Reise

Aufbruch in Kuba? Havanna wartet auf den Frühling

Auf dem Malecón in Havanna.

Auf dem Malecón in Havanna.

(Foto: REUTERS)

Auf der Karibikinsel Kuba tut sich etwas. Die USA sind plötzlich Freunde und die Politiker aus Europa stehen beinahe Schlange. Das ist auch in den Straßen Havannas zu spüren. Genau wie die Probleme.

"Wie lange noch?" - diese Frage drängt sich vielen Kuba-Besuchern auf, wenn sie durch Havanna laufen. In ein paar Jahren könnte die "Perle der Karibik" eine Stadt sein, durch die Touristen flanieren wie heute durch Barcelona oder Lissabon. Schon jetzt sind viele Prachtbauten der Altstadt sauber renoviert, schon jetzt tummeln sich dort Sightseer, Selfie-Fotografierer und Postkartenschreiber. Hier trank Hemingway seine Drinks, dort hielt Castro eine Rede, da drüben traten die alten Männer des Buena Vista Social Club auf. Salsa, Strände, Sozialismus-Nostalgie - diese Stadt bietet genug bunte Bilder für schöne Urlaubserinnerungen. Seit dem 20. Juli unterhalten Kuba und die USA wieder diplomatische Beziehungen. Hollande, Steinmeier und Kerry waren schon da, im Herbst kommt der Papst - steht Kuba vor einem Aufbruch mit mehr Freiheit und weniger Mangelwirtschaft?

Noch ist die Stadt davon ein gutes Stück entfernt. Wer in der schwülen Hitze zum ersten Mal die karibische Luft einatmet, sieht, hört und riecht etwas anderes. Da sind die alten Paläste, die einst stolz ihre verzierte Säulenpracht präsentierten und nun in Ruinen daliegen. Da fauchen die Motoren, da hupen die Fahrer, da bedrängen die Taxifahrer die Touristen, da schmeckt man Ruß und Diesel aus der feuchtwarmen Luft heraus. Und alle auf den Straßen dieser Stadt schwitzen.


Zum Beispiel Ramón und Miguel, die an einem Samstagabend im Juni mit einer Flasche Rum an der Strandpromenade Malecón sitzen. Die beiden jungen Männer betreiben zusammen eine Konditorenbackstube. "Es ist schwierig", sagt der 30-jährige Ramón und nimmt einen Schluck. „Das Geld reicht einfach nicht“. Die Versorgungslage sei prekär. Milch, Benzin, Medikamente? Mal da, mal nicht. Im Schnitt verdient ein Kubaner in einem Staatsbetrieb vielleicht 25 US-Dollar, bei Preisen die teilweise europäisches Niveau erreichen, vor allem wenn es um importierte Waren geht. "Meine Hose hat 22 Dollar gekostet", sagt Miguel. "Wenn du dir so etwas leistest, kannst du in dem Monat nicht mehr viel essen." Ramón ist frustriert. "Wie soll man so überleben?" Wenn er 500 Dollar im Monat hätte, dann ginge es, glaubt er. Er überlegt ins Ausland zu gehen. Nach Ecuador vielleicht, wie sein Bruder. Aber erstmal backen sie weiter Kuchen und Gebäck in einem zum Ofen umgebauten Metallfass.

"Ich wünschte, ich könnte nach Deutschland"

David betreibt ein privates Restaurant in der Altstadt von Havanna. Er spricht überraschend fließend und überraschend gut Deutsch. "Ich lerne mit Büchern", sagt er. Er habe viele Freunde in Deutschland, in Baden-Württemberg zum Beispiel, in Karlsruhe. Wie viele spanische Muttersprachler betont er den Namen der Stadt auf dem u. In Deutschland war er noch nie. "Ich wünschte, ich könnte", sagt er. Zwar dürfen Kubaner seit einiger Zeit ins Ausland reisen, doch für viele ist der Flug unerschwinglich.

Aber bringt der Tourismus nicht viel Geld ins Land? Das schon, sagt David, aber dabei gehe es ungerecht zu. "Ein Chirurg verdient bei uns 61 Dollar im Monat." Ein Barkeeper in einer zweitklassigen Bar könne so viel an einem Tag verdienen. "Das ist absurd!". Um eine Lizenz zu bekommen, sei viel Bestechung nötig, alle wollten die Dollars der Touristen. Man bekomme auch keine Informationen von draußen, "Wir werden dumm gehalten." Und die Errungenschaften des Sozialismus in Kuba? Die Sicherheit, die gratis Gesundheitsversorgung und die freie Bildung? Er wendet das Gesicht ab und sagt: "Ja und was ist, wenn du fertig studiert hast? Dann willst du irgendwas machen." Er verabschiedet sich mit ernstem Gesicht. "Kommt mal in mein Restaurant", sagt er. "Aber da gibt es keinen Fidel und keinen Che!"

Noch sind viele Kubaner skeptisch, ob sich wirklich etwas ändert auf ihrer Insel. Trotz Annäherung an die USA. Trotz wachsendem Tourismus. Trotz geringerer Polizeipräsenz. Ob sie weiter Schlange stehen müssen mit Lebensmittelmarken, ob sie weiter darauf achten müssen, was sie sagen, ob sie irgendwann einmal genug verdienen, um zu reisen? Sie wissen es nicht. Manche hoffen, manche sind dafür zu resigniert. Wer ist in diesem Land überhaupt glücklich?

Sommer, Sonne, Musik

Bani vielleicht. Der Musiker spielt die Tres in einer Band an Havannas Plaza Vieja. Die Tres ist ein typisch kubanisches Instrument mit spanischen Wurzeln. Im Prinzip ist es eine Gitarre mit sechs Saiten. Diese sind aber in drei (spanisch: tres) Paaren, aufgezogen, so ist es leichter, die typischen Son-Melodien zu spielen. Bani und seine Kollegen spielen kubanische Schlager, vor allem für zwei beleibte Mädchen, die sich einen Tisch teilen. Sie lachen als der Sänger seine Maracas schüttelt und sie besonders übertrieben anschmachtet.

"Warum kaufst du dir keine Tres?", fragt mich Bani nach dem Konzert. Er strahlt und fordert dazu auf, zu schätzen wie alt er ist. 51? "64!", sagt er stolz lächelnd. Dabei sieht er ein bisschen aus wie Bill Cosby in den 80er Jahren. "Morgen spiele ich ein Konzert im Palacio de la Rumba", erzählt er. Das Orchester Arsenio Rodríguez sei bereits 1940 gegründet worden und damals die Nummer eins gewesen. "Ich lade dich ein!" Er könne auch aufschreiben wie man die Gitarrenakkorde auf der Tres spielt. "Die kennst du doch, Do, Re, Mi, Fa!" Er erklärt, wo er wohnt, da solle man einfach nach ihm fragen. Er gibt mir die Hand, lächelt sein Bill-Cosby-Lächeln, schnappt sich seinen Gitarrenkoffer und trabt von dannen.

Wie lange also geht es noch so weiter? Sicher ist vorläufig nur, dass dem Castro-Regime mehr als einmal der Tod vorausgesagt worden ist und es noch immer Bestand hat. Klar auch dies: Die Sonne über Havanna wirft lange Schatten.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen