In der Praxis kein Sparfuchs Audi A6 - Solide, aber nicht neu
12.04.2015, 13:24 Uhr
Nur dezente Retuschen schärfen das Gesicht des aktuellen Audi A6.
(Foto: Busse/Textfabrik)
Den in Deutschland rund 120.000 Neuzulassungen umfassenden Markt der Business-Limousinen haben die drei Premium-Marken Audi, BMW und Mercedes praktisch unter sich aufgeteilt. Warum der Audi A6 im letzten Jahr der beliebteste war, soll der n-tv.de-Praxistest klären.
Es war wie immer ein enges Rennen, am Ende lagen die vier Ringe vorn. Die gehobene Mittelklasse wird nicht nur in Deutschland, sondern weltweit von Audi, BMW und Mercedes dominiert. Im vergangenen Jahr eroberte Audi mit rund 39.600 Neuzulassungen den Spitzenplatz, mit geringem Abstand folgten BMW und Mercedes. Im Jahr zuvor hatte die Ingolstädter noch mit der Bronzemedaille Vorlieb nehmen müssen.

Fahrdynamisch und komfortabel gibt sich die Audi A6-Limousine im Praxistest.
(Foto: Busse/Textfabrik)
Ob das im vergangenen Herbst vorgestellte Facelift der Business-Limousine den letzten Schub zum Sieg verlieh, bleibt Spekulation, Tatsache ist aber, dass die drei Konkurrenten zum überwiegenden Teil von Vielfahrern genutzt werden. BMW hat mit 94 Prozent den höchsten Dieselanteil, gefolgt von Audi (92) und Mercedes (80). Von den neun gegenwärtig bei Audi angebotenen Diesel-Modellen werden fünf von einem Dreiliter-Sechszylinder angetrieben. Das Grundmodell hat Frontantrieb und 218 PS, die Topversion Allrad und 326 PS. Schon im Vorgängermodell gab es die Leistungsstufe mit 272 PS, es erfüllt jetzt aber dank Ad-Blue-Technologie die EU6-Norm, so, wie der bereits 2010 von n-tv.de getestete Clean-Diesel-Motor für den US-Markt. Als Kraftübertragung hat Audi die stufenlose Multitronic in Rente geschickt, jetzt gibt es nur noch das 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe oder die achtstufige Wandlerautomatik von ZF.
Kosmetischer Feinschliff
Was ist noch neu am gelifteten A6? Die zarten Retuschen fallen erst auf den zweiten Blick ins Auge, statt des großen Griffs ins Blech wurde an Grill, Scheinwerfern, Stoßfängern, Schwellern und Rückleuchten der Feinschliff angewendet, das elegante und ausgereifte Design sollte so aufpoliert und schärfer akzentuiert werden. Zur neuen Optik gehören die animierten Blinklichter, deren Leuchtdioden nacheinander in die beabsichtigte Fahrrichtung weisen. Genau die richtige Dosis aus Technik-Verliebtheit und funktioneller Harmonie bestimmte von jeher das Cockpit, weshalb im Zuge des Facelifts lediglich galvanisierte Schalter und ein neuer Automatik-Wählhebel die kosmetischen Maßnahmen ausmachen. Mit neuen Farben und Polstern will der Hersteller zusätzliche Anreize schaffen.

Das edel wirkende Holzdekor - "Nussbaum Beaufort" - kostet 870 Euro Aufpreis.
(Foto: Busse/Textfabrik)
Wer seinen A6 mit dem 1380 Euro teuren Head-Up-Display bestellt, muss weiterhin das aus der Instrumentenabdeckung heraus ragende Projektions-Fenster in Kauf nehmen. Die noch unter dem damaligen Einwicklungschef Michael Dick integrierte Lösung stellte aus seiner Sicht einen nicht ganz gelungenen Kompromiss dar, denn die notwendige Bautiefe des Systems ließ sich nicht mit der angestrebten flachen und lichten Cockpit-Architektur vereinbaren. Eine Änderung wird wohl erst die nächste A6-Generation bringen. Eine Erweiterung der MMI-Plattform ermöglicht im A6 jetzt die Eingabe von Befehlen über eine berührungsempfindliche Fläche auf der Mittelkonsole, per LTE-Leitung können Inhalte – etwa zur Musikübertragung - schneller aus dem Internet gesaugt werden.
Dass die Hersteller an den Limousinen der oberen Mittelklasse gut verdienen, liegt an der Bereitschaft der Kunden, angebotene Sicherheits- und Komfortsysteme gern und reichlich zu bestellen. Der Nachsicht-Assistent für 2000 Euro ist so ein System, es ermöglicht bei Dämmerung und Dunkelheit eine zuverlässige Erkennung von Mensch und Tier auf der Straße oder daneben. Auf einem Monitor zwischen Tacho und Drehzahlmesser werden diese heller als die Umgebung dargestellt, außerdem gibt es eine akustische Warnung für den Fahrer. Als so genanntes Ferninfrarot-System (FIR) reagiert die Kamera – sie sitzt hinter dem linken Audi-Ring am Frontgrill - auf die Wärme, die die Objekte abstrahlen. Ein Rechner wandelt die Informationen in Schwarzweiß-Bilder um. Die FIR-Technologie kann bis zu 300 Meter weit vorausblicken – weit über die Reichweite des Fernlichts hinaus – und lässt sich von entgegen kommenden Scheinwerfern und ähnlichen Lichtquellen nicht blenden.
