Die Modewelt und das Coronavirus "Eine ganz neue Herausforderung"
03.02.2021, 18:22 Uhr
Katja Foos, Director Design bei Marc Cain, passt die Mode und deren Präsentation den aktuellen Umständen an.
(Foto: Marc Cain)
Wegen der Coronavirus-Pandemie fand die Berlin Fashion Week in diesem Jahr digital statt. Fashion-Shows mit Publikum gab es keine. Wie ist also die aktuelle Lage in der Modewelt? Im Gespräch mit ntv.de blickt Katja Foos, Director Design bei Marc Cain, auf die Fashion Week zurück und äußert sich zu Herausforderungen, aber auch zu Chancen der Pandemie für die Modebranche.
ntv.de: Die Berlin Fashion Week fand in diesem Jahr aus bekannten Gründen digital statt. Damit war die Berliner Modewoche 2021 eine ganz andere als 2020. Statt einer Fashion-Show hat Marc Cain einen Fashion-Film für die Herbst/Winter 2021/22-Kollektion im Internet übertragen. Was sind Ihre Eindrücke?
Katja Foos: Mit unserem Film "How Wonderful" sind wir in diesem Jahr nochmal einen Schritt nach vorne gegangen - alles ist etwas experimenteller und cineastischer gestaltet. Die Atmosphäre ist geprägt von Gegensätzen. Wir zeigen die Verschmelzung der verschiedenen Welten, die uns umgeben: reale Models und Avatare, Natur und Technologie, Realität und Fiktion.
Was bringt das mit sich?
Vor allem eine große Veränderung. Das vergangene Jahr war sehr ver- und zerstörend, somit war klar, dass sich etwas ändern muss. Marc Cain sieht sich als Vorreiter im Technologie-Bereich, und mit dem Fashion-Film, den wir rein digital präsentiert haben, sind wir einfach einen Schritt weitergegangen.
Inwiefern?
Wir stellen die Sehnsucht nach der Natur einerseits und die neuen Technologien andererseits dar.
Die Fashion Week und damit auch die Vorstellung Ihrer Kollektion im Film wurde live im Internet gestreamt. Das heißt: Jeder konnte in der Frontrow sitzen. Trägt das dazu bei, dass Mode durch die neuen Möglichkeiten ein Stück weit mehr demokratisiert wird?
Auf jeden Fall. In Zeiten, in denen vieles infrage gestellt wird, kann Mode auf diesem Wege öffentlicher werden. Der Zugang, den alle bekommen, stellt eine große Veränderung dar, das finde ich zeitgemäß. Für mich ist es wichtig, dass wir eine Möglichkeit haben, auszudrücken, was genau die Kollektion und die Marke darstellen.
Fehlte Ihnen der Applaus?
Mir persönlich fehlte der Applaus nicht. Natürlich ist es schön, wenn man ihn bekommt. Was aber mir und vielen anderen Menschen gerade fehlt, ist der zwischenmenschliche Kontakt und die Nähe zu Menschen. Es wird spannend sein zu sehen, wie sich die Fashion-Shows in Zukunft weiterentwickeln. Eine Mischung aus Publikum vor Ort und Online ist sicher auch denkbar.
Was haben Sie persönlich aus der digitalen Show gelernt?
Ich habe gelernt, dass man stets Möglichkeiten finden kann, die Marke darzustellen und sie zu kommunizieren. Es gibt tatsächlich immer einen Weg, und die Digitalisierung zeigt uns neue Möglichkeiten auf.
Vor welchen Herausforderungen steht die Modewelt im Moment?
Die geschlossenen Läden stellen die Modebranche vor eine unfassbare und noch die da gewesene Herausforderung. Das Wachstum des Online-Vertriebs ist richtig und wichtig, aber am meisten fehlt der direkte Kontakt zu den Kunden. Digitale Prozesse sind durch Corona natürlich in fast allen Unternehmen massiv beschleunigt worden. Ohne Corona hätten einige Dinge sicherlich einen längeren Zeitablauf gehabt. Mode ist ein emotionales Produkt - die Herausforderung besteht darin, das Digitale zu emotionalisieren!
Inwiefern hat die Pandemie die Modewelt noch verändert?

