Instagram-Sucht und ihre Folgen "Influencer spielen mit dem Sozialneid"
16.02.2020, 17:59 Uhr
Wenn das Verlangen nach Instagram zu groß wird, kann auch eine Sucht entstehen.
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Likes, Follower und Aufmerksamkeit sind die Waren von Instagram. Das soziale Netzwerk lebt von Bildern und vorgegaukelter Perfektion - und diese Scheinwelt birgt große Gefahren. Nena Schink war selbst süchtig nach Instagram und rechnet nun damit ab.
Strahlende, langbeinige Models, Influencerinnen in Kleidern von Luxuslabels, posierende Paare im Traumurlaub und Avocados zum Frühstück. Das alles sind typische Instagram-Bilder, die wohl jeder der 15 Millionen deutschen User täglich sieht - meist ohne besonders viel darüber nachzudenken. Oft sind es prominente Frauen wie Cathy Hummels, die in Instagram-Storys ihre Fans freudestrahlend mit "Hallo, meine Lieben" begrüßen, so wie es eine Freundin zu der anderen sagen würde. "Aber Cathy Hummels ist eben nicht mit dir befreundet, wenn du ihr folgst, sie ist nicht deine Freundin", macht Autorin Nina Schink deutlich, wie die Social-Media-Stars agieren, um ihre Fans an sich zu binden. Schink war selbst Instagram-süchtig, wie sie heute sagt. Die 27-jährige Journalistin hat selbst jahrelang gepostet, Videos online gestellt und die Infos der Bloggerinnen aufgesogen.

Nena Schink hat sich intensiv mit ihrem eigenen Instagram-Verhalten auseinandergesetzt. Für sie steht fest: "Ich war süchtig."
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Zwei Stunden scrollt sie täglich durch den Newsfeed auf ihrem Smartphone. Sie postet immer mehr, bis irgendwann mehrere Faktoren zusammenkommen - und sie sich ihre Instagram-Sucht eingestehen muss. Ihr Sommerurlaub mit der Familie in Kroatien bestand für sie nur noch daraus, "das perfekte Foto zu machen", berichtet Schink im Gespräch mit ntv.de. Die Situation war so schlimm, dass es ihrer Familie zu bunt wird: "Meine Mutter hat mich darauf angesprochen und gesagt, dass sie mich gar nicht wiedererkennt". Ein zweiter Indikator war die Zeit, die sie mit der App verbrachte. "Bei 14 Stunden in der Woche sind das umgerechnet zwei lange Abende mit meinen Freundinnen", rechnet sie auf.
Ein besonders schlimmer Moment war für sie die Reaktion eines Freundes auf ein gestelltes Urlaubsfoto. Er sendete ihr eine Nachricht mit der Botschaft: "Fremdscham 1000". Diese Worte rüttelten sie schlagartig auf. "Das war mein Aufwachmoment. Wenn einem jemand, der einem nahesteht, so etwas schreibt, sollte man sein Social-Media-Verhalten absolut überdenken", sagt sie heute.
Warum Instagram sogar krank machen kann
Social Media kann süchtig machen. Die Apps sind so aufgebaut, dass die Nutzer immer weiter nach unten scrollen können, ohne an einen Endpunkt zu gelangen. Immer wieder gibt es Neuigkeiten, die der User abrufen kann - und das völlig unkontrolliert, die Zeit verrinnt einfach so. Laut einer Studie der Krankenkasse DAK erfüllen 2,5 Prozent der Kinder und Jugendlichen Kriterien für eine Abhängigkeit, die "Social Media Disorder Scale" genannt wird. Demnach verbringen Jungen und Mädchen zwischen 12 und 17 Jahren durchschnittlich rund zweieinhalb Stunden täglich mit sozialen Medien. In der Studie, die in Zusammenarbeit mit dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf entstand, wird auch ein Zusammenhang zwischen Social-Media-Sucht und Depression hergestellt.
