Auto

Alex Zanardis rasender Rollstuhl Ohne Beine die 24 Stunden von Spa

Ohne Beine ein 24-Stunden-Rennen zu Fahren ist selbst für Alessandro Zanardi neu.

Ohne Beine ein 24-Stunden-Rennen zu Fahren ist selbst für Alessandro Zanardi neu.

Zugeben, ein Rollstuhl sieht anders aus. Doch nur weil der ehemalige Formel-1-Fahrer Alessandro "Alex" Zanardi keine Beine mehr hat, will er vom Sport nicht lassen. Jetzt hat ihm BMW einen 24-Stunden-Renner gebaut. Dass er nicht ganz vorne mitfuhr, lag nicht am Fahrer.

Die Situation entbehrt nicht einer gewissen Komik. Nur weiß man nicht, ob man sich dabei ein Lachen erlauben darf: Alessandro Zanardi, den sie hier alle wie damals in Amerika nur "Alex" nennen, sitzt auf einem Hocker in der Boxengasse von Spa, seine Beinprothese steckt zwischen den Knien eines Mechanikers, der wie ein Hufschmied an der Metallplatte feilt, die dem ehemaligen Formel1-Profi seit seinem Unfall 2001 am Lausitzring als Ersatz für die Fußsohle dient. Aber Zanardi scherzt so herzlich mit dem Team, dass gar keine Betroffenheit aufkommen kann. Denn 14 Jahre nach dem Crash in einem Indy-Car-Rennwagen auf dem Lausitzring, der ihn beide Beine kostete, hat der Italiener sein Schicksal längst akzeptiert und sich mit der Situation arrangiert. Nicht umsonst hat er bei den Paralympics in London sogar eine Goldmedaille auf dem Handbike gewonnen.

Problem war der Fahrerwechsel

Spengler, Glock und Zanardi wollen die 24 Stunden von Spa gewinnen.

Spengler, Glock und Zanardi wollen die 24 Stunden von Spa gewinnen.

Dass heute trotzdem etwas Ernstes in seinem Blick liegt, hat einen anderen Grund: Es ist Mittwochmittag, morgen beginnt das Abschlusstraining und am Samstagmittag starten die 24 Stunden von Spa. Als erster Rennfahrer ohne Beine will er im Team mit seinen unversehrten Kollegen Timo Glock und Bruno Spengler auf der vollen Distanz mit antreten. "Und wer Zanardi kennt, der weiß, dass für ihn ‚dabei sein’ nicht genug ist", sagt einer aus dem Team ROAL, das dem BMW Z4 mit großer Unterstützung aus München einsetzt: "Die fahren nicht nur mit, sondern wollen ganz nach vorn."

Zwar ist Zanardi auch nach seinem Unfall schon so ziemlich alles gefahren, was Räder hat und war sogar der erste Beinamputierte in einem Formel-1-Rennwagen. Doch ein 24-Stunden-Rennen ist neu für ihn – und es birgt ganz neue Herausforderungen. Nicht nur weil er mehr Kondition braucht als bei den Kurzstrecken-Läufen, die er zuletzt bestritten hat. "Das größte Problem waren für uns die Fahrerwechsel", sagt Dominik Nadler, der als eine Art technischer Direktor des Teams den Umbau des BMW-Werkswagens verantwortet hat.

Für Zanardi wurde in den Z4 eine Klimaanlage gebaut. Untypisch für einen Rennwagen, aber für Zanardi notwendig.

Für Zanardi wurde in den Z4 eine Klimaanlage gebaut. Untypisch für einen Rennwagen, aber für Zanardi notwendig.