Kaum zu unterscheiden: Ein Avatar aus dem Film "How Wonderful" (Foto: Screenshot Marc Cain Fashion Film Fall/Winter 2021 "How Wonderful")
Ich glaube, dass in den kommenden Saisons eine gewisse Lässigkeit, aber nie Nachlässigkeit im modischen Fokus stehen wird. Hochwertigkeit und eine angenehme Haptik sind sehr wichtig, denn immerhin tragen wir unsere Kleidung als zweite Haut direkt am Körper. Aktuell fallen Anlässe weg, sich besonders zu kleiden. Und trotzdem werden wir uns mit Mode immer beschäftigen. Das Interesse der Kunden nach Nachhaltigkeit steigt, und es wird umso wichtiger werden, wo die Ware herkommt und welche Menschen sie anfertigen. Natürlich ist es schön, dass wir bei Marc Cain unter anderem eine lokale Fertigung hier im Haus auf der Schwäbischen Alb haben. Da können wir auch mal kurzfristig agieren und haben kurze Lieferwege. Diese Aspekte werden in Zukunft noch wichtiger werden.
Stichwort Nachhaltigkeit: Glauben Sie, dass die Pandemie bei den Verbrauchern zu einer Bewusstseinsveränderung für Kleidung führt?
Ja. Die Krise bietet die Chance, dass das Bewusstsein der Verbraucher in Bezug auf Nachhaltigkeit weiterhin wächst. Verbraucher werden, wie gesagt, mehr darauf achten, wo die Kleidung, die sie kaufen, herkommt. Ob das allerdings durchgängig anhält, ist schwierig vorherzusagen - ich würde es mir wünschen. Mit Marc Cain fertigen wir qualitativ sehr anspruchsvolle Produkte. Man sollte sich wirklich öfter fragen: Kaufe ich mir vielleicht lieber ein Teil weniger, aber dafür qualitativ hochwertiger?
Inwiefern verändert die Pandemie die Kleidungswahl der Menschen?
Ich denke, das Bedürfnis nach einer unkomplizierten Lässigkeit und einer Ware, die eine schöne Haptik und Elastizität mit sich bringt, wird bleiben. Durch die Kleidung verändert sich auch die eigene Haltung. Mit einer eleganten Hose und einem Jersey-Blazer fühle ich mich anders als in Jogginghose und Hoodie. Man kleidet sich ja nicht nur für sein Gegenüber, sondern auch für sich selbst.
Momentan haben wir kaum Gründe, uns schick zu machen. Was kann man tun, um sich zu motivieren, sich trotzdem modisch zu kleiden?
Was hält mich davon ab, mich zuhause für den Menschen, mit dem ich lebe oder der mich besucht, schön zu kleiden und mich selbst letztendlich auch gut damit zu fühlen? Anlässe kann es auch im kleinen Kreis geben, um den Moment zu genießen und zusammen zu sein.
Glauben Sie, dass uns die Maske als Accessoire erhalten bleibt?
Bis ein Großteil der Menschen weltweit geimpft sein wird, dauert es noch. Ich glaube deshalb, die Maske wird uns noch eine Weile begleiten. Gleichzeitig wünsche ich mir die Maske wieder loszuwerden, weil es natürlich schöner ist, dem Gegenüber ins Gesicht zu schauen.
Was ist Ihr persönlicher Modetrend für dieses Jahr?
Für mich persönlich ist in diesem Jahr die Farbe Wollweiß sehr wichtig, das ist wie ein inneres Bedürfnis. Ich trage ansonsten viel Schwarz, aber im Moment kleide ich mich gerne vom Scheitel bis zur Sohle weiß oder cremefarben. Das ist mit weichen Materialen und viel Strick auch in die Kollektion eingeflossen. Wollweiß passt in die Zeit.
Was ist Ihr persönliches It-Piece für dieses Jahr?
Das ist ein aufwendig gestrickter Fransen-Mantel, bodenlang und natürlich wollweiß (lacht), der bei uns im Headquarter in Bodelshausen gefertigt wurde.
Was glauben Sie, von welchen Faktoren hängt die Entwicklung der Mode in naher Zukunft ab?
Alles, was die Welt bewegt, fließt in die Mode ein. Mode ist immer ein Spiegel des aktuellen Zeitgeistes und gibt auch die Bedürfnisse und Sehnsüchte der Menschen wieder.
Mit Katja Foos sprach Jan Schürmann
Quelle: ntv.de