Premium fürs kleine Geld Cadillac ATS Coupé - Der Bolzer aus Übersee
19.05.2015, 14:46 Uhr
Eigenwillig gezeichnet, macht das Cadillac ATS Coupé dennoch eine richtig gute Figur und ist wahrscheinlich nichts für jedermann.
(Foto: Holger Preiss)
Wer an Cadillac denkt, der hat riesige Straßenkreuzer im Hinterkopf, die etwa so dynamisch sind wie ein Schlafsofa. Aber weit gefehlt: Das ATS Coupé der Amis zeigt im Praxistest, wo der Hammer hängt. Wenn auch an einigen Stellen ein wenig schief.
Um es gleich vorwegzunehmen: Ja, Cadillac gibt es noch, auch in Deutschland und nein, der US-amerikanische Autobauer hat nicht nur vergoldete Schlachtschiffe für Elvis Presley gebaut. Nun gut, tatsächlich ist es so, dass die Amis schon echte Kreuzer auf die Highways geschickt haben. Darunter auch Coupés wie den Eldorado Seville, der seine erste Auflage 1966 hatte und 1991 eine Wiedergeburt erlebte, diesmal aber deutlich sportlicher. Optisch hat das aber alles nichts mehr mit dem zu tun, was Cadillac heute anbietet. Das neue Sportcoupé trägt das knackige Kürzel ATS, was allerdings nichts anderes bedeutet als Alpha Touring Sedan und ein Verweis darauf ist, dass der Wagen auf der Alpha-Plattform von GM steht.

Das breite Heck, die zentrierten Endrohre und die senkrechten Leuchten geben auch dem Hinterteil des Cadillac ATS Coupé etwas ganz Eigenes.
(Foto: Holger Preiss)
Dem Umstand, dass es sich um einen durchaus potenten Bolzer handelt, tut das natürlich keinen Abbruch, denn bereits mit der kühnen Optik wird Kraft manifestiert. Da ist der mächtige Kühlergrill am Ende einer wunderbar langen Motorhaube, die von den vertikalen Scheinwerfern gerahmt wird. Das Heck beginnt in einem scharf hinter der B-Säule abknickenden Dach und stellt seine Eigenständigkeit ebenfalls mit senkrecht stehenden Leuchten und zentrierten Endrohren unter Beweis. Das Ganze wirkt breit und mächtig, entbehrt aber nicht einer gewissen Dynamik, die zu einem Coupé gehört wie der Milchschaum auf den Cappuccino.
Lässt man also die Blicke so schweifen, kommt man nicht umhin, den Designern des ATS trotz aller Eigenwilligkeit ein Kompliment zu machen und zu mutmaßen, dass dieser Wagen etwas für Individualisten sein könnte und vielleicht für übersättigte Kunden deutscher Premiummarken. Doch um im Revier eines Audi A5 oder BMW 4er wildern zu können, bedarf es mehr als nur einer schicken Hülle. Also werfen wir einen Blick in den Innenraum des Testwagens.
Alles im Blick und im Griff

Man kann dem Innenleben des ATS eine gewisse sportliche Eleganz nicht absprechen. Die Verarbeitung jedenfalls geht absolut Ordnung.
(Foto: Holger Preiss)
Zuerst fällt man in die tiefen und straff gepolsterten Sportsitze mit Lederbespannung. Dann nimmt man das wunderbar fette Volant mit den hinterleuchteten Bedienelementen in die Hand und lässt den Blick über einen zentrierten analogen Tacho schweifen, zu dessen Linken sich der Drehzahlmesser platziert hat. Darunter ruht ein Multifunktionsdisplay, das alle wichtigen Informationen nach Wunsch auflistet. Wer die Augen auf der Straße behalten will, der hat ein ausgesprochen schick gestaltetes Head-up-Display, das Tempo und Drehzahl in die Windschutzscheibe projiziert. Zur Rechten des Fahrers befindet sich die Multimediaeinheit, die neben DAB+, Navi und Bose-Soundsystem mit zehn Lautsprechern für zusätzlich 1000 Euro, über Slide-Bewegungen und sanftes Tippen auch die Klimaautomatik und das über Bluetooth verbundene Telefon steuert.
Das alles macht einen recht schicken Eindruck und auch über die Verarbeitung kann nicht gemeckert werden. Wer zartbesaitet ist, könnte bemängeln, dass ihm einige Teile wie Blinkgeber und Tasten bekannt vorkommen. Aber woher? Richtig, aus dem Opel Insignia. Letztlich nicht ungewöhnlich, denn die Mutter ist wie erwähnt General Motors und auch dort wird der Kostenersparnis folgend das Baukastenprinzip genutzt. Um den Ami nun zum Leben zu erwecken, muss der Startknopf einen Augenblick gesucht werden, denn der ist nicht rund, sondern sieht aus wie das Viertel einer Torte und befindet sich am linken Rand der Mittelkonsole.
Verzückender Hammerschlag
Kurz gedrückt belebt er den ausschließlich in Europa angebotenen turbogeladenen Vierzylinder mit zwei Litern Hubraum, dem ordentliche 276 PS entlockt werden. Was noch nicht so beeindruckend ist: Denn erst, wenn mit einem beherzten Tritt auf das Gaspedal die 400 Newtonmeter wie ein Hammerschlag auf beide Achsen krachen und die 255er Pneus sich im Boden verbeißen, um das Coupé dann heftig nach vorne schießen zu lassen, dass die Beifahrerin klagt, es würde sich ihr der Magen heben, hat der Pilot Spaß. Über sechs Schaltstufen ballert das Automatikgetriebe jetzt die Gänge rein und in beachtlichen 6,2 Sekunden hat man die Tempo-100-Marke passiert. Doch im direkten Duell mit der potenten Premiumkonkurrenz muss der ATS-Fahrer jetzt hart im Nehmen sein. Dem amerikanischen Sicherheitsgebaren folgend ist nämlich bei 240 km/h Schluss. Die Elektronik regelt 10 km/h vor den deutschen Mitbewerbern ab.
Schade, hier hätte man mehr Offenheit zeigen können, denn weder Fahrwerk noch Lenkung lassen Zweifel daran, dass die Geschwindigkeit zu bewältigen wäre. Ganz im Gegenteil: Dank Hinterradantrieb, Brembo-Bremsanlage vorn, aufwändiger Achskonstruktion und einer sehr direkten und mit ausgezeichneten Rückstellkräften arbeitenden Lenkung nimmt der Cadillac auch schnell gefahrene Kurven mehr als locker. Hinzu kommt, dass der lange Radstand zum einen die sportliche Attitüde unterstützt, zum anderen aber auch komfortables Reisen zulässt. Viel besser treffen auch die deutschen Hersteller den Kompromiss aus Sport und Alltag nicht.
Drehzahlsprünge und großer Durst

