Barkas 1000 Der Bulli des Ostens wird 60
03.03.2022, 11:39 Uhr
Der Barkas wurde in der DDR in allen Bereichen des öffentlichen Lebens eingesetzt. Nur für Privatkunden war er nicht gedacht.
(Foto: dpa)
Neben Trabant und Wartburg prägte ein drittes Auto das Straßenbild in der DDR: der Barkas 1000. Vor 60 Jahren wurde er nicht nur als Schnelltransporter auf der Leipziger Messe vorgestellt, er war auch technisch auf der Höhe. Mit den Jahren geriet er ins Hintertreffen, doch Fans hat er bis heute.
Ob als Kleinbus, mit Pritsche, als Krankenwagen oder Löschfahrzeug: Der Barkas 1000 war in der DDR und im Ostblock ein Multitalent. In einem Prospekt wird der Zweitakter mit Frontantrieb und anfangs 42 PS seinerzeit als "zuverlässig, schnell und wendig" gepriesen. Doch während Westdeutsche im VW-Kleinbus zu Reisen aufbrechen, bleibt der "Bulli des Ostens" für viele DDR-Bürger unerreichbar: Die Fahrzeuge werden vorrangig für Rettungsdienst, Polizei, Armee und Betriebe gebaut. Mit Glück können immerhin kinderreiche Familien ein ausrangiertes Modell ergattern - oder es braucht Westverwandtschaft, die mindestens 16.500 D-Mark über den Geschenkdienst Genex spendiert.
Geschichte beginnt in den 1950er Jahren

Der Konstrukteur des Barkas, Jürgen Rehm, ist überzeugt, dass das Fahrzeug seinerzeit international mithalten konnte.
(Foto: dpa)
In den 1950er Jahren begannen Ingenieure in der DDR, ein neues Nutzfahrzeug zu entwickeln. Anforderungen waren etwa ein "formschöner Wagenkörper", größtmöglicher Laderaum und hohe Variabilität, wie im Museum "Zeitwerkstadt" in Frankenberg bei Chemnitz zu erfahren ist. Dort wird die Geschichte des Nutzfahrzeugbaus der Region anschaulich präsentiert und mehrere Barkas-Modelle sind ausgestellt - auch solche, die nie in Serie gegangen sind. Am 14. Juni 1961 begann die Serienproduktion des B 1000 im sächsischen Hainichen, im März 1962 wurde der "Schnelltransporter" auf der Leipziger Frühjahrsmesse der Weltöffentlichkeit vorgestellt.
"Das Fahrzeug war im internationalen Vergleich auf einem Top-Stand", betont Siegfried Bülow. Er war in der Wendezeit Geschäftsführer der Barkas Werke und machte später bei Volkswagen und Porsche Karriere. "Der Barkas konnte im internationalen Orchester der Nutzfahrzeuge mitspielen", versichert auch der ehemalige Konstrukteur des Barkas, Jürgen Rehm. Als Beleg dafür verweist er auf den Export der Fahrzeuge in zahlreiche Länder - auch jenseits des Ostblocks etwa nach Belgien, die Niederlande und Skandinavien.
Zwei-Takt-Motor wurde zum Problem
Um den Anschluss nicht zu verlieren, tüftelten die Sachsen in den Folgejahren an etlichen Neuerungen. "Ein großes Problem war der Zwei-Takt-Motor", erzählt Rehm. Letztlich habe man eine ganz neue Konstruktion erstellt: den Barkas 1100. Prototypen wurden gefertigt, doch die Pläne mussten auf Weisung aus Berlin eingestampft werden. "Die Begründung war: Ein solches Fahrzeug werde volkswirtschaftlich nicht gebraucht", erinnert sich Rehm. An der TU Chemnitz habe es auch eine Studie für einen Elektro-Barkas gegeben. Die Batterien hätten jedoch so viel Platz im Laderaum gebraucht, dass das keinen Sinn ergeben habe, so Rehm.
Weil notwendige Investitionen ausbleiben, kann der Barkas später mit Kleintransportern westlicher Hersteller nicht mehr mithalten. "Die Werkzeuge waren so verschlissen, dass Teile nicht mehr gepasst haben und nachbearbeitet werden mussten. Da wurde jedes Auto zum Unikat", resümiert Bülow. Mit der D-Mark brachen auch die Absatzmärkte in Osteuropa weg. Zwar versuchten die Barkas Werke mit einem neuen Modell mit Vier-Takt-Motor von Volkswagen den Anschluss zu schaffen. Doch der Barkas 1000/1 konnte das Aus nicht mehr abwenden: Am 10. April 1991 wurde die Produktion eingestellt.
Fast 176.000 Barkas in 30 Jahren
In 30 Jahren waren 175.740 Barkas 1000 und 1900 B 1000/1 gefertigt worden. Heute sind sie zwar weitgehend aus dem Straßenbild verschwunden, doch etliche Fans von DDR-Fahrzeugen pflegen diese Oldtimer weiterhin mit viel Hingabe. In der aktuellen Zulassungsstatistik des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) sind rund 3800 Barkas verzeichnet, 1992 waren es nach Angaben der Behörde noch gut 17.700.
Und beinahe hätte die Barkas-Produktion in Russland eine neue Heimat gefunden. Nach dem Mauerfall war versucht worden, mit neuen Partnern die Nutzfahrzeug-Produktion am Standort fortzuführen, erzählt Bülow. Dazu habe es Gespräche, etwa mit Herstellern in Frankreich und England, gegeben. Auch die Fertigung von Campingmobilen war zeitweise im Gespräch.
Als letzte Option blieb ein Neustart in Russland. Dazu wurden die Anlagen und Maschinen demontiert, beschriftet und verpackt; etliche Konstruktionsunterlagen mussten ins Russische übersetzt werden. Eine ganze Fabrik wurde in Kisten verpackt und sollte wie ein Puzzle in der Nähe von Sankt Petersburg neu zusammengefügt werden. Doch am Ende fehlte den Investoren das Geld für den Transport: Anfang 1994 ist das Projekt offiziell gescheitert und damit der Blitz - so die Bedeutung des Wortes Barkas - vollends Geschichte.
Quelle: ntv.de, Andreas Hummel, dpa