Deshalb gibt es für Zanardi nicht nur einen ausklappbaren Haltegriff am Überrollkäfig, an dem er sich in den Wagen wuchten und wieder heraus stemmen kann und ein eigenes Lenkrad mit einem zweiten Bedienkranz für das Handgas. Sondern vor allem hat Nadler gemeinsam mit dem Italiener eine neue Pedalerie entwickelt, an der Zanardi seine beiden Beinprothesen in Sekundenschnelle befestigen kann, ohne dass die Umbauten die beiden Teamgefährten behindern. Musste er seine künstlichen Füße früher binnen fünf bis zehn Minuten mit speziellen Gurten an den Pedalen festzurren, gibt es nun links eine stabile Ablage, in die sich Zanardi einklemmt, sobald er das Kniegelenk seiner Prothese mit einem Griff fixiert hat. Und rechts ragt aus einem zusätzlichen Bremspedal ein 15 Zentimeter langer Dorn heraus, der wie angegossen in das Loch an Zanardis "Sohle" passt. Zumindest passen sollte, wenn ihm die Mechaniker buchstäblich den letzten Schliff gegeben haben.

45 Sekunden ist nicht schlecht

Zwar dauert das Ein- oder Aussteigen bei Zanardi trotz aller Kunstgriffe ein paar Sekunden länger als bei seinen Teamkollegen Glock oder Spengler. Doch damit kann Team-Techniker Nadler gut leben: Bis die Mechaniker die Reifen gewechselt und den Wagen getankt haben, sind wir allemal fertig, sagt der Ingenieur und schaut nach dem Probedurchlauf zufrieden auf die Stopphuhr: "45 Sekunden, das ist fürs Training schon mal nicht schlecht."

Für den Italiener wurde eine neue Pedalerie entwickelt, an der Zanardi seine beiden Beinprothesen in Sekundenschnelle befestigen kann.

Für den Italiener wurde eine neue Pedalerie entwickelt, an der Zanardi seine beiden Beinprothesen in Sekundenschnelle befestigen kann.

Aber Nadler musste nicht nur einen Weg finden, wie Zanardi möglichst schnell hinters Lenkrad oder wieder aus dem Auto heraus kommt. Er musste vor allem dafür sorgen, dass jeder der drei Fahrer das Auto gleich gut im Griff hat. Und da geht es bei dem 535 PS starken V8-Renner nicht nur ums Beschleunigen oder um die elektronischen Gangwechsel mit einem sequentiellen Getriebe, das auch Spengler und Glock vom Lenkrad aus steuern.

Besser sind nur die echten Beine

Da geht es vor allem ums Bremsen. "Auch da hilft die neue Pedal-Box und ermöglicht es Zanardi, dass er den Wagen mit dem Rest seines rechten Beines verzögert", erläutert Nadler. Denn Zanardi nutzt die Prothese wie einen Hebel, ist links fest eingekeilt und rechts so gut ans Bremspedal fixiert, dass er mit einer geänderten Übersetzung immerhin 105 Bar Bremsdruck aufbauen kann. Das sind zwar ein paar Bar weniger als bei Spengler und Glock. "Aber es reicht allemal, um in den Regelbereich des ABS zu kommen und so die maximale Bremswirkung zu erzielen", erläutert Nadler und wirkt sichtlich zufrieden

Zufrieden sind auch die Fahrer: Glock und Spengler haben ihre eigenen Pedale, die so dicht beisammen stehen, wie es die beiden PS-Profis mögen. Stege dazwischen verhindern, dass sich die Füße verheddern. Und nebenbei freuen sich darüber, dass die Ingenieure für Zanardi auch noch eine Klimaanlage eingebaut haben, weil er mit seiner reduzierten Körperoberfläche sonst Probleme beim Temperaturausgleich hat. Und Zanardi hat den Z4 besser im Griff als jeden anderen Rennwagen davor. "Besser als diese Lösung wären nur meine echten Beine, aber die habe ich vor 14 Jahren nun leider fahrlässig verschleudert", sagt der Profi, ohne dabei auch nur einen Hauch bitter zu wirken.

Wie gut die Vollgas-Prothese für den Bleifuß tatsächlich war, haben Zanardi und seine Teamkollegen Glock und Spengler über am letzten Wochenende beim 24-Stunden-Rennen in Spa aller Welt eindrucksvoll gezeigt: Zumindest die ersten 23 Stunden. Denn bis Timo Glock den Z4 mit technischen Problemen eine Stunde vor Schluss abstellen muss, war das Trio unter den ersten zehn.

Quelle: ntv.de, hpr/sp-x

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