Auf den schroffen Schafsinseln Die Färöer - bereit für den Ansturm
27.04.2018, 17:00 Uhr
Outdoor-Fans, Vogelkundler und Fotografen kommen auf den Färöer-Inseln auf ihre Kosten.
(Foto: imago/robertharding)
Eine kleine Inselgruppe im Nordatlantik. 300 Tage im Jahr Regen. Die Menschen leben von Fischfang, Schafszucht und der Jagd auf Wale. Die raue Natur macht die Färöer zu einem der letzten unentdeckten Hotspots Europas. Nun rollt der Tourismus an.
"Das ist eine Win-win-Situation für die ganzen Färöer", ist Jóhannus Kallsgard Joensen überzeugt. Joensen lebt auf Kalsoy, einer der nördlichsten Inseln der Färöer. Sie ist spärlich besiedelt. Er wohnt im Dorf Trollanes, eines von nur vier Dörfern auf Kalsoy. Trollanes besteht sogar nur aus zwei Familien mit insgesamt zwölf Mitgliedern. Fernab der Hauptstadt Tórshavn ist Kalsoy selbst für färöische Verhältnisse der Inbegriff der Abgeschiedenheit. Joensen ist hier Schäfer, Eisenschmied, Touristenführer und Feuerwehrmann in Personalunion. Er hat vier Jobs, um über die Runden zu kommen.
Im vergangenen Jahr führte Joensen rund 3000 Touristen über seine Weiden zum Leuchtturm von Kallur. Tendenz deutlich steigend. "Es ist verrückt, das Interesse an unserer Heimat ist so groß. Ich überlege, nun einen festen Weg zu planieren, Wegweiser aufzustellen und weitere Touristenführer zu engagieren. Es wartet viel Arbeit auf uns."
Wo man sich umhört: Die Menschen auf den Färöern scheinen ein bisschen überrascht zu sein, dass immer mehr Touristen den Weg auf die rauen Schafsinseln finden. Es herrscht Aufbruchstimmung. Elin Hentze doziert Kommunikation an der Universität von Tórshavn und bestätigt: "Wir stellen uns gerade erst auf den Tourismus-Boom ein. Outdoor-Enthusiasten reisen offensichtlich nicht mehr automatisch nur auf die Lofoten oder zu unserem großen Nachbarn nach Island, sondern genießen auch unsere unentdeckte Natur."
Spielwiese für Fotografen und Outdoorliebhaber
Georg Sudurgard, der für die färöische Fluggesellschaft Atlantic Airways arbeitet und mit seiner Frau ein kleines Bed'n'Breakfast-Hotel in Sandavágur führt, staunt: "Wir sind jetzt schon bis November 2018 fast ausgebucht. Wir freuen uns über die vielen Touristen. Das tut unserer Wirtschaft sehr gut."
Sicherlich gehören die Färöer - ähnlich wie seine prominenten skandinavischen Nachbarn - nicht zu den günstigsten Urlaubsländern. Doch wo können die Schafsinseln bei den Besuchern punkten? Der Grund ist ganz einfach; die unberührte Natur überzeugt auf ganzer Linie: raue Klippen, große Fjorde und viele Wasserfälle, die steil in den Atlantik stürzen. Die Färöer, oder wie die Einheimischen sagen "Foroyar", stehen den skandinavischen Nachbarn in nichts nach. Besonders Fotografen und Vogelkundler bekommen eine nahezu unbespielte Wiese angeboten. Licht- und Wetterverhältnisse können sich innerhalb von nur wenigen Minuten verändern. Wenn auf dem einen Teil der Insel noch die Sonne scheint, kann nur wenige Meter weiter die Welt untergehen.
Sich einen Foto-Moment für später zu reservieren, ist oft eine grob fahrlässige Idee. Auf den Färöern zählt der Moment. Die Einheimischen haben sich mit dem unvorhersehbaren Klima abgefunden und den Gegebenheiten angepasst. Seltene Vogelarten wie der Papageientaucher, der von Mai bis Oktober die Insel Mykines aufsucht, sind für viele Touristen und Vogelkundler der Höhepunkt eines jeden Färöer-Besuches. "Die fortschreitende Digitalisierung und soziale Medien wie Instagram sind darüber hinaus ein Segen für uns und helfen natürlich, die Färöer-Inseln bekannter zu machen", freut sich Elin Hentze.