Zum Serienumfang der Ausstattung gehören bei A6 unter anderem Xenon-Scheinwerfer (LED-Matrix-Licht kostet 2430 Euro), Licht- und Regensensor, abblendbarer Innenspiegel, elektrische Heckklappe, Wegfahrsperre, Klimaautomatik, Tempomat, elektronische Differenzialsperre und Start-Stopp-System. Die Lederpolster sind bequem und auch bei verschärfter Gangart ausreichend seitenstabil.
Entgiftung durch Harnstoff-Zusatz
Vom neu gemischten Sortiment der Motoren und Getriebe verspricht Audi Verbrauchsabsenkungen von bis zu 22 Prozent – auf dem Rollenprüfstand, versteht sich. Für den mittleren Dreiliter-Diesel bedeutet das 5,1 Liter je 100 km. Dass dies in der Praxis mit einem 1860 Kilo schweren Testwagen möglich sein soll, kann man sich nur schwer vorstellen. Zentrales Ziel der EU6-Norm ist die Absenkung des Stickoxid-Ausstoßes. Das funktioniert so: Nach dem Partikelfilter wird eine 32,5-prozentige wässrige Harnstofflösung ("Ad Blue") in den Gasstrom eingedüst. In der heißen Abgasanlage entsteht hieraus Ammoniak und Wasser. Im DeNOx-Katalysator reagiert der Ammoniak mit dem Gas, worauf Stickstoff und Wasser entstehen. Der AdBlue-Vorrat beträgt modellabhängig zwischen 17 und 23 Liter. Bei einem Kraftstoffverbrauch von 7,5 Liter je 100 km werden etwa 0,3 bis 0,5 Liter Ad Blue verbraucht. Wann nachgefüllt werden muss, signalisiert eine Warnleuchte im Cockpit. Die Ergänzung des Vorrats übernimmt entweder die Servicewerkstatt oder der Kunde selbst mittels des Einfüllstutzens neben der Tanköffnung.
In kaltem Zustand braucht der allgemeine Systemcheck rund vier Sekunden, bis der Sechszylinder auf das Signal des Startknopfes reagiert. Diese Zeit reduziert sich, wenn das Fahrzeug nur kurz abgestellt ist. Der sehr dezent und kultiviert arbeitende Motor ist nach der Warmlaufphase im Innenraum kaum noch wahrnehmbar, Passenten draußen gegenüber verleugnet er die Selbstzündertechnik nicht. Die 7-Gang-S-tronic des Testwagens ließ bezüglich der bedarfsgerechten Leistungs-Portionierung und der spontanen Umsetzung von Gasbefehlen keine Wünsche offen. Gleiches gilt für den Reisekomfort auf der Autobahn, wo beim Testwagen im letzten Viertel der Tacho-Skala allerdings eine etwa fünfprozentige Abweichung von der Effektiv-Geschwindigkeit festgestellt wurde (190 km/h statt angezeigten 200).
Als optimal und ausentwickelt sieht man bei Audi wohl auch das Fahrwerk an, denn es blieb zum Facelift von Änderungen verschont. Das Fahrdynamik-System Drive Select (Serie) verfügt über einen Efficiency-Modus, die frühzeitiges Hochschalten auslöst und so die Motordrehzahlen niedrig hält. Dies schützt jedoch nicht davor, dass bei einem entsprechenden Kurzstreckenanteil der Verbrauch weit über dem Soll liegt. Bei dieser Testfahrt gab der Bordcomputer schließlich 7,8 Liter je 100 Kilometer zu Protokoll.
Fazit: Für die zweite Phase seines Lebenszyklus hat Audi das Gute bewahrt und die Motoren auf das gesetzlich geforderte Niveau gebracht. Hoher Reisekomfort wie die Abwesenheit von nennenswerten Schwächen erfüllten die Erwartungen. Ebenso wenig ist es eine Überraschung, dass zusätzliche Annehmlichkeiten erheblichen Kostenaufwand nach sich ziehen können. Ein Viertel des Kaufpreises für Sonderausstattungen aufzuwenden, ist im Segment der gehobenen Mittelklasse Gang und Gäbe.
DATENBLATT | Audi A6 3.0 TDI quattro |
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe) | 4,93/ 1,87/ 1,46 m |
Radstand | 2,91 m |
Leergewicht (DIN) | 1860 kg |
Sitzplätze | 5 |
Ladevolumen | 353 Liter |
Motor | V6 Turbodiesel mit 2967 ccm Hubraum |
Getriebe | 7-Gang Doppelkupplungsgetriebe |
Leistung | 200 kW/272 PS |
Kraftstoffart | Diesel |
Antrieb | Allrad permanent |
Höchstgeschwindigkeit | 250 km/h |
Tankvolumen | 73 Liter |
max. Drehmoment | 580 Nm bei 1250 - 3250 U/min |
Beschleunigung 0-100 km/h | 5,5 Sekunden |
Normverbrauch (außerorts/innerorts/kombiniert) | 4,6 / 5,9 / 5,1 l |
Testverbrauch | 7,8 l |
CO2-Emission | 133 g/km |
Grundpreis | 53.500 Euro |
Preis des Testwagens | 83.970 Euro |
Quelle: ntv.de