
Peter Littger beschäftigt sich seit Jahren mit seiner Lieblingsfremdsprache und mit der der Deutschen.
(Foto: Max Lautenschläger)
Wie gut oder schlecht ist eigentlich unser Englisch? Wie gut sollte es sein? Und sprechen wir zu viel davon? Diese Fragen beschäftigen Bestsellerautor Peter Littger. Sein Credo: Nobody's perfect. Aber es geht immer etwas besser.
Es war auf einem der letzten Flüge von Air Berlin, jener Fluggesellschaft, die ich im Nachhinein "Berliner Luft" nennen möchte, nachdem sie sich in derselben aufgelöst hat. Alles, was von ihr geblieben ist, habe ich noch im Ohr: Die genuschelte Begrüßung eines Flugkapitäns: "Welcome on board, Ladies and Germans!" Der Mann war wohl Bayer.
"Ach, die Deutschen und ihr Englisch", stöhnte eine Dame, die neben mir saß. "Wieso?", fragte ich - ohne mich zu erkennen zu geben als jemand, der über unseren alltäglichen Kampf mit der Sprache schreibt, die ich auch "unsere Lieblingsfremdsprache" nenne, und die in Deutschland niemand mehr als typische Fremdsprache bezeichnen kann.
Klar war mir bewusst, was die Frau sagen wollte. Doch ich habe es noch nie an unserer Aussprache festgemacht, obwohl sie manchmal tatsächlich verunglückt. Zum Beispiel, wenn wir Gäste aus dem Ausland mit "you are heartily welcome" begrüßen, es aber wie eine Ausladung klingen lassen: "You are hardly welcome". Wenn wir uns versehentlich aus der "Pole Position" an den Beckenrand begeben: in die "Pool Position". Wenn aus dem "Body" ein "Buddy" schlüpft. Wenn der "calendar" (der ohnehin besser als "diary" funktioniert) die Gestalt eines "colander" annimmt - eines Kochsiebs! Oder wenn wir die Nachspeise verwüsten, also "dessert" zu "desert" machen.
Auf dem Holzweg
Viel ärgerlicher als eine verpatzte Aussprache sind semantische Pannen, so dass andere nur noch Spanisch verstehen und wir uns leicht als denglische Patienten zu erkennen geben. Apropos Patienten: Ein Chefarzt an der Uniklinik in Göttingen erzählte mir, dass er viele Jahre zu englischsprachigen Patienten gesagt habe: "Let's go to the station" - wenn er sie in Wahrheit zur Station führen wollte, die "ward" genannt wird. Dieses herrliche Beispiel eignet sich auf doppelte Weise, um zwei erste Lehren zu ziehen:
1. Wer unsere Lieblingslingsfremdsprache gut spricht (so wie der Arzt), erzeugt hohe Erwartungen. Entsprechend groß ist die Verwunderung, wenn man patzt. Viele Gesprächspartner gehen über solche Situationen hinweg, ohne nachzufragen - und denken sich ihren Teil: "Schräger Vogel - odd bird!"
2. Wer in einer Fremdsprache professionell tätig ist, muss seinen beruflichen Jargon kennen. Ob als Arzt, Ingenieur oder Kaufmann. Da hilft nur Pauken! In meiner eigenen Branche, den Medien, habe ich viele Momente der Unkenntnis erlebt. Werber, die im Ausland von "claims" statt "slogans" oder "taglines" sprechen. TV-Manager, die "mediathek" statt "tv library" sagen. Und alle möglichen Kollegen, die "inscenations" herbeireden, obwohl es das Wort überhaupt nicht gibt. Als ich bei einem Kunden in New York selbst einmal von "self-inscenation" faselte, fragte mein Gesprächspartner: "What, self-insemination?" Von wegen Selbstbesamung!
Pauken sollten wir übrigens auch Redewendungen, bevor wir uns auf den berühmten "woodway" begeben und meinen auf dem Holzweg zu sein, der im Englischen allerdings nur "wrong track" heißt. So wie auf meinen Büchern "liegt" der Teufel in englischen Idiomen genauso wenig im Detail, wie er "lügt". Er "ist" es bloß: "The devil is in the detail".
