Tagträume auf Genfer Autosalon VW schwebt zwischen Alltag und Vision
03.03.2015, 09:18 Uhr
So sieht VW seine Zukunft: scharf, sportlich und schnell.
(Foto: picture alliance / dpa)
Traditionell eröffnet der VW-Konzern den Vorabend zum Autosalon in Genf mit einem Konzernabend. In einem Schnelldurchlauf präsentieren die Marken des Mutterhauses hier ihre Neuheiten. Doch was bei der sogenannten Group Night wirklich begeistert, sind die Visionen.
Auch in diesem Jahr präsentiert Volkswagen die automobilen Neuheiten wieder auf einer sogenannten Group Night, bevor sie am kommenden Tag auf der Messe in Augenschein genommen werden können. Wirklich neu wirkt auf den ersten Blick nicht alles von dem, was VW da auf die Bühne fährt. Da feiern zwei Familienautos ihre Neuauflage, halten sich aber optisch dezent im Hintergrund.
Im unteren Preissegment tritt der Hochdachkombi Caddy an, der dezent geliftet mit neuen Motoren und aufgerüsteter Bordelektronik zur Präsentation rollt. Komfortabler als in dem Nutzfahrzeug-Ableger dürfte es im neuen Touran zugehen. Optisch schärfer gezeichnet, bildet jetzt der Modulare Querbaukasten (MQB) die Grundlage des Kompakt-Van. Entsprechend sinkt das Gewicht, während das Platzangebot wächst. Allein das Staufach im Heck wächst auf 743 Liter, wird die Rückbank umgelegt, sind es sogar 2000 Liter. Dazu gibt es neue Assistenten und Motoren sowie das moderne Infotainment-System aus der Golf-Familie.
Sport Coupé Concept zeigt VW-Zukunft
Aber viel interessanter, was Zukunft, Design und Dynamik betrifft, ist da schon die Studie des Sport Coupé Concept GTE. Zum einen gibt sie einen Ausblick auf den nächsten VW CC, zum anderen soll sie auf die kommende "progressivere" Designlinie der Marke verweisen, wie Entwicklungschef Heinz Jakob Neußer betont. Und tatsächlich zeigt sich das Konzept im Vergleich zum aktuellen CC noch einmal deutlich dynamischer. Eine tiefgezogene Motorhaube wird von weit nach oben gezogenen Scheinwerfern flankiert, während eine extrem scharfe Tornadolinie die Seitenansicht bestimmt und gleichzeitig die LED-Rückleuchten auffängt, unter denen zwei ebenso kantige Diffusor-Blenden thronen. Für den Antrieb der Studie sorgt ein Plug-in-Hybridsystem aus zwei Elektromotoren und einem V6-Turbobenziner, das mit einer Nennleistung von 380 PS alle vier Räder antreibt und das Coupé Concept in 5,0 Sekunden auf 100 km/h beschleunigen soll. Den Verbrauch gibt Neußer mit lediglich 2,0 Liter auf 100 km an. Die rein elektrische Reichweite liegt bei 50 Kilometern.
Die Neuauflage des zwischenzeitlich vom Vorsatz Passat befreiten CC dürfte aber frühestens in zwei Jahren auf den Markt kommen. Schade eigentlich, denn wie schon der CC im Jahr 2008, bricht auch die Studie deutlich mit den sonst doch sehr klaren und manchmal ein wenig nüchtern wirkenden VW-Linien. Wie gehabt, soll sich das Modell auch in Zukunft zwischen Passat und dem Oberklassemodell Phaeton ansiedeln. Allerdings darf davon ausgegangen werden, dass der neue CC größer, edler und teurer wird und damit ein Stück weiter in Richtung Oberklasse rückt.
Audi PS-geladen und mit Shooting Brake
Ähnlich verwegen gibt sich Audi in Genf. Die edle VW-Tochter setzt im Bereich des "Alltäglichen" allerdings vor allem auf Leistung. Highlight auf dem Stand ist die zweite Auflage des Supersportwagens R8. Der Allrader tritt optisch schärfer auf, bleibt technisch aber vorerst seinem Konzept treu. Für den Antrieb sorgt wie bei seinem nächsten Verwandten, dem Lamborghini Huracan, ein V10-Benziner mit Saugmotoren ohne Turboaufladung, aber mit mindestens 540 PS. In nur 3,2 Sekunden wird hier die Tempo-100-Marke geknackt und Schluss ist erst, wenn die Tachonadel die Zahl 330 erreicht hat.
