Zufriedener durchs Leben "Sei da, wenn das Glück an die Tür klopft"
20.03.2023, 09:27 Uhr
Das Glück besteht eher aus vielen kleinen Momenten.
(Foto: imago images/Addictive Stock)
Ein glückliches Leben führen - das wünscht sich wohl jeder und jede. Aber wie geht das eigentlich? Glücklichsein kann man lernen, sagt Katharina Ehrhardt. Im Interview mit ntv.de spricht die Expertin für Positive Psychologie außerdem darüber, welche Rolle Geld spielt und was die skandinavische Bevölkerung richtig macht.
ntv.de: Frau Ehrhardt, was macht uns wirklich glücklich?
Katharina Ehrhardt: Der Faktor, der sowohl Glück als auch Langlebigkeit und Gesundheit am besten erklärt, sind tatsächlich gute soziale Beziehungen. Daneben geht es dann oft um Fragen wie: Wer bin ich? Was macht mich in meinem innersten Kern aus? Was sind meine Stärken, was sind meine Werte? Was brauche ich für ein Umfeld, um zu gedeihen?
Inwieweit spielen äußere Umstände wie zum Beispiel Geld eine Rolle?
Ich war früher Fondsmanagerin und habe mich im ersten Teil meiner Karriere sehr viel mit Geld beschäftigt. Wir haben auch unter Glücksforschern oft die reflexartige Antwort: Geld macht nicht glücklich. Aber das stimmt so nicht. Wir wissen, wenn ich 25.000 Euro im Jahr verdiene, und ich verdoppele mein Gehalt auf 50.000, dann hat das einen signifikanten Einfluss auf mein Wohlbefinden. Einfach, weil ich zum einen mehr Sicherheit habe und die negativen Auswirkungen von zu wenig Geld minimiert werden. Zum anderen kann ich mir schöne Momente, zum Beispiel eine tolle Reise oder ein schönes Abendessen mit Freunden, leichter ermöglichen. Das trägt deutlich zum Wohlbefinden bei. Geld ist sicherlich nicht der einzige Faktor für Glück, aber in Happiness-Reports schneiden arme Länder meistens schlechter ab.
In Glücksrankings haben ja skandinavische Länder fast immer die Nase vorn. Was machen die Skandinavier anders?
In Skandinavien haben wir ein hohes Maß an Wohlstand, der zudem noch vergleichsweise gut verteilt ist. Ein ähnliches Bild finden wir in der Schweiz. Außerdem sind es Länder, in denen die Menschen sehr naturverbunden sind und viel Zeit draußen verbringen. Die meisten haben ein kleines Wochenendhaus, vielleicht ein ganz einfaches. Aber das macht es leichter Routinen zu entwickeln, die Natur auch regelmäßig zu genießen und dabei aufzutanken. Wir sehen auch gerade in Skandinavien, dass der Bereich Arbeit anders gewichtet wird. Dort kommen die meisten Kinder und Ehepartner um 16 Uhr heim und dann ist Familienzeit. Zudem finden wir ein hohes Maß an Gleichstellung, sowohl bei der Aufteilung der Erwerbsarbeit als auch bei der Aufteilung der familiären Pflichten.
Welche Faktoren haben denn wenig oder keinen Einfluss?
Was zum Beispiel gar keinen Einfluss auf Glück hat, ist Intelligenz. Schönheit hat einen leicht positiven Einfluss auf das Wohlbefinden, bei Männern ein bisschen stärker als bei Frauen. Tatsächlich negativ besetzt ist es bei Topmodels. Bei den schönsten Frauen auf diesem Planeten trägt es in den meisten Fällen nicht zur Zufriedenheit bei, sondern das Gegenteil tritt ein. Eine Begründung, die wir finden können, ist das sehr hohe Maß an Vergleichen. Sich mit anderen zu vergleichen, kostet fast immer Zufriedenheit und Wohlbefinden.
Ist uns Glücklichsein auch ein bisschen angeboren?
Den größten Einfluss, das wird oft unterschätzt, haben tatsächlich die Gene. Es ist uns ein Stück weit auch in die Wiege gelegt, ob wir mit einer optimistischen Haltung in die Welt gehen. Und gleichzeitig ist die mutmachende Aussage: Ungefähr zwei Drittel kann man aktiv mitgestalten und sollte das auch tun.
Dann hat das Sprichwort "Jeder ist seines Glückes Schmied" also recht?