Die gesundheitlichen Probleme können vielfältig sein. Auch Schink sieht die gefährlichen Konsequenzen, die eine Sucht nach Aufmerksamkeit in den sozialen Netzwerken mit sich bringen kann: "Instagram und Social Media im Allgemeinen machen süchtiger als Alkohol und Zigaretten", zitiert sie die Ergebnisse einer britischen Studie der Royal Society of Public Health, die im Jahr 2017 veröffentlicht wurde.
In ihrem Buch "Unfollow" beschreibt die Journalistin, wie ihr immer bewusster wurde, wie sehr Instagram ihr Leben bestimmte. In ihrem Job interviewt sie selbst berühmte Influencerinnen, die mit ihren Postings für Mode- und Lifestyle-Produkte Millionen Menschen erreichen und doch in der Realität blass erscheinen: "Nicht eine einzige Influencerin, die ich getroffen habe, hat mich irgendwie inspiriert", stellt Schink klar.
Vielmehr zeigen sie ihre Followern eine perfekte Welt auf, die nur wenig mit der Realität der Follower zu tun habe: "Influcencer spielen mit dem Sozialneid. Sie tun so, als seien sie das Mädchen von nebenan. Aber welches Mädchen von nebenan hat Luxusartikel und fliegt immer First Class?" Gefährlich sei auch, dass immer nur positive Botschaften geteilt würden. "Nicht ein einziges Mal hat eine Influencerin gesagt, dass sie einen Hautausschlag bekam, wenn sie ein bestimmtes Produkt genutzt hat", meint Schink. Das alles kreiere ein Bild, das nicht ansatzweise der Lebenswirklichkeit entspreche. "Wenn sich Zwölfjährige eine Brust-OP wünschen, dann haben wir ein Problem."
Konkurrenzkampf und Vergleich
Die Influencerinnen haben aufgrund ihrer Reichweite eine Verantwortung - vor allem für junge Menschen. Doch zwischen den gefilterten Bildern und der Realität klafft eine Lücke. Perfekte inszenierte Leben, perfekte Körper - das alles führe bei einigen Konsumenten von Social Media zu Depressionen, Magersucht und einem schlechtem Selbstwertgefühl. "Der Konkurrenzkampf ist durch Instagram auf einem neuen, ekeligen Level angekommen", erklärt die Autorin.
Für Nena Schink gab es nach der Einsicht nur einen Weg: Weniger Fotos, weniger Zeit auf Instagram verbringen und einen größeren Fokus auf die Glücksmomente legen - ohne das Smartphone in der Hand: "Es war ein langwieriger Prozess. Ich habe langsam weniger Fotos gemacht und mir irgendwann einen Timer gestellt, um nur wenig Zeit auf Instagram zu verbringen." Sie entscheidet sich dazu, ihr Profil von öffentlich auf privat zu stellen - und viele Bilder zu löschen. Sie räumt auf und macht sich bewusst: "Wir müssen nicht komplett auf Social Media verzichten", aber es sollte maßvoll sein. "Anstatt den Tagesablauf von Cathy Hummels oder Caro Daur zu kennen, solltest du das lieber von deinen besten Freunden wissen. Ich wusste an manchen Tagen besser über den Alltag der Influencer Bescheid als über den meiner eigenen Schwester." Das wollte sie ändern.
Die Influencerinnen mit Millionen Followern machen indes weiter. Nena Schink glaubt, dass dieser Trend sich fortsetzen wird, weil auch die Unternehmen jede Menge Geld mit dem Influencer-Marketing verdienen können. Doch sie hat aus ihrem persönlichen Instagram-Verhalten gelernt. "In den letzten fünf Jahren habe ich vermutlich 3000 Stunden auf Instagram verbracht. In dieser Zeit ist keine einzige wertvolle Erinnerung entstanden", schreibt Nena Schink in ihrem Buch. Es ist die bittere Zusammenfassung einer Instagram-Sucht, die sie selbst hinter sich gelassen hat.
Quelle: ntv.de