hat. Immerhin hilft die schräge Frontscheibe mit, dass der Active Tourer mit einem cw-Wert von 0,26 durch den Wind pfeilt.
Laut Hersteller soll sich der 218d mit 4,3 Litern Diesel je 100 Kilometer zufriedengeben. Auf dem Bergkurs in 2000 Metern und mehr Meereshöhe waren es sechs Liter. Etwas mehr noch konsumierte der 225i, dessen Normverbrauch mit 6,6 Litern angegeben ist. Hier standen über 8,0 Liter auf der Uhr. Das liegt aber im erwartbaren Bereich, denn die von BMW versprochene "Freude am Fahren" will ja auch getestet sein. Für das 136 PS starke Einsteigermodell verlangt der Hersteller 27.200 Euro. Ein 125 PS starker Golf Sportsvan ist für 1900 Euro weniger zu haben. Der 218d kostet mindestens 28.950 Euro, der 225i mit Achtgang-Automatik wird für 37.950 Euro angeboten.
Quelle: ntv.de