Der sparsame Bolzer Ökorakete von VW heißt Golf GTE
02.09.2014, 13:03 Uhr
Äußerlich unterscheidet sich der GTE nur durch den blauen Zierstreifen und den Schriftzug von seinen Brüdern GTI und GTD.
(Foto: Holger Preiss)
Sportliche Autos sind in der Anschaffung häufig teuer und beim Verbrauch keine Kostverächter. Volkswagen will jetzt mit einer Alternative glänzen. Das Ergebnis heißt GTE und hat die Kraft der zwei Herzen.
Wer GT sagt, der denkt an die potentesten Fahrzeuge, die die Autoindustrie seit Jahrzehnten auf die Räder stellt. Im Falle des VW-Konzerns hängt man ich in puncto Sportlichkeit noch ein I oder D an das GT an. Ergo erscheinen die drei bekannten Letter, GTI und GTD, die die Herzen von Freunden der schnellen Fuhre höher schlagen lassen. Im Zuge immer strenger werdender Auflagen bezüglich des Schadstoffausstoßes und dem Wunsch des Kunden, den Spritverbrauch zu minimieren, um die Kosten auch bei Spaßfahrten gering zu halten, mussten sich die Hersteller etwas einfallen lassen. Die probateste Lösung heißt im Augenblick Hybridantrieb. Aber auch hier gibt es im Bereich des sportlichen Fahrens die Angebote eher im hochpreisigen Segment.
Sportfreund für die "Ökofraktion"
Doch jetzt bietet Volkswagen eine entsprechende Alternative und reiht sie in die dynamische GT-Reihe ein. Neben dem GTI, der als Performance mit 250 PS die Speerspitze bildet, steht der GTD mit 184 PS, der dank seines Dieseltriebwerks mit 380 Newtonmeter Drehmoment den Tritt auf den Pin nicht minder attraktiv macht. Der Nimbus des hochmotorigen Bösewichts haftet aber in den Augen der "Ökofraktion" beiden an.
Nun ist es aber so, dass vielleicht auch die Umweltfreunde tief in ihrem Herzen ab und zu den Kickdown suchen. Für die, und alle, die einfach nur den Fahrspaß lieben, denen die Verbrauchsdaten am Ende eines Tages aber wichtig sind und die ein funktionales Auto suchen, das sich fern aller Reichweitenangst bewegen lässt, hat VW den Golf GTE erschaffen. Klar, das GT steht auch hier wie eingangs erwähnt für Sportlichkeit. Das E hingegen steht für Elektroantrieb. So schlagen im GTE zwei Herzen. Ein 1,4 Liter Turbobenziner mit 150 PS und ein Elektromotor mit einer Nennleistung von 102 PS. Summa summarum müssten das 252 PS sein, denkt der eifrige Rechner. Sind es aber nicht! VW gibt die Systemleistung mit 204 PS an. Das, so Volkswagen, spiegelt die tatsächliche und zu jeder Zeit abrufbare Kraft wieder, die im Zusammenspiel beider Triebwerke generiert werden kann. Aber was passiert, wenn der Akku leer ist, wird der aufmerksame Leser fragen? Das wird nicht passieren. Die Batterie hat eine Kapazitätsaufteilung, die ein Drittel der Leistung immer bereit hält, um eben den vollen Leistungsumfang zur Verfügung zu stellen. Das wird durch die Rekuperation der Brems- und Rollenergie gewährleistet.
Wenn die beiden Motoren beim Boosten zusammenarbeiten, treiben sie den mit 1,6 Tonnen etwas schwereren GTE über das angenehm feinnervig schaltende 6-Gang-DSG in 7,6 Sekunden an die Tempo 100 Marke und lassen ihn bis auf 222 km/h voranstürmen. Satte 350 Newtonmeter Drehmoment stehen zur Verfügung, was den Hybrid-Sportler auch beim Ampelstart auf die vorderen Plätze katapultieren dürfte.
Spaß am Sparen
Nun ist die Kraft der zwei Herzen aber nicht nur als sportliches, sondern auch als ökologisches Aushängeschild gedacht. Mit einem CO2-Ausstoß von 35 g/km liegt der GTE hier ganz weit vorne. Noch wichtiger für den Alltagsfahrer dürfte der Gesamtverbrauch sein. Den gibt VW mit 1,5 Liter auf 100 Kilometer an. Hinzu kommt über dieselbe Distanz ein Stromverbrauch von 11 kWh. Diese Traumwerte erreicht der Ökosportler allerdings nur auf dem Rollenprüfstand. Aber auch die auf einer ersten Ausfahrt im Hybrid-Modus erfahrenen Werte können sich sehen lassen. Über eine Distanz von 129 Kilometern verbrannte der Testwagen im Schnitt 4,9 Liter Super und genehmigte sich 3,4 kWh aus dem Akku. Das Ganze bei einer durchaus angemessenen, aber nicht spaßfreien Fahrt. Die mögliche Gesamtstrecke für den Golf GTE gibt VW mit 940 Kilometern an.