Kleine Ursache, große Wirkung
Wer auf die Schnelle typische Fehlerquellen trockenlegen will, dem möchte ich in dieser ersten Folge der neuen Kolumne "Der Denglische Patient" auf die Schnelle zwei Kapitel empfehlen:
Präpositionen: Meistens ernten wir höchstens ein paar Lacher, wenn wir uns im Alltag vertun: So werden sich Kollegen vielleicht fragen, was der Deutsche im Klo oder auf dem Tisch macht, wenn er sagt "I go into the toilet" oder "I was on the table". Kniffliger wird es schon beim Zuprosten mit "On you!" (anstatt "to you"), weil es klingt wie: "Auf dich, du zahlst!" Besondere Tücken liegen in den "phrasal verbs", den Verbalkonstruktionen. Da fragt einer "Will you see to it?", und wir verstehen womöglich "Freust du dich?", weil wir es mit "Are looking forward to it?" verwechseln. Dabei wollte er wissen: "Kümmerst du dich?"
Pseudoanglizismen: Sie sind ein Riesenspaß - wenn man sie (er)kennt! Weil sie so lustig klingen wie "Shakehands" statt "handshake". "Spleen" statt "tic". Die Rede ist von englischen Wörtern, die wir uns ausgedacht haben oder mit einem ganz anderen Sinn verwenden. Die Liste ist lang: "Telefonjoker" und "Rockergang", "Smoking" und "Basecap", "Homestory" und "Evergreen" … Unter uns sind sie völlig ok. Aber Vorsicht, wenn wir rausgehen und aller Welt erklären: "Today I do home office."
Vorsicht bei Witzen
Wer das schon alles weiß, aber trotzdem das Gefühl hat, danebenzuliegen oder sogar schräg angesehen zu werden, der möchte sich selbst vielleicht auf ein paar Aspekte untersuchen, die in manchen deutschsprachigen Leuten etwas tiefer angelegt sind:
Gefallsucht: Eine Geschichte, die sich wirklich zugetragen haben soll, der Brite Andrew Jennings hat sie mir erzählt. Als er noch den Karstadt-Konzern leitete, traf er zwei Mitarbeiter, die in ihren realen deutschen Leben "Herr Schwarz" und "Frau Tasche" hießen. Sie stellten sich ihm jedoch als "Mr Black" und "Ms Bag" vor - damit er sie besser verstehe. Ob es ihm gefallen hat? Mein Tipp: Nicht machen!
Erklärsucht: Sie äußert sich zum Beispiel darin, dass Deutsche gerne etwas ausführlicher über ihre Krankheiten sprechen. In der Art: How are you? "Oh, I had a heavy flu with a lot of slime and coughing - but I feel better now". Oder man spricht ausführlich über die Macken des Chefs, anstatt sie elegant anzudeuten. Auch zu viel Aufrichtigkeit kann unpassend sein. Als eine deutsche Mitarbeiterin von VW in England nach Deutschland verabschiedet wurde, fragte ein britischer Kollege: "Caroline, what will you be missing?" Antwort: "Nothing!" Es war das erklärte Gegenteil der Gefallsucht! Manchmal werden auch Witze erklärt oder das eigene Aussehen, was dann in pseudoenglischen Momenten gipfeln kann: "We are going partnerlook." Very interesting, Mr and Mrs matching outfit!
Witzelsucht: Interessant ist, dass "witzelsucht" auf den englischsprachigen Seiten von Wikipedia ausführlicher erklärt wird als auf den deutschen. Es ist ein Hang zu anzüglichen Bemerkungen und unanständigen Witzen, den Psychologen allerdings Menschen überall auf der Welt attestieren, nicht nur bei uns. Larry David in Kalifornien leidet bestimmt auch darunter. Sie wissen schon: der politisch total unkorrekte Hauptcharakter der realsartirischen Serie "Curb your Enthusiasm" ("Lass es, Larry!" - obwohl ich es mit "Mach mal halblang" übersetzt hätte).
Dear Ladies and Germans, liebe Denglische Patienten! Wenn Sie einmal so frei und unabhängig sind wie Larry David, dann dürfen Sie auch auf Englisch hemmungslos durchstarten! Doch bis es so weit ist, geben Sie besser ein bisschen acht! In meiner Kolumne "Der Denglische Patient" möchte ich Ihnen regelmäßig interessante Diagnosen und wirkungsvolle Medizin bieten. Mich interessiert das Deutsche im Englischen genauso wie das Englische im Deutschen! Und wenn Sie Aspekte beisteuern wollen, schreiben Sie mir!
Quelle: ntv.de