Deckenbilder in Praxen Wenn der Zahnarzt unterm Blätterdach bohrt
02.02.2019, 12:36 Uhr
Eins des beliebtesten Motive: ein Blätterdach.
(Foto: (Foto: Frescovision))
Muss der Zahnarzt doch mal bohren, verspricht der Blick gen Himmel Erlösung. Deckenbilder gibt es mittlerweile nicht nur beim Zahnarzt. Aber muss das Bild bei der Gynäkologin so spiegeln? Und warum sind immer dieselben Motive an die Decke gedübelt?
Neulich bei der Frauenärztin: Der moderne Behandlungsstuhl fährt hoch, die Lehne sinkt nach hinten, die Patientin schaut zur Decke. Da hängt eine Schwimmbad-Impression. So was kennt man ja aus Zahnarztpraxen. Dieses Bild aber ist mit einer glänzenden Oberfläche versehen. Die wirkt in dem schummrigen Sprechzimmer wie ein Spiegel. Und der ist genau auf die Behandlungszone der Ärztin gerichtet. Vorsichtige Nachfrage: "Soll das so sein?" Antwort: "Ja, einige Patienten finden das sehr interessant. Wem das nicht gefällt, der kann ja woanders hingucken." Haben Sie mal versucht, während der Behandlung nicht auf das Deckenbild zu schauen? Gar nicht so einfach.

Bloß keine Experimente: Bei den Bildern über Zahnarztstühlen geht es eher konservativ zu.
(Foto: Frescovision)
Deckenbilder sind ein sehr spezielles Genre. Die Motive fallen wie der Rest der in deutschen Arztpraxen verbreiteten Kunst meist wenig originell aus. Und doch studieren wir nur selten Bilder so intensiv wie diese an die Decke gedübelten Motive. Zahnärzte waren naturgemäß die Vorreiter des Dekorationstrends. "Ich habe die Deckenbilder circa 18 Jahre", erzählt die Berliner Zahnärztin Marina Schulz. "Ich wollte etwas 'Besonderes' im Sprechzimmer für die Patienten und habe die Idee in einer Fachzeitschrift entdeckt." Die bunten Bildchen sind aber weit mehr als purer Deckenschmuck. Vor allem Kinder und ängstliche Patienten können laut Schulz auf diese Weise von der Behandlung abgelenkt werden.
Flucht nach oben
Die Zahnärztin hat in ihrer Praxis in Berlin-Friedrichshain zwei Deckenbilder installiert. Die folgen dem bewährten Schema. "Es erscheint, als würde man auf dem Boden liegen und nach oben schauen", erklärt die Medizinerin den Perspektive-Effekt. Bei den Motiven hält sie sich ebenfalls an die Klassiker. Bild eins zeigt einen Dschungel mit wilden Tieren, Bild zwei eine Unterwasserlandschaft. Tatsächlich tauchen bei der Online-Suche nach den Gemälden immer wieder dieselben Motive auf. Das liegt offenbar an dem eher konservativen Geschmack der Kundschaft.
Der Kölner Anbieter Frescovision hat rund 700 Motive im Angebot. "Gekauft werden aber eigentlich meist dieselben gängigsten 20 Motive", berichtet Inhaber Kai Miroschnik. Er verkauft nach eigenen Angaben mehrere 100 Deckenbilder pro Jahr, auf Wunsch auch mit Hintergrundbeleuchtung. Seine Dauerbrenner: "Blätterdächer, Sonnenhimmel, Palmen und Wolken". Die Bilder werden von Grafikern und Fotografen erstellt.
Miroschnik hatte auch schon mal Werke von Malern im Katalog. Die meisten Kunden wollten aber generell nichts "zu Ausgefallenes" an der Decke haben. Im Gegenzug setzt der Firmengründer zu extravaganten Wünschen Grenzen. Bei ihm lassen sich auch private Fotos als Deckenbilder realisieren. Manch ein Interessent wurde da extrem persönlich. "Bei intimen Fotos lehnen wir die Aufträge generell ab", stellt Miroschnik klar.
Wimmelbild als Deckenschmuck
Ausgefallene Deckenbilder der kindgerechten Art hingegen können einem Arzt schon mal Schlagzeilen bei "Huffington Post" und "Daily Mirror" einbringen. Ein Engländer hat vor einiger Zeit auf Reddit ein Foto des Sprechzimmers seines Zahnarztes geteilt. Der erfreut Besucher mit einem "Wo ist Walter?"-Wimmelbild an der Decke. Zwar brauchen Patienten hier echt gute Augen. Dafür dürften sie durch die Suche nach dem Kinderbuchhelden (im Original: Wally) aber wirksam abgelenkt sein. "Super. Mein Zahnarzt bietet nur abstrakte Wasserflecken von seinem undichten Dach", meinte ein Reddit-Nutzer.
Andere Kommentare in dem Forum zeigen, dass der Fortschritt auch vor der Deckendekoration in Arztpraxen nicht haltmacht. Demnach bieten viele Zahnärzte in Kanada und den USA Deckenmonitore und Kopfhörer, sodass die Patienten Fernsehen schauen können. Kundenorientierte Mediziner erlauben es, den Kanal zu wählen. Manch ein armer Patient musste aber schon mal Promi-TV über sich ergehen lassen. Das war leider nur im übertragenen Sinne nervtötend.
Fernsehen beim Zahnarzt?
Auch in Deutschland setzen einige Praxen auf Multimedia-Berieselung. Ein Zahnarzt wirbt auf seiner Internetseite mit "Entspannungsfilmen" mit Naturimpressionen von Traumstränden oder Korallenriffen. "Über Monitore an der Decke wirken diese einzigartigen Bild- und Musikkompositionen wie eine Beruhigungstherapie", heißt es.
"Nicht schlecht", meint Zahnärztin Schulz, verweist aber auf den größeren Aufwand. Schon ein reguläres Deckenbild sei für ihre Praxis kostenintensiv. Tatsächlich ist die Dekoration nicht billig. Die Preise beginnen bei rund 200 Euro für ungerahmte Bilder. Für drei Meter große Modelle mit LED-Hintergrundbeleuchtung kann ein Arzt auch schon mal rund 2800 Euro ausgeben.
Dafür steckt dann doch etwas mehr hinter den simplen Motiven, als man auf den ersten Blick denken würde. Die Produkte bei Frescovision sind geruchlos, antiallergen, schadstofffrei, abwaschbar und schwer entflammbar, wie der Firmengründer mit Verweis auf die nötige Hygiene und Sicherheit in Arztpraxen erklärt. Insbesondere Krankenhäuser wüssten das zu schätzen. Die Deckenbilder hängen aber auch in Pflegeheimen, Spas oder bei Friseuren. Sogar in Privatwohnungen hat die spezielle Deko Einzug gehalten. Dort erfüllt sie aber hoffentlich einen anderen Zweck als beim Zahnarzt.
Quelle: ntv.de