Die zwei Einzelsitze im Fond sind für Erwachsene eher etwas für die Kurzstrecke. Selbst Kinder haben dort nur Freude, wenn sie bereits ohne Sitzhilfe verankert werden können.
(Foto: Holger Preiss)
Allerdings müssen noch zwei Kleinigkeiten erwähnt werden, die nicht ganz so gelungen sind. Wer nämlich beherzt aufs Gas tritt, bekommt zwar einen ordentlichen zusätzlichen Punch, muss aber mit einer etwas gekünstelten Soundkulisse leben, die irgendwie an einen Sechszylinder erinnern soll, dabei aber ziemlich dünn klingt. Selbst bei zurückhaltender Fahrweise passiert das nicht selten, denn die sechs Schaltstufen zwingen die Automatik immer wieder zu größeren Drehzahlsprüngen, was auf langen Strecken nerven kann. Hier böte sich die Arbeit mit den Paddles an. Die sind aber durch das konische Lenkrad nur für Langfinger bequem zu erreichen.
Verschwiegen wurde bis zu dieser Stelle auch der Verbrauch. Das Datenblatt spricht von 8,3 Litern im Schnitt. Davon war der Testwagen allerdings weit entfernt. Wer den Amerikaner häufiger an die Regelgrenze fährt, was zugegeben ausgesprochen launig ist, der muss mit mehr als 12 Litern rechnen, die sich durch die Endrohre verflüchtigen. Aber selbst bei kommoder Fahrweise bleibt die Zahl vor dem Komma zweistellig und das ist deutlich zu viel für einen Vierzylinder. Selbst dann, wenn er muntere 276 Pferdchen mobilisiert.
Fazit: Der Cadillac ATS muss fahrtechnisch den Vergleich mit der deutschen Premiumkonkurrenz nicht scheuen. Sein größter Vorteil ist aber der Einstiegspreis. Bereits ab 39.600 Euro fährt man mit 276 PS und einem fast komplett ausgestatteten Hecktriebler vom Hof. Zur Basisausstattung gehören nämlich schon 18-Zoll-Aluräder, Xenonlicht, Klimaautomatik und Metalliclack. Der größte Posten sind für 2520 Euro die wirklich empfehlenswerten Assistenzsysteme wie Tempomat mit adaptivem Abstandswarner und Bremsassistent, Spurwechselalarm, Ausparkhilfe mit Warner für kreuzenden Verkehr und Rückfahrkamera. Wer den ATS mit allen Extras und Allradantrieb bestellt, kommt letztlich auf einen Preis von 53.415 Euro. Dank des relativ geringen Einstiegspreises dürfte auch die Restwertanalyse von Bähr & Fess Forecasts nicht schocken. Nach vier Jahren hat der ATS noch 41,5 Prozent seines Neuwertes. Legt man also den Einstiegspreis zugrunde, bleiben am Ende noch 16.434 Euro.
DATENBLATT | Cadillac ATS Coupé |
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe) | 4,66 / 1,84 / 1,39 m |
Leergewicht (DIN) | 2020 kg |
Sitzplätze | 2 + 2 |
Ladevolumen | 295 Liter |
Motor | Reihen-Vierzylinder 1998 ccm Hubraum |
Getriebe | 6-Gang-Automatikgetriebe mit Driver Shift Control und Sport-Modus |
Systemleistung | 203 kW/ 276 PS |
Kraftstoffart | Benzin |
Antrieb | Allradantrieb |
Höchstgeschwindigkeit | 240 km/h (abgeregelt) |
max. Drehmoment | 400 Nm bei 3000 - 4500 U/min |
Beschleunigung 0-100 km/h | 6,2 s |
Normverbrauch (Stadt, Land, kombiniert) je 100 km | 12,0 / 6,2 / 8,3 l |
Testverbrauch | 11,7 l |
Tankinhalt | 62,5 l |
CO2-Emissionen (Normverbrauch) | 277 g/km |
Emissionsklasse | EU 5b+ |
Grundpreis | 39.600 Euro |
Preis des Testwagens | 53.415 Euro |
Quelle: ntv.de