Aber auch bei Audi werden echte Begehrlichkeiten durch eine Studie geweckt. Nach dem Coupé-Konzept Prologue stellt Audi-Entwicklungschef Ulrich Hackenberg auf dem Genfer Salon eine Kombi-Version des "Design- und Technologie-Trägers" vor. Der 5,11 Meter lange Prologue Avant erinnert mit seinem flach abfallenden Kombi-Heck sehr an den Mercedes CLS Shooting Brake. Und warum auch nicht? Schließlich sind die Stuttgarter mit dieser Karosserieform nicht ohne Erfolg in die Oberklasse gefahren. Und wie sagt Hackenberg? "Vorsprung durch Technik geht Hand in Hand mit Design."
Eine recht hohe Gürtellinie lässt den Prologue Avant massiv wirken, die Radhäuser werden dezent nach außen gezogen. Die stark akzentuierte Front mit dem großen Kühlergrill wirkt extrem dynamisch. Dank Matrix-Laser-Technik konnten die Scheinwerfer bei gleicher Lichtausbeute sehr schmal gehalten werden. Weitere Leuchteinheiten betonen die sportlichen Lufteinlässe. Und auch am Heck spielen die Ingolstädter mit dem Licht. Dort läuft nämlich ein Leuchtband über die volle Breite des Autos. Die LED-Heckleuchten wechseln zwischen zwei- und dreidimensionalen Effekten.
Futuristischer Innenraum und potenter Hybrid
Im Inneren wird es dann futuristisch. Wie schon bei der Coupé-Studie erstreckt sich hier ein berührungsempfindlicher Bildschirm quasi über das gesamte Armaturenbrett. Der Fahrer findet Assistenz- und Multimedia-Flächen links und rechts vom Lenkrad, hat zudem noch ein OLED-Display (organische LED) auf der Konsole des Mitteltunnels für Schrifteingabe, Klimatisierung und Infotainment.
Der Beifahrer hat für seine Belange einen eigenen Bildschirm und auch die Fond-Passagiere, die auf zwei Einzelsitze gebettet werden, haben Tablets und ein OLED-Display für Bedienung und Unterhaltung. Eine intelligente Software soll Fahrer und Passagiere sogar anhand ihrer Smartphones identifizieren, stellt Sitze und Klimatisierung nach ihren Vorlieben ein und macht Vorschläge für Musik und Routenplanung.
Deutlich näher an der Serie als die Bedienung ist aber der Plug-in-Hybrid-Antrieb, er ist nahezu identisch mit dem im Audi Q7 e-tron quattro, der im Sommer auf den Markt kommt. Die Systemleistung von 3,0-Liter-Diesel und Elektromotor ist mit 455 PS allerdings noch etwas höher. Eine Achtstufenautomatik leitet die Kräfte des Motors an alle vier Räder. Das Showcar sprintet laut Audi in 5,1 Sekunden auf 100 km/h, im Mittel soll der Avant nur 1,6 Liter Diesel auf den ersten 100 Kilometern verbrauchen. Die Batterie, die 14,1 kWh Energie speichert, lässt sich induktiv laden. Luftfederung und Allradlenkung sollen für ausreichend Komfort und Fahrdynamik sorgen.
Bentley EXP 10 Speed 6
Und weil wir gerade in dem schwelgen, was da in Zukunft alles aus dem VW-Konzern auf uns zurollen könnte, darf eine letzte Studie nicht unerwähnt bleiben: der Bentley EXP 10 Speed 6. "In der Geschichte von Bentley", so erklärt Entwicklungschef Rolf Frech, "steht EXP 10 für zweisitzige Sportwagen." Auch das zeigt deutlich, wo die Reise hingeht. Mit der Studie löst sich auch Bentley von der doch schon etwas angestaubten Formsprache hin zu Emotionalität und Sportlichkeit. "Dieses Modell könnte neben dem Continental GT eine neue Modellreihe begründen und eine Spitzenstellung in einem weiteren Marktsegment einnehmen", erklärt Wolfgang Dürheimer, der Chef der Marke. Wie dieser mit Sicherheit sündhaft teure Sportwagen befeuert wird, ist aber scheinbar noch ein Geheimnis. Aber die Aussage von Dürheimer, "die besten Jahre kommen für Bentley noch", darf man angesichts des EXP 10 Speed 6 für bare Münze nehmen.
Quelle: ntv.de