Leben

Der Denglische Patient I have itchy arse

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Wenn der Ischiasnerv plagt, besser von "sciatic nerve" sprechen.

(Foto: imago stock&people)

Englisch kann so einfach sein! Denken wir - und reden dann doch nur Stuss. Das gilt besonders für Vertreter der gebildeten Schichten, wenn sie arglos Fremdwörter übersetzen: Sie bestellen dann "bio", faseln vom "fazit" oder klagen über den "Ischias".

Bildung schützt vor Dummheit nicht, möchte ich manchmal sagen, wenn ich das Englisch mancher Leute höre. Bestimmte Leute: so wie du vielleicht. Und auf jeden Fall wie ich! Denn ich darf mich hier überhaupt nicht ausnehmen - im Gegenteil. Besonders anfällig ist jeder mit Abitur und mit Universitätsabschluss, vielleicht mit Latinum und einem kulturell antrainierten Hang zu dem, was wir "das Fremdwort" nennen: Begriffe, die aus fremden Sprachen stammen, zumeist aus den antiken: Causa, Duktus, Fazit … denn Achtung - heads up: Das alles gibt es im Englischen nicht!

Allzu oft scheinen Denglische Patienten zu denken: "Hotel" ist international, "Taxi" ist international – da wird auch "Logis" international sein. Oder um ein Beispiel aus der Medizin zu nehmen, was nun wirklich jeder Patient kennen sollte: der "Ischias"! Er stammt aus dem Griechischen, vom Hüftschmerz und der Hüfte "ischíon". Im englischen Hüftbereich ist er aber nicht existent. Trotzdem habe ich deutschsprachige Menschen beobachtet, die sich an den Po greifen und allen Ernstes sagen: "I have itchy arse" - genauso klingt es (oder wahlweise auch US-amerikanisch "I have itchy ass"). Ihre Gesprächspartner müssen dann denken, dass den Leuten der Arsch juckt, nicht ahnend, dass "sciatica" oder "sciatic nerve" gemeint ist, vielleicht auch "lumbago" (Hexenschuss) oder, weiter unten, mal wieder der "hamstring" - Sie wissen ja: das meistgefürchtete Körperleiden von Jürgen Klopp.

Es ist das Bedürfnis nach gesellschaftlicher Anerkennung, einer gewissen Abgrenzung nach unten - oder soll ich "akademischer Distinktion" sagen? -, die Fremdwörter so reizvoll für viele von uns macht. Gerade im Deutschen gibt es häufig zwei Begriffe: einen mit germanischen und einen mit antiken Wurzeln. Da ist zum Beispiel die "Entfernung" und da ist die "Distanz" oder französisch prononciert: "Distance", die es ja auch im Englischen gibt. Da sind "Einsatz", "Hingabe" oder "Verpflichtung". Und da ist das "Engagement" - was im Englischen bereits etwas anderes bedeutet, nämlich "Verlobung".

Problem der falschen Freunde

Es geht hier also zunächst um das Problem mit den sogenannten "False Friends", das den gebildeten Schichten droht, wenn sie glauben in der "Beletage" der Sprache zu wohnen und herabzuschauen auf die Leute im "Parterre" - die sich selbst jedoch nur im "Erdgeschoss" verorten. Wer darüber auf Englisch sprechen will und "parterre" sagt, spricht über ein Blumenbeet - mehr nicht. Man sagt "ground floor" und (doppelt aufgepasst!) in den USA "first floor".

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"Organic Eggs": keine "organischen", sondern Bio-Eier.

(Foto: Reuters)

Es ist sehr leicht, hochgestochen Englisch sprechen zu wollen, aber in Wahrheit nur hoch danebenzustechen. Wir kennen die Beispiele aus der Schule, wenn sich Worthülsen gleichen, aber ihre Bedeutungen nicht: "aktuell" wird nicht mit "actual" übersetzt, "ordinär" nicht mit "ordinary" und "prägnant" nicht mit "pregnant". Ein Fotograf aus Frankfurt erzählte mir, dass er bei Fototerminen in den USA den "Gesichtsausdruck" der Models immer direkt von "Mimik" übersetzt hatte. Im Englischen bedeutet "mimic" aber "imitieren" oder "Imitator", nicht aber "face expression". Dasselbe passiert vielen ernährungsbewussten Deutschen, die in den USA oder in Großbritannien "Bioprodukte" suchen und arglos nach "bio eggs" fragen, damit aber lebende Eier, keine "organic eggs" bestellen.

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Die Steigerung des "False Friends"-Problems besteht darin, dass es eine ganze Reihe schicker Fremdwörter überhaupt gar nicht im Englischen gibt. Ich habe sie "Superfalse Friends" getauft. Denken Sie nur an das häufig ins Feld geführte "Niveau" selbsterklärter Eliten. Sie sagen dann auf Englisch Sätze wie: "That politician has absolutely no niveau." Auch schon gehört: der beliebte Vorwurf der "Niveaulosigkeit" als "niveaulessness". Auf gut Englisch ist das "bullshit": completely obtuse and absurd! Ist etwas ohne Anspruch, wird es als "unchallenging" oder "lowbrow" bezeichnet (im Unterschied zu "challenging" und "highbrow").

Vorsicht auch mit den folgenden Superfalse Friends:

  • "Bon": Den Kassenbeleg heißt "receipt" (ri-ßiet) oder "slip", der Gutschein "coupon" oder "voucher".
  • "Fiskus": Steuern ziehen die "tax authorities" oder das "revenue department" ein, in den USA zum Beispiel IRS "Internal Revenue Service". Vereinfacht kann man auch vom "taxman" sprechen.
  • "Gros": Das Gros deutschsprachiger Leser versteht diesen Satz. The majority of English speakers doesn't.
  • "intus": Wer zu viel getrunken hat und versehentlich sagt, "I have too much intus", klingt noch betrunkener. Man könnte sagen: "I‘ve had a few" oder "one too many".
  • "Storno": Eine Kaufmannsvokabel, die einem leicht das Geschäft vermasseln kann, wenn man sie so benutzt wie wir. Oder gar auf "storn" verkürzt, was klingt wie "porn". Dafür haben wir den englischen Begriff längst in unsere Alltagssprache übernommen: "Flug gecancelt", "Termin gecancelt", "Beziehung gecancelt". Man spricht also von "cancellation" (USA: "cancelation"). Oder "withdrawal (of an order/from a contract)". Gängig ist auch "reversal". Oder "the annulment of a meeting or a marriage".

Vorsicht, Rutschgefahr

Es sind die feinen Unterschiede, die sich nicht mitnehmen lassen in die englische Sprache. Was bei uns als sprachliche Parkettsicherheit gelten mag, führt auf englischen Böden leicht dazu, dass wir ausrutschen. So wie ein deutscher Botschafter in London, den ich vor einigen Jahren während eines Empfangs sagen hörte: "That's an eklatant manko!" Das wahre Manko war aber sein Ausdruck, denn weder "eklatant" noch "Manko" sind englische Wörter. Verständlich wäre "major shortcoming" oder "flaw" oder einfach "disadvantage" gewesen.

Wenn Sie noch mehr Beispiele für "Superfalse Friends" suchen, lesen Sie das Kapitel "Let's not talk Tacheles" in meinem aktuellen Buch "The Devil lies in the Detail - Lustiges und Lehrreiches über unsere Lieblingsfremdsprache. Band 2". Und wenn Sie eigene Beispiele haben, die ich bislang übersehen habe, schreiben Sie mir unbedingt! Ich werde sie garantiert nicht ad acta legen - I am certainly not going to shelve your suggestions!

Quelle: ntv.de

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