Für Freunde der schnellen Runde liegt der Spaß im Übrigen in der GTE-Taste. Wird die nämlich per Fingerdruck zum Leuchten gebracht, stellt der Ökobolide seine ganze Potenz zur Verfügung. Aber Achtung: Der "Spaßknopf" liegt in der Mittelkonsole direkt unter dem optisch deutlich wahrnehmbareren Start-Stopp-Button und aus dem Augenwinkel ist man im ersten Moment immer versucht, diesen zu drücken.
Hat man aber den Finger richtig gesetzt, schlägt der Zeiger des Powermeters, das anstelle eines Drehzahlmessers in die Instrumententafel integriert ist, bei einem Kickdown wütend nach rechts aus und der GTE schiebt seine Insassen druckvoll in die Sportpolster. Für die Soundfetischisten haben die Ingenieure über einen Aktuator an dieser Stelle auch eine entsprechende Kulisse geschaffen, die dem Piloten tonal das Gefühl geben soll mit einem echten Athleten unterwegs zu sein. Leider klingt das für ein geübtes GTI-Ohr etwas bemüht und angestrengt. Außerdem ist der Ton nur für die Fahrgäste wahrnehmbar, die Umwelt bleibt verschont.
Der schweigsame Sportler
Mit totalem Stillschweigen wird belohnt, wer den GTE rein elektrisch bewegt. Das gelingt immerhin über eine Distanz von glaubwürdigen 50 Kilometern und bis zu einer Geschwindigkeit von 130 km/h. Die auf der Testfahrt zu bewältigende Stadtstrecke über 26 Kilometer wurde flüsterleise und rein elektrisch zurückgelegt. Lediglich das leise Surren und Pfeifen des E-Motors ist im Innenraum zu vernehmen. Auf Landstraße und Autobahn schaltet die Elektronik dann automatisch in den Hybrid-Modus und beide Triebwerke teilen sich nun wieder die Arbeit. Mit wachem Auge beobachtet der Fahrer in den Rundinstrumenten, wie die Kapazität des Akkus immer weiter abnimmt, wenn er beispielsweise über Serpentinen den Berg erklimmt. Mit Freude stellt er dann aber auch fest, dass sich bei der Abwärtsfahrt, mit Hilfe der schon erwähnten Energierückgewinnung, die Batterie wieder füllt. Im Fall der Testfahrt standen bei Einfahrt in die Stadt wieder 21 Kilometer zur Verfügung, die rein elektrisch zurückgelegt werden konnten.
Um den Akkumulator wieder aufzuladen, gibt es drei Möglichkeiten. Auf langen Fahrten kann der Verbrenner als Generator genutzt werden, was natürlich den Spritverbrauch in die Höhe treibt. An der Haushaltssteckdose dauert der Ladevorgang unter vier Stunden und an einer Wallbox sind es noch knapp zwei Stunden bis 100 Prozent erreicht sind. Der Anschluss für das Ladekabel befindet sich im Übrigen hinter dem VW-Logo in der Front.
Die späte Idee ist oft besser
Den Wolfsburgern wurde lange der Vorwurf gemacht, dass sie auf dem Gebiet der Plug-In-Hybrid-Fahrzeuge nicht die ihnen zustehende Vorreiterrolle einnehmen. VW-Chef Martin Winterkorn kommentiert das mit Blick auf den GTE und meint: "Wer später kommt, hat oft die besseren Ideen." Ob sich die Idee des GTE durchsetzt, wird die Zeit erweisen. Denn neben den technischen Innovationen muss der Käufer sich über zwei Dinge im Klaren sein: Mit 36.900 Euro ist die Öko-Kampfmaschine kein Schnäppchen. Hat aber dafür auch wie seine GT-Brüder alles an Bord: Voll-LED-Scheinwerfer, LED-Tagfahrlicht und Rückleuchten, Sportsitze, ein Highend-Infotainmentsystem mit 6,5-Zoll-Display, mobile Onlinedienste, Edelstahlpedalerie, um nur einiges zu nennen. Auch ansonsten ist der GTE was Verarbeitung und Optik betrifft ein Golf.
Die einzige wirkliche Einschränkung muss der Fahrer des kompakten Ökosportlers bei der Zuladung in Kauf nehmen. Der Kofferraum fasst, statt der üblichen 380 Liter, nur noch 272 Liter, weil in dem sonst zur Verfügung stehenden doppelten Ladeboden die Hochvoltbatterie verbaut ist. Wer mit dem Gedanken spielt sich einen GTE zuzulegen, hat noch ein wenig Bedenkzeit. Der Marktstart ist für Dezember geplant. Für die Zukunft ist auch ein Passat als Hybrid geplant und ab 2017 könnte auch der Polo über das bivalente System angetrieben werden.
Quelle: ntv.de