Das ist einer der größten Kritikpunkte, die wir in der Positiven Psychologie haben. Natürlich kann ich gestalten, natürlich kann ich Dinge beeinflussen. Gleichzeitig argumentieren wir das aus einer sehr privilegierten, westlichen Weltsicht heraus. Wir sehen das an den Glücksreports, dass Länder wie zum Beispiel Afghanistan, Syrien oder auch viele afrikanischen Länder ganz weit hinten stehen. Da dürfen wir aufpassen, die Verantwortung fürs Glücklichsein nicht jedem zu 100 Prozent zuzuschieben, denn natürlich gibt es auch Faktoren wie Krankheit und schwierige politische Systeme. Dann ist es deutlich schwieriger, zu Zufriedenheit zu gelangen und sich selbst zu entfalten.
Kann man Glück lernen?
Ja, absolut. Wir gucken oft sehr defizitorientiert, was in meinem Leben, zum Beispiel in meiner Kindheit oder im letzten Job, schieflief. Wir sind alle mit dem Rotstift aufgewachsen, der Fehler betont und nicht das, was wir gut können. Ich rege immer an, auch die andere Sichtweise mit dazuzunehmen. Wer bist du? Was sind deine schönsten Kindheitserinnerungen? Was zeichnet dich im Besonderen aus? Was sind deine Erfolge und mit welchen Stärken hast du diese erreicht? Was sind für dich schöne Momente? Und sich dann davon nach und nach mehr ins Leben zu holen.
Die Frage, ob man glücklich ist, kann durchaus auch etwas überfordern. Ist Glück manchmal vielleicht ein zu großer Begriff?
Ja, das ist bestimmt so. Auch die Erwartung, immer glücklich sein zu müssen oder den ganz großen Sinn seines Lebens kennen zu müssen, kann überfordern und das Gegenteil von Glück, nämlich Stress, auslösen. Das Glück besteht eher aus vielen kleinen Momenten und daraus, diese wahrzunehmen und sich selbst immer wieder ein Stück weiter zu entdecken. Das kann das nette Gespräch mit der Frau an der Supermarktkasse sein, ein Lächeln, die ersten Sonnenstrahlen, die auf der Haut kitzeln, wenn ich zur U-Bahn laufe. Im gegenwärtigen Augenblick ist fast immer fast alles gut. Wir entfernen uns meist vom Glück, weil wir an irgendwas hängen, was wir in der Vergangenheit vermeintlich falsch gemacht haben. So bemerken wir nicht, dass jetzt gerade in diesem Augenblick alles gut ist. Sei da, wenn das Glück an die Tür klopft! Achtsamkeit und Präsenz sind hier gute Unterstützer.
Gibt es so etwas wie eine Glücksformel?

Katharina Ehrhardt arbeitet als Expertin für Positive Psychologie für die DGPP – die Deutsche Gesellschaft für Positive Psychologie. Zuvor war sie 25 Jahre in der Wirtschaft als Aktienhändlerin und Fondsmanagerin tätig.
Das PERMA-Modell ist sicher das verbreitetste: P steht für positive Emotionen, E für Engagement, also: Ich kenne meine Stärken, nutze sie und komme in den sogenannten Flow-Zustand. R steht für Relationships, gelingende Beziehungen, M für Meaning, ich habe einen Sinn in dem, was ich tue, und A steht für Accomplishment, also dafür, sich gute Ziele zu setzen und sie auch zu erreichen. Was wir zum Thema Positive Emotionen auch wissen: Wir brauchen mindestens dreimal mehr positive Emotionen als negative, damit wir in eine Aufwärtsspirale kommen. Die negativen Emotionen wiegen schwerer, sind lauter, binden mehr Aufmerksamkeit. Da dürfen wir bewusst gegensteuern und auch den angenehmen Gefühlen wie Freude, Stolz und Vergnügen einen Platz einräumen.
Was macht Sie persönlich glücklich?
Seit ich selbstständig bin, empfinde ich eine Freiheit, mein Leben sehr stark selbst gestalten zu können. Und ich bin unglaublich glücklich, wenn ich in den Bergen unterwegs bin. Das ist für mich Freiheit, die Verbindung zu mir, zur Natur. Und beim Ankommen auf der Hütte meist nette Gesellschaft und viel Genuss.
Mit Katharina Ehrhardt sprach Katja Sembritzki
Quelle: ntv.de