Färöer-Inseln wieder sexy für junge Einheimische
Aber auch bei vielen jungen Einheimischen steht die Heimat wieder hoch im Kurs. Während einst junge färöische Frauen zum Studieren lieber nach Kopenhagen oder Schottland gingen, ist das heute längst keine Selbstverständlichkeit mehr. Die Färöer sind sexy geworden. "Immer mehr Färinger kommen aus Dänemark in die Heimat zurück", erklärt Hentze. "Es gibt genügend Arbeit und die Verbundenheit mit der Heimat ist seit jeher groß".
Die rund 50.000 Bewohner und 80.000 Schafe verteilen sich bisher auf die mehr oder weniger 18 bewohnten Inseln. Jüngst wurde erstmals zur Freude der Regierung die 50.000-Bewohner-Marke geknackt. Die Tendenz ist steigend. "Der Wohnraum in Tórshavn wird langsam knapp", weiß Hentze, die sich für mehr kleinere Wohnungen in der färöischen Hauptstadt einsetzt. Bis 2020 soll ein neuer Untersee-Tunnel zur Nachbarinsel Eysturoy entstehen und die Hauptstadt entlasten. Ein weiterer Grund für den größeren Touristenandrang ist das größere Flugangebot. Wo einst nur die Anreise per Fähre oder begrenzt per Flugzeug möglich war, rentiert sich nun der ausgebaute Flughafen auf der westlichen Insel Vágar. Dank der erweiterten Landebahn dürfen jetzt auch größere Maschinen auf dem ehemaligen Militärflughafen landen.
Die Färöer-Inseln sind eine zur dänischen Krone gehörende Inselgruppe im Nordatlantik zwischen den britischen Inseln, Norwegen und Island. Obwohl die Färöer nicht zur EU gehören, genießen EU-Bürger hier weitgehend die gleichen Rechte wie innerhalb des europäischen Wirtschaftraumes. Die Schafsinseln werden von Atlantic Airways sowie Scandinavian Airlines täglich angeflogen. Von deutschen Flughäfen existieren noch keine Direktverbindungen. Die meisten Flüge gehen über den Knotenpunkt Kopenhagen (DEN).
Die färöische Fluggesellschaft Atlantic Airways erweitert zudem fortlaufend ihr Flugnetz und fliegt mittlerweile sämtliche Nachbarländer an. Der lokale Hubschrauberservice für die zivile Bevölkerung transportiert die Bewohner und Touristen von Insel zu Insel und stößt auf viel Gegenliebe. Jakup Sverri Kass, CEO des Flughafens Vágar, schwärmt: "Von 2016 auf 2017 konnten wir eine achtprozentige Steigerung der Besucher verzeichnen. Für 2018 erhoffen wir uns noch mehr Besucher aus aller Welt."
Neben den neu geschaffenen Jobs im Tourismus und Reisegewerbe ist der Fischexport aber noch immer das Brot-und-Butter-Geschäft der Färinger. Aufgrund seiner exponierten Lage im Nordatlantik pendelt sich die Wassertemperatur in vielen Meerengen zwischen acht und zehn Grad Celsius ein. Ideal für die Lachszucht: An vielen Meereszungen wie in Sandavágur gibt es Lachsfarmen. Zusammen mit dem Schellfisch ist der Lachs Exportschlager Nummer eins der Färinger. Rund 500 Tonnen Fisch exportierten die Färöer 2017 in alle Welt.
Neben der Fischerei ist die Schafswolle äußerst beliebt. "Bei uns gibt es ein altes Sprichwort", erzählt die 22-jährige Kirstin Vang: "Ull er foroya gull - die Wolle ist das Gold der Färöer! Die Wolle hält uns einfach warm und ist zudem wasserabweisend - und das, seitdem die ersten Wikinger die Klippen der Färöer erreichten." Die Wolle bewahrt auch heute noch die Bewohner vor Wind und Sturm. Ein Sturm anderer Art steht den Färingern von April bis Oktober bevor. Dann ist die Hauptreisezeit der Touristen. Die Färinger freuen sich über die neugewonnene Attraktivität - und sie sind gut vorbereitet.
Quelle: ntv.de