
Da werden die Wörter miteinander verschachtelt, dass es nur so rappelt im Karton.
(Foto: imago/Westend61)
Englisch im Alltag: Das ist mehr als "Sorry" und "Sale". Schließlich gibt es eine Menge sogenannter Schachtelwörter, die viel origineller und praktischer sind. "Sexting" zum Beispiel. Oder "Sharenting" und "Freemium". Unser Leben ist mittlerweile voll davon!
Alle lieben den Brunch. Erstens, weil dafür immer eine Reihe Leckereien aufgetischt werden. Und zweitens wegen der Uhrzeit: zwischen Breakfast und Lunch - deshalb ja Brunch! Und falls es dem einen oder der anderen dann doch zu spät ist, klingt das so:
– "Schatz, bist du sauer?"
– "Ja, ich habe Hunger!"
Klarer Fall: Schatz ist hangry – also hungry + angry.
Ein Wort, zwei Bedeutungen - die Methode ist genial: Man nehme zwei Wörter, haue sie auseinander und verschweiße sie an der Stelle, die am besten hält. Eine genauere Regel gibt es nicht, denn es gilt, dass es einfach gut klingen und von den Lippen gehen muss:
– Advertorial: Der Mix aus Werbung und Journalismus
– Nonversation: Ein Gespräch ohne Sinn
– Dash: Digitaler Cash.
Die Wirkung dieser originellen wie praktischen Kurzwörter wird deutlich, wenn man in Deutschland "ein Gratisangebot mit zusätzlichen Kaufoptionen" erhält, während das Ganze in der englischsprachigen Welt seit einiger Zeit nur noch Freemium heißt. Die Ausstellungen in vielen Museen und die Inhalte vieler Medien sind so strukturiert: Der Einstieg ist gratis, der Spaß kostet Geld. Also free + premium.
Digitaler Schachtelboom
Ein anderes Beispiel ist die aktuelle Diskussion über Eltern, deren Erziehung (Parenting) davon geprägt ist, dass sie Bilder und Neuigkeiten ihrer Kinder im Internet verbreiten, also teilen (Sharing). Dafür ein treffendes deutsches Wort zu bauen, wäre nicht leicht. "Erzeilen"? "Erbreiten"? Oder "Verziehung"? Das englische Kunstwort Sharenting bringt es hingegen auf den Punkt - und liegt damit im Trend. Denn es ist die digitale Welt, durch die immer mehr englische Schachtelwörter in den Umlauf kommen. Jeder kennt Bit (binary + digit), Email (electronic + mail) oder Pixel (picture + element). Selbst Internet ist die Verbindung aus international + Network. Hinzugekommen sind später Netiquette (Internet + Etiquette), listicle (list + article) oder Podcast (ipod + broadcast). Ganz vorne im Moment:
– Textpectation: das Warten auf eine Textnachricht.
– Sexting: das Texten von sexuellen Botschaften - wahlweise mit oder ohne Auberginen-Emoji.
Und apropos Sex: Dass er für manche total analog und im Ohr stattfindet, unterstreicht der Eargasm. Es ist der Höhepunkt, wenn es juckt und ein Ohrenstäbchen zur Anwendung kommt. Wer in diesem Moment vom deutschen "Ohrgasmus" schwärmt, muss ihn schon aufschreiben, um keine Verwirrung zu stiften.
Doch das soll nicht bedeuten, dass sich in der deutschen Sprache nicht auch gut schachteln lässt. Können wir doch, nicht wahr? Ja und nein - jein! Zwischen Verschlimmbessern und Schlepptop haben wir einige hübsche Exemplare hervorgebracht. Nicht zuletzt Denglisch! Oder Mainhattan für die Innenstadt von Frankfurt am Main. Besonders gelungen ist das klassische Mofa (Motorrad + Fahrrad) - es fährt jedem "E-Bike" davon. Oder Markennamen wie Adidas (Adolf + Dassler) oder Edeka (Einkaufsgenossenschaften der Kolonialwarenhändler). Und manchmal gibt es auch gute Entsprechungen. Wer im Englischen den Urlaub zu Hause verbringt, spricht neuerdings von Staycation. Für uns ist das sehr treffend "Balkonien".
Bandwurm oder kurz und kreativ
Doch generell gilt: Während wir im Deutschen entweder zu reinen Abk. neigen oder Bandwurmwörter a la "Rechtschreibreform" oder "Telekommunikationsüberwachungsgesetz" zusammenschrauben, neigt die englischsprachige Welt zu kurzen, kreativen Konstruktionen. Und da Englisch nun einmal unsere Lieblingsfremdsprache ist, fällt uns der Import schon seit Längerem leicht.
So wurden bei uns bereits vor Jahrzehnten die ungemütlichen Begriffe Smog und Stagflation populär. Oder der Workaholic. Weil sie eben mehr sagen als nur Smoke oder Fog, Stagnation oder Inflation, Work oder … Süchtiger. Hinzu ist mittlerweile der Brexit gekommen, das wohl unangenehmste Schachtelwort der Gegenwart. Viele Menschen - der Kolumnist eingeschlossen - können es nicht mehr hören. Als Verbindung aus Britain + Exit ist es übrigens ein Abklatsch vom "Grexit" (Greece + Exit), der bekanntlich nie stattgefunden hat. Wie viel Spaß der Brexit den Briten trotzdem macht, erkennen wir nicht nur an dem politischen Spektakel, sondern auch an dem Dutzend Begriffen, die sie sich noch zusammengeschraubt haben: "Bremainer", "Bremoaner", "Brevoker", "Brexino" und so weiter.
Wo die Verschachtelung der Wörter ihren Anfang nahm, ist nicht klar. Brunch wurde zum ersten Mal 1895 erwähnt. Vitamin (Vita + Amin) entstand kurz danach. Und insgesamt soll das Sprachphänomen zum ersten Mal 1871 von der Titelheldin Humpty Dumpty in Lewis Carrolls Roman "Alice hinter den Spiegeln" beschrieben worden sein. Sie vergleicht die Schachtelbegriffe mit Koffern - zwei Bedeutungen in ein Wort gepackt - und hat dafür ausgerechnet eine französische Bezeichnung gefunden: "Portemanteau". Sie hat sich im Englischen bis heute gehalten.
Unterdessen schachtelt die Welt fleißig weiter. Sogar die CSU ist mit von der Partie. Neulich gründete sie bei Youtube die CSYou: Es ist ein ziemlich vollgepackter Koffer geworden, so dass man nur hoffen kann, dass ihn die Jugend auch versteht.
Quelle